Fotoausstellung in Erinnerung an das KZ Mauthausen an der WIMO Klagenfurt

Die WIMO Klagenfurt zeigt noch bis März eine Foto-Ausstellung, die im Zuge einer Exkursion ins ehemalige KZ Mauthausen entstanden ist.
Kontaktperson für Ausstellungsbesuche ist Ilse Geson-Gombos unter ilsegombos@hotmail.com

Am 12. Jänner 2018 wurde an der WI´MO die Ausstellung „Von Schönheit hell umflammt ist diese Erde – Erinnerungsbotschaften“ von Direktor Mag. Hermann Wilhelmer, Univ. Prof. Dr. Peter Gstettner und Bildungsdirektor Rudolf Altersberger im Beisein der SchülerInnen sowie VertreterInnen vom Landesschulrat, Schulpartnern und der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt eröffnet. Mag. Ilse Geson-Gombos und Dipl. Päd. FOL Heidi Cas-Brunner gestalteten diese Ausstellung gemeinsam mit ihren SchülerInnen der 3 CHW und der 3 AHM, die ihre Gedanken und Erinnerungsbotschaften dazu präsentierten.

Betroffenheit kann die Grundlage für eine eingehende Beschäftigung mit den historischen Inhalten darstellen, ist jedoch kein Muss. Die Auseinandersetzung mit dem historischen Material ist das Tor zum Verständnis, aus welcher Katastrophe heraus die demokratischen Errungenschaften und Werte der heutigen Gesellschaft entstanden sind.

Die Ausstellung ist Resultat eines Prozesses zwischen SchülerInnen, den Guides in Mauthausen und Linz, LehrerInnen dieser Schule und Univ. Prof. Dr. Peter Gstettner, der die Ausstellung mit einem berührenden Vortrag eröffnete. Die schwarz-weißen Fotos des Memorials von Fachvorständin Heidelinde Cas-Brunner wurden von Prof. Gstettner mit Schilderungen der Realität im ehemaligen Konzentrationslager vervollständigt. Ursprünglich war angedacht, die Fotos mit Informationstexten auszustatten. Stattdessen erwarteten die Besucherinnen und Besucher zentrale Begriffe, die als Antithese zur nationalsozialistischen Gewaltherrschaft für eine demokratische Gesellschaft unverzichtbar sind. Gleichzeitig folgte die Ausstellung dem Auftrag der Jugend, das Leben zu feiern und zu genießen. Als Motto wurde ein Zitat aus Jura Soyfers im Konzentrationslager geschriebenen „Lied von der Erde“ genommen: „Von Schönheit hell umflammt ist diese Erde“.

Die Fotos sind mit den Begriffen Freiheit – Demokratie, Gemeinschaft – Zuhause, Leben – glücklich, Erinnerung – Hoffnung gepaart. Sie sind in der Auseinandersetzung der SchülerInnen mit der Zeit des Nationalsozialismus entstanden, und spiegeln den Wunsch nach einem friedvollen Zusammenleben in Europa und auf der ganzen Welt.

Das Mauthausen Komitee Österreich (MKÖ) berichtet in seiner Grußbotschaft zu Beginn des neuen Jahres von ungebrochenem Interesse von Jugendlichen an den Führungen im Memorial Mauthausen. Warum besuchen Jugendgruppen in Scharen das Memorial, was wollen sie mitnehmen, was erhoffen sie sich dort zu hören und zu lernen?

69 Prozent der Jugendlichen interessieren sich nach eigenem Bekunden „sehr für die Zeit des Nationalsozialismus“, 80 Prozent halten Erinnern und Gedenken für sinnvoll, 59 Prozent empfinden Scham angesichts der Verbrechen. So die Resultate des Umfrageinstitut TNS Infratest für eine große deutschsprachige Zeitung. Jedoch, das wissen alle, die mit der Vermittlung von Geschichte zu tun haben: Verordnen kann man den Jugendlichen Betroffenheit und Erinnerungsarbeit nicht. Ist Betroffenheit notwendig? Alle Fotos der Ausstellung, bis auf eines, zeigen den ehemaligen Ort des Verbrechens, Mauthausen. In einem Foto sind SchülerInnen zu sehen, die sehr betroffen wirken.

 

„WI’MO Erinnerungsbotschaften“.

Rede von Peter Gstettner zur Ausstellungseröffnung mit Fotos von der Exkursion der Schule in die Gedenkstätte Mauthausen-Memorial

 

„Der 5. Mai 1945 war ein sonniger Frühlingstag. Ein dichter Nebelschleier bedeckte die Tiefen der Mühlviertler Täler und den grausilbernen Donaustrom. Im Süden, in weiter Ferne, vom Nebel abgeschnitten, sah man die weißbedeckten Gipfel der Ennstaler Alpen, die Hügel rund um das Lager glänzten im Frühlingsgrün“, so erinnert sich Hans Marsalek an diesen Tag, der als „Tag der Befreiung“ in seinem und im Leben zehntausender anderer Häftlinge eine einzigartige lebensgeschichtliche Bedeutung bekommen sollte.

