Kärntner FPK streicht Weihnachtsgabe für NS-Opfer
Aus: "Der Standard"
Kärnten: FPK streicht Weihnachtsgabe für NS-Opfer
20. Dezember 2011 18:50
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Foto: Klara Dunshirn
Überreste des KZs am Loibl, einer Außenstelle von Mauthausen: Für Opfer des NS-Terrorregimes soll es in Kärnten keine Weihnachtszuwendung des Landes mehr geben.
Kärntens FPK-Sozialreferent Christian Ragger strich die Weihnachtszuwendung für NS-Opfer - Die sind empört - Sie müssen sich jetzt als Bittsteller um "Hilfe in besonderen Lebenslagen" an das Land Kärnten wenden
Klagenfurt - Helga Emperger (83) traute ihren Augen kaum. Seit vielen Jahren hatte sie als NS-Opfer eine kleine Weihnachtsgabe von 75 Euro vom Land Kärnten erhalten. Diese wurde vor etlichen Jahren als freiwillige Leistung des Landes eingeführt und war für alle NS-Opfer gleich hoch.
Heuer ließ Soziallandesrat Christian Ragger (FPK) der betagten Frau einen abschlägigen Bescheid zuschicken. Die immer größer werdenden finanziellen Herausforderungen im Sozialbereich müssten "überprüft und neu bewertet werden", heißt es in dem Schreiben aus Raggers Sozialabteilung.
Helga Emperger schrieb aufgebracht einen (dem Standard vorliegenden) Brief an Ragger, der unbeantwortet blieb. Es könne nicht sein, dass Raggers "Kompetenzzentrum Soziales" einen so bescheidenen Finanzrahmen aufweise, "dass er durch eine Weihnachtsunterstützung in der Höhe von bisher 75 Euro gesprengt werden kann". Zumal es ja kaum mehr überlebende NS-Opfer bzw. deren Angehörige gebe.
Tatsächlich ist die Zahl der Kärntner NS-Opfer auf 783 geschrumpft. Nur 300 von ihnen haben jährlich um diese Unterstützung angesucht und sie auch bekommen. Insgesamt hatte das Land Kärnten bisher im Landesbudget rund 22.000 Euro dafür aufgewendet.
"Ich empfinde Ihren abschlägigen Bescheid als ausgesprochene Kränkung und Missachtung", schreibt Emperger. Soziallandesrat Ragger, vom Standard darauf angesprochen, meinte zwischen Tür und Angel lapidar: "Wir haben ja nur eine Doppelgleisigkeit abgeschafft. Die kriegen die 75 Euro eh weiter, sie müssen nur einen Antrag auf Hilfe in besonderen Lebenslagen stellen." Auch Abwehrkämpfer, vertriebene Slowenen hätten wie die NS-Widerstandskämpfer bisher diese Weihnachtsunterstