11. Seminar
Beim Vorbereitungstreffen im Bildungshaus St. Virgil / Salzburg, im Jänner 2006, begrüßte Mag.a Martina Maschke, Leiterin der Abteilung bilaterale Angelegenheiten und verantwortlich für die Yad Vashem Seminare, die TeilnehmerInnen. Wie bei allen bisherigen Yad Vashem Seminaren wurden die Teilnehmer/innen von den jeweiligen Landesschulratspräsidenten, bzw. von der Stadtschulratspräsidentin in Wien, nominiert. Das Seminarprogramm stellte der langjährige Projektpartner in Yad Vashem, der Historiker Yariv Lapid, vor. Er informierte über die International School for Holocaust Studies (siehe www.erinnern.at „Yad Vashem“), die Arbeitsmöglichkeiten in den Archiven Yad Vashems, das neu gestaltete Holocaust Museum und die Ausstellung sowie das Rahmenprogramm. Beim Vorbereitungstreffen lernen sich die Kolleg/innen aus ganz Österreich kennen und tauschen sich über ihre Motive zur Teilnahme am Seminar und ihre pädagogischen Vorerfahrungen im Umgang mit dem Thema aus. Weiters gibt es ausreichend Informationen über die Reisemodalitäten für die 13-tägige Seminarreise und entsprechende landeskundliche Hinweise, eine kommentierte Textzusammenstellung und Literaturhinweise zur persönlichen Vorbereitung.
Die Gruppe/Teilnehmer/innen nach Schultypen: 1 VS, 5 HS, 4 Gymnasium, 1 HAK, 1 HTL, 2 PI, 1 Personalvertreter, 1 bm:bwk Abteilung politische Bildung, 1 Innenministerium, 2 Jüdisches Berufsbildungszentrum Wien. Davon waren 5 Historiker/innen, 4 Anglist/innen, 4 Germanist/innen und gleichmäßig verteilt Kolleg/innen anderer Unterrichtsgegenstände. Gruppenfoto und Namen der Teilnehmer/innen, siehe down-load.
Das Programm wurde von den Teilnehmer/innen als durchwegs außergewöhnlich interessant erlebt, auf der inhaltlichen Ebene war viel Neues und Unbekanntes dabei. Vor allem die Vorträge, die in der seit mehreren Seminaren ständig weiter entwickelten Zusammenstellung und in bewährter Weise entlang der jüdischen Narrative zur Shoah, das Leben vor, während und nach der Shoah, aufgebaut waren, fanden große Zustimmung. Besonders zu erwähnen wäre der Vortrag von Dr. Yehuda Bauer zum Thema „Alter und neuer Antisemitismus“. Als für die österreichische Schulpraxis besonders wichtig wurde auch der Vortrag von Dr. Over Schiff bewertet. Er referierte über die Zusammenhänge von Holocaust und Gründung des Staates Israel, über den Eichmann Prozess in Jerusalem 1961 und dessen Bedeutung für die öffentliche Anerkennung des Holocaust und der Traumatisierungen der Überlebenden, die Rolle des Sechs-Tage-Krieges und weitere historische Zäsuren in der Entwicklung des israelischen Staates bis in die Gegenwart. Das große Interesse der teilnehmenden Kolleg/innen spiegelte sich in den zahlreichen Fragen und lebhaft geführten Diskussionsteilen.
Ein zweiter wesentlicher Teil des Seminars bildete die Didaktik-Methodik. Hier wurden entlang der universellen Philosophie der Holocaust Pädagogik – „Tell a human story“ – Beispiele aus von in Yad Vashem entwickelten Programmen vorgestellt, u.a. das Auschwitz-Album, das Kinder- und Jugendbuch „Fly Like a Butterfly“, jüdisches Leben in Europa vor der Shoah. Bedeutend ist dabei die altersadäquate Vermittlung und ein fächerübergreifender Zugang zur Aufbereitung der Inhalte. Lernende sollen dabei mit ihren Fragen, die sich aus der Gegenwart heraus stellen, vor allem auch damit konfrontiert werden, dass es keine einheitlichen, geschlossenen Narrative gibt, sondern zahllose Dilemmata. Weiters bedeutend war die Begegnung mit drei Holocaust Überlebenden, Ehud Lev, Ruth Benisti und Naftali Fuerst, in einem Workshop, der – wie das gesamte Seminar – von Noa Mkayton umsichtig und fachkundig geleitet wurde. Sie war kurzfristig für den verhinderten Yariv Lapid eingesprungen. Fragen, wie die österreichischen Teilnehmer/innen mit dem Seminar, den Inhalten, den Begegnungen in der für manche als irritierend erlebten Fremde umgehen, wurden in bewährter Weise in drei Workshops mit Dr. Natan Kellermann besprochen, der auch über Amcha berichtete, eine israelweite Organisation, die seit mittlerweile 20 Jahren Holocaust Überlebenden psychosoziale Unterstützung und Begleitung anbietet.
Das Yad Vashem Seminar ist im Kern auf die Shoah Narrative und deren Vermittlung fokussiert und ist kein landeskundliches Israel Seminar. Dennoch wird innerhalb der 13 Tage eine im Umfang bescheidene landeskundliche Kontextualisierung in die israelische Gegenwart geboten. Auf dem Programm standen ein Stadtführung durch Jerusalem, eine Fahrt ans Tote Meer und nach Massada, zwei Tage Fahrt in den Norden, auf die Golan Höhen und den See Genezareth mit einer Übernachtung im Kibbutz Hotel En Gev, eine Schifffahrt quer über den See nach Tiberias sowie der Besuch von Pater Shufanis Schule in Nazareth.
Aus dem selbst organisierten Rahmenprogramm erwähnenswert sind die Ausführungen und Kommentare zur aktuellen politischen Situation nach den Wahlen von Ari Rath, dem aus Wien stammenden langjährigen Chefredakteur der Jerusalem Post sowie die Begegnung und das Dinner mit den „Jerusalem Austrians“. Wie bei früheren Seminaren wurde dieser Abend dankenswerterweise in Kooperation mit Frau Anitta Goldschmidt und Herrn Felix Jaffé organisiert. Bei der Gruppe der „Jerusalem Austrians“ handelt es sich um Juden, die in Österreich geboren sind, hier ihre Kindheit und zum Teil Jugend gelebt haben und während des „Anschlusses“, bzw. nach dem „Anschluss“ geflohen und nach Palästina ausgewandert sind. Es sind ältere Leute, um die 80 und zum Teil älter, die meisten haben Nachkommen, Kinder und Enkelkinder. Sie hängen an ihrer alten Heimat Österreich und sind sehr neugierig, alles Mögliche zu erfahren. Viele haben ihre Stadt besucht, manche haben noch Schulfreunde und Bekannte in Österreich. Diese Menschen treffen sich hin und wieder in einem österreichischen Club, hören Vorträge von Referent/innen, die zum Teil aus Österreich kommen. Ihnen ist es sehr wichtig, Menschen zu treffen, mit denen sie über das heutige Österreich reden können, über Gesellschaft, Politik und Kultur. Mitunter treffen sie auf Lehrer/innen, die zufällig in der selben Straße leben, in der sie aufgewachsen sind, oder dieselbe Schule besucht haben, an der die Lehrerin heute unterrichtet.
Alle Teilnehmer/innen sind nach zwei sehr interessanten, anstrengenden und persönlich herausfordernden Seminarwochen am 12. April 2007 wieder gut in Österreich. Beim Nachbereitungstreffen Ende Mai in Salzburg berichteten die Kolleg/innen über ihre Erfahrungen beim Zurückkommen in die österreichische Wirklichkeit; wir diskutierten Themen und Inhalt der Multiplikationsprojekte, über die Vernetzung eigener schulischer Aktivitäten sowie über follow-ups mit den Koordinator/innen der Dezentralen Netzwerke, die die Seminarteilnehmer/innen regelmäßig zu Treffen einladen.