27. Seminar vom 21. August - 4. September 2015
Das 27. Seminar war ursprünglich für August 2014 geplant. Die politische Lage bzw. die Sicherheitslage in Israel – der Gazakonflikt – verhinderte die Fahrt und das Unterrichtsministerium entschloss sich, das Seminar auf August 2015 zu verschieben. Fast alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer waren ein Jahr später wieder mit dabei. Dadurch kam es zu einem zweiten Vorbereitungsseminar, das nicht nur eine Festigung des sozialen Zusammenhalts in der Gruppe bewirkte, sondern auch die Möglichkeit bot, Sparkling Science-Projekte des Instituts für jüdische Geschichte Österreichs sowie die Erinnerungskultur Salzburgs bei einer Stadtführung von Johannes Hofinger kennenzulernen.
Mit dieser Gruppe begann die Israelfahrt mit einem Besuch an der Westmauer am Erev Schabbat und am nächsten Tag mit Führungen durch Jerusalem und auf Massada durch unsere kompetente und temperamentvolle israelische Reisebegleiterin Shlomit Gross. Die ersten Tage in Yad Vashem brachten Einheiten von Noah Mkayton, Jakob Hessing, Simcha Epstein, Efraim Zuroff und Yehuda Bauer. Debbie Hartmann war die Koordinatorin des 27. Seminars und wie immer hervorragend. Ihre präzise Aufgabenstellung, ihre strukturierten Workshops und die Führung durch das Gelände und die Museumsausstellung ließen uns in die Materie eintauchen, ohne dass das Gefühl von Überladensein zurück blieb.
Neu waren der Besuch auf dem Herzlberg und eine erweiterte Perspektive auf die Folgen der Shoah in der 2. und 3. Generation. Jonathan Matthews, der sich in seinen Studien mit der Erinnerungskultur des Herzlbergs befasst, brachte uns die Veränderungen in der israelischen Gesellschaft und diesen Ort als Gradmesser und historischen Entwicklungspunkt näher. Mit demselben Thema befasste sich der Vortrag von David Vitzthum, der uns seine Positionen als israelischer Nachrichtensprecher offenlegte und einen diskursiven Prozess auslöste, in dem festgefahrene Meinungen der österreichischen Seminarteilnehmer*innen aufgebrochen wurden. Leider bekamen wir durch seinen Vortrag wenig von seiner eigenen Meinung und Haltung vermittelt. Es bleib bei einer politisch neutralen Bestandaufnahme der aktuellen israelischen Realität. Wie schwierig es ist, mit der Geschichte des Vaters bzw. Großvaters umzugehen, zeigten uns die Beiträge von Fabiana Meyochas, Michel Kichka und dem Zeitzeuge Thomas Geve, der mit seiner Tochter kam.
Die historische Aufarbeitung des Unternehmen Barbarossa durch Daniel Uziel und der Vortrag zur „Final Solution“ durch Tobias Ebbrecht-Hartmann zeigte uns auf, wie wichtig es neben der Erfassung von historischen Zusammenhängen ist, den Umgang mit verschiedenen Quellen, Medien und Methoden einzubauen. Darüber hinaus waren die ausgewählten pädagogischen Materialien sehr gut an die Bedürfnisse der Seminarteilnehmer*innen angepasst. Die Gegenüberstellung unterschiedlicher Positionen (Opfer und Täter) in der Einheit „Deportation of the Jews from Duesseldorf to Riga“ (Salitter-Report) spricht klar und deutlich die Rolle der Täterschaft an. Yad VaShem stellte uns zudem unterschiedliche pädagogische Materialien zur Verfügung. Die umfassenden Arbeitsmaterialien zu „Was geht mich die Geschichte an“ wurden uns zudem nach Österreich nachgesandt.
Unsere Reise in den Norden startete mit einem Besuch in Zfat (Safet). Nach unserem ersten Eindruck von Jerusalem, dem das Element Feuer zuzuordnen wäre, konnten wir einige Tage später erkennen, warum Zfat mit dem Element Luft verbunden ist. Die Stadt liegt nicht nur an einem Bergrücken und ist die höchstgelegene Stadt Israels, sondern sie verbindet auch skurrile und traditionelle Lebensentwürfe und vermittelt zugleich spirituelle Fröhlichkeit. Eine Begegnung der Seminarleitung im Mai dieses Jahres mit jüdischen Nachkommen aus St. Pölten ermöglichte der Gruppe noch am selben Tage den Besuch einer Winery in einem Moshav. Schön war zu sehen, mit welcher Begeisterung, Engagement und auch Erfolg, Weinbau in Israel betrieben wird. Die Tatsache, dass die Familie Gol, in der Sharonebene wohnhaft, extra für diese Wochenende zu ihrer Tochter in den Norden gekommen war, zeigt einerseits die emotionale Verbundenheit mit ihren österreichischen Wurzeln, andererseits aber den Stolz in ihrer neuen Heimat Fuß gefasst zu haben. Das T-Shirt von Herrn Gol mit der Aufschrift „VIP – Very Israeli Person“ bedarf daher keiner Erklärung. Es gab darüber hinaus mehrere Momente während der Reise, in denen uns in persönlichen Begegnungen (so auch bei den beiden Treffen mit den Old Austrians) zahlreiche Anknüpfungspunkte zur emotionalen Verbundenheit mit Österreich aufgezeigt wurden, die aber immer auch in der Verbindungen mit persönlichen und familiären Zusammenhängen zur Katastrophe der Shoah standen.
Nach Rücksprachen mit dem Uno-Beobachtungsposten auf den Golan sind wir am darauf folgenden Tag auf den Mount Bental gefahren, was immer einer der Fixpunkte der Reise in den Norden ist, um die geopolitische Situation Israels besser verstehen zu können. Der Blick auf das nahe liegende syrische Nachbarland und passiver Beobachter eines im Krieg befindenden Landes zu sein, waren für uns die Gründe, den Aufenthalt am Mount Bental möglichst kurz zu halten. Die Reise in den Norden wurde durch zwei Wanderungen in zwei Naturparks (Banijas und Tel Dan) abgerundet.
Der Besuch von beiden Instituten Yad VaShem (YVS) und Lochamei HaGetaot (LHG) ist in Kombination unerlässlich. Die wissenschaftlich fundierten Grundlagen, die in YVS am Programm waren, hoben das gemeinsame Wissens- und Reflexionsniveau an und ermöglichten den Teilnehmer*innen eine bessere die Umsetzung in der Praxis. In Workshops in LHG wurden uns dann pädagogisch universell einsetzbare Unterrichtsmodule vorgestellt. Das Gespräch mit Absolventen des CHE-Programms, das jeweils mit einem israelisch-jüdischen und israelisch-arabisch Jugendlichen ablief, zeigt die Problematik des Nahostkonflikts sowohl auf persönlicher als auch auf nationaler Ebene. Das Bemühen der Jugendlichen, dieser Problematik offen und mit Zivilcourage zu begegnen, beeindruckte alle Seminarteilnehmer*innen.
Beide Institutionen, sowohl YVS als auch LHG, nahmen Bezug auf die Neudefinitionen des Ortes nach 1948 und brachten die ehemaligen arabischen Dörfer Deir Yassin und Samaria ins Bewusstsein der aufmerksamen Zuhörer*innen. Diese Thematisierung zeigte, dass sich Gedenkkulturen und kollektive Erinnerung einer laufenden Veränderung unterziehen. Durch die langjährige Zusammenarbeit mit österreichischen Gruppen hat sich bereits ein erfolgreicher Austausch israelischer und österreichischer Positionen entwickelt. Woher kommen wir, wo sind wir und wohin wollen wir, hat eine gemeinsame Basis gefunden.