„An diesem herrlichen Tag, etwa um 12.00 Uhr, hörte man zuerst von der von Nebelschwaden verdeckten Zufahrtsstraße ein starkes Motorengeräusch und dann ... dann kamen langsam in das Sonnenlicht hervor: ein weißer Personenkraftwagen mit Haeflinger, dem Wiener Feuerschutzpolizisten, sowie zwei amerikanische Panzerspähwagen! Unweit des Krankenlagers blieben sie zuerst stehen. Im gleichen Augenblick wurden die Torflügel des Sanitätslagers von den Insassen weit aufgerissen. Hunderte Männer und Hunderte Frauen und Kinder strömten in wilden Haufen zu den Fahrzeugen. Die meisten waren halb nackt, nur mit Lumpen bedeckt, manche ohne jede Bekleidung, halb verhungerte Geschöpfe, lebende Skelette. Es war, als hätte sich ein Massengrab geöffnet. Manche waren ohne Beine, andere kamen auf einem Bein hüpfend, manche schleppten sich auf allen Vieren kriechend oder robbend heran, sie alle versuchten die Tanks und die lebensrettenden Soldaten zu berühren. Die anderen, völlig Entkräfteten oder kaum Bewegungsfähigen, wälzten sich im Staub und Schlamm der Lagerstraßen, versuchten die Hände oder zumindest den Kopf in Richtung Panzerfahrzeuge zu strecken. Auch sie wollten die Befreier begrüßen, ihnen danken. Die meisten Häftlinge weinten, manche tanzten oder hüpften vor Freude herum, schrien in hysterischer Freude. Andere wieder wurden vor Freude ohnmächtig und viele, ja sehr viele sind gerade in diesen Minuten der so sehnsüchtig erwarteten und endlich erfolgten Befreiung gestorben.“[1]

Hans Marsalek gehörte damals als 2. Lagerschreiber selbst zu den KZ-Häftlingen in Mauthausen. Schon zuvor war er als Antifaschist in einer Widerstandsgruppe aktiv, die sich aus jungen Sportlern und Sportlerinnen tschechoslowakischer Herkunft in Wien gebildet hatte. Heute würde man sagen: Diese jungen Männer und Frauen waren „österreichische Patrioten mit Migrationshintergrund“, Menschen unterschiedlicher politischer Weltanschauung und Angehörige einer ethnischen Minderheiten, die sich seit der K.u.K.-Monarchie zu Österreich bekannten und die keine „Reichsdeutschen“ sein wollten - vor allem nicht in Folge eines „Anschlusses“ ihrer österreichischen Heimat an Hitler-Deutschland. Sie wollten daher auch nicht für Hitler in den Krieg ziehen und fremde Länder erobern und deren Bevölkerung unterjochen und versklaven.

Ich hatte das Glück, zwei von dieser Gruppe kennen zu lernen und innerhalb von mehr als 15 Jahren ihr Vertrauen zu gewinnen: Irma Trksak, Überlebende des KZ Ravensbrück, die 2017 im 100. Lebensjahr verstarb; (ihr damaliger Verlobter, Ludwig Stepanik, ebenfalls Mitglied dieser Sportgruppe, nahm sich aus Verzweiflung im Mauthausen-Außenlager Klagenfurt-Lendorf das Leben;) und den Zeitzeugen Hans Marsalek, der mit 97 Jahren im Dezember 2011 in Wien verstarb.

Ich musste das erwähnen, weil diese Menschen - eigentlich alle Überlebenden von Mauthausen und vom Loibl-KZ, die ich in den letzten 25 Jahren kennen lernen durfte - für mich und für viele meiner Freunde im Mauthausen Komitee, wie nahestehende Verwandte Vorbilder, Autoritäten und Lehrmeister waren, die uns ein gewichtiges „Erbe“ anvertraut haben. Ich hatte immer den Eindruck, dass es für die Zeitzeugen und für deren Überleben und Weiterleben es ganz essentiell war, zu wissen und zu erfahren: Es gibt in der nächsten Generation in Österreich, auch in Kärnten, jüngere engagierte Menschen, die dieses „Erbe“ annehmen und weitertragen würden.  - Das war nicht nur mein persönliches Gefühl sondern auch meine innerste Überzeugung, dass unser Interesse, also auch Ihr Interesse, liebe Schülerinnen und Schüler, mit dazu beiträgt, dass die Zeitzeugen ihr Leben auf dieser Erde beschließen können im Wissen, ihr Tod wird nicht das Ende der Geschichte sein, ihr Tod wird nicht den „Schlussstrich“ besiegeln und ihr Tod wird auch nicht den lautlosen Übergang ihrer Geschichte zu einem leblosen „Museum der Erinnerung“ bedeuten.

Die habe zur Ausstellungseröffnung bewusst die Erzählung von Hans Marsalek über den Augenblick der Befreiung von Mauthausen gewählt, weil niemand von uns Nachgeborenen sich auch nur annähernd eine Vorstellung davon machen kann, was die „Realität eines Konzentrationslagers“ war. Selbst alle Erzählungen und schriftlichen Berichte von ehemaligen Häftlingen zusammengenommen, können kein vollständiges Bild der Wirklichkeit von Mauthausen geben: Kein Häftling konnte das gesamte Geschehen von A bis Z überblicken. Sie waren an verschiedenen Orten, in verschiedenen Arbeitskommandos, zu verschiedenen Zeiten in unterschiedlichen Baracken und der Kontakt untereinander war nur begrenzt möglich, aus Gründen der Sprache, der sozialen und politischen Herkunft, der unterschiedlichen körperlichen Verfassung und Position in der „Häftlingshierarchie“ usw.

Nach der Befreiung zerfielen zumeist die letzten Bande der durch das gemeinsame Schicksal erzwungenen Solidarität. Die Bande der im Lager geschlossenen persönlichen Freundschaften blieben jedoch oft ein Leben lang. Der Weg zurück zum bürgerlichen Alltagsleben war jedoch schwer. - Der Auschwitz-Überlebende Primo Levi hat einmal geschrieben: Die Befreiung öffnete zwar das Tor für alle zum Weg zurück zum Menschsein, für die Peiniger wie für die Gepeinigten. Für alle war dies oft ein langer und schwieriger Weg, an dessen Ziel manche niemals ankamen. Wie sollten sie auch? Kein Verbrecher und kein Mörder wurde über Nacht zum guten Menschen. Und auf der anderen Seite gab es Überlebende, die niemals mehr heimisch werden konnten in der neuen „freien Welt“.

Die Botschaft der Überlebenden war: Im Grunde konnten wir das Lager niemals verlassen, es begleitete uns das ganze Leben lang.

Ich glaube, Sie verstehen, wie das gemeint war. Und sie ahnen vielleicht, dass dies kein Ressentiment, kein verbittertes Verhaftetsein in der Vergangenheit ist sondern auch ein Vorwurf, wenn nicht gar eine Anklage an unsere Gegenwart, an unsere Gesellschaft, die am liebsten von dieser „dunklen Vergangenheit“ nichts mehr wissen will; die der Meinung ist, die Gräben und die Gräber sollen zugeschüttet bleiben; soll doch das Gras darüber wachsen.

 

Sich der Befreiung dankbar zu erinnern, erscheint mir ebenso wichtig, wie das Gedenken an die Opfer des Hitler-Regimes, die die Befreiung nicht mehr erleben durften. Das Gedenken der Überlebenden schließt ja immer jene „Untergegangenen“ ein, jene Leidensgenossen, die die Befreiung nicht erlebt haben und die deshalb noch viel öfter dem Vergessen unserer Gesellschaft anheim fallen als die „Davongekommenen“.

Damit sind wir bei der „inklusiven“ (einschließenden) Erinnerung an die zu Hunderttausenden ermordeten Juden, an die Sinti und Roma, Zeugen Jehovas, Kriegsdienstverweigerer, behinderten Menschen, an die Homosexuellen, an die armen, alten und kranken Menschen, Obdachlosen und Bettler. Sie alle konnten und wollten keine „Kriegshelden“ sein wollten. Sie heute auf Kriegerdenkmäler oder bei den Trauerzeremonien davor zu ehren, ist eine Verkehrung und Schändung ihres Angedenkens - und darf nicht in einem Atemzug mit dem Gedenken der KZ-Überlebenden genannt werden. Deren Botschaft ist keine Aufforderung zu einer Trauerbekundung, auch nicht zu einer Versöhnungsgeste, denn „eigentlich waren wir doch alle Opfer“. Die Botschaft der Überlebenden ist eine Mahnung zum Wachsamsein, denn die „Befreiung“, die wahre Freiheit wird dem Menschen nicht geschenkt; sie muss erkämpft und tagtäglich praktiziert werden. Die Botschaft der Überlebenden ist im Grunde eine ganz einfache Wahrheit, die da heißt: Was einmal geschehen ist, kann wieder geschehen.

Das Bekenntnis „Niemals wieder“ ist nicht mehr als ein Wunsch bzw. eine Hoffnung. Diese Hoffnung wird sich nicht erfüllen, wenn wir nichts dazu tun. Die bloße Erinnerung an Mauthausen und die anderen Konzentrationslager wird die Menschheit nicht vor neuer Unmenschlichkeit bewahren. Das betrifft auch unsere Sprache. Ein Politiker, der heute davon spricht, dass Flüchtlinge und Asylwerber unter der Obrigkeitskontrolle des Staates auf einem eingegrenzten Areal „konzentriert“ werden sollen, hat aus der Geschichte nichts gelernt. Auch die deutsche Sprache ist seit der NS-Zeit „kontaminiert“, für alle Zeiten vergiftet von den entsprechenden Verbrechen. Daran würde sich auch nichts ändern, diesen Politikern einen Besuch der Gedenkstätte in Mauthausen nahe zu legen.

Deshalb meine ich: Nichts, was heute in der Gedenkstätte von Mauthausen sichtbar und erfahrbar ist, wird uns heute dabei helfen zu erkennen, woher und in welcher Gestalt die Menschenverachtung damals kam und heute wieder kommt. Dazu noch ein Beispiel: Kein Stück rostiger Stacheldraht, den wir heute noch da und dort als Überbleibsel des Lagerzaunes finden können, wird uns einen Hinweis darauf geben, dass wir es mit einer WARNUNG zu tun haben, niemals wieder Stacheldrahtzäune zu errichten, denn dieser Zaun war damals keine Umhegung einer die Menschen schützenden Festung bzw. eines gewöhnlichen Gefängnisses. Der heute verrostete Stacheldraht war damals ein mit Strom geladener Zaun, eine Todesgrenze zwischen dem Leben drinnen und dem Leben draußen. Der „Tod im Stacheldraht“ wurde von manchen Häftlingen als letzter Ausweg zum selbst gewählten Ende des aufgezwungenen Leidensweges gesucht. Für die SS-Aufseher auf der anderen Seite, die Häftlinge bewusst in den Stacheldraht gejagt und getötet haben, war dies lediglich eine Todesart neben anderen, die tagtäglich im KZ praktiziert wurden, wie Erhängen, Erschießen, zu Tode prügeln, in den Steinbruch hinab stoßen, die Opfer im Bunker zu Tode quälen, „ins Gas zu schicken“ oder dem SS-Lagerarzt für seine pseudo-medizinischen Menschenversuche zu überlassen.

Was wir von diesem „realen Mauthausen“ heute noch an Spuren finden, sind alles Rekonstruktionen oder mehrfach restaurierte und für uns erhaltene „Gedächtnisstützen“. Trotzdem oder gerade deswegen ist diese Ausstellung so wichtig und zeitgemäß. Wir benötigen die intensive Wahrnehmung dieser „Gedächtnisstützen“. Das „Erbe von Mauthausen“ kann heute gar nicht anders vermittelt werden als so. Die Botschaft der Zeitzeugen steckt gleichsam verborgen in diesen schwarz-weiss Bildern.

Das „Erbe“ erschließt sich aus diesen Bildern und der Geschichte, die wir an diesem Ort erfahren. Beides kann  aber niemals „die wahre Geschichte“ über die Realität von Mauthausen sein sondern immer nur ein Hinweis auf die Moral von der Geschichte. Was ist „die Moral von der Geschichte“? Sie selbst haben sie in den unter den Bildern stehenden Begriffen zusammengefasst, komprimiert, verdichtet. Insofern ist diese Ausstellung eben keine Darstellung der Geschichte des KZs von Mauthausen, keine „alte Geschichte“, sondern eine aktuelle Warnung vor dem Gesellschaftsfähigwerden der Aufforderung zum Ausgrenzen des Anderen, eine Warnung vor den Anfängen der politischen Praxis der Anstachelung zu Fremdenhass, Rassismus und Antisemitismus.

Dieser Mahnung soll kein entsprechendes Lippenbekenntnis folgen sondern ein Bewusstseinsprozess, ein ernsthaftes Nachdenken, basierend auf der auch heute gültigen Menschheitserfahrung und Menschheitshoffnung, die der österreichische Schriftsteller Jura Soyfer[2], der 1939 im KZ Buchenwald verstarb, in seinem „Lied von der Erde“ so eindrücklich formuliert hat:

 

Voll Hunger und voll Brot ist diese Erde,

Voll Leben und voll Tod ist diese Erde,

In Armut und in Reichtum grenzenlos.

Gesegnet und verdammt ist diese Erde,

Von Schönheit hell umflammt ist diese Erde,

Und ihre Zukunft ist herrlich und groß.



[1] Hans Marsalek, Mauthausen, Wien / Linz 1995, S. 334/335.

[2] Jura Soyfer: geboren am 8. Dezember 1912 in Charkow, Ukraine, gestorben am 16. Februar 1939 im Konzentrationslager Buchenwald an Typhus. Er zählt zu den bedeutendsten politischen Schriftstellern Österreichs in den 1930er Jahren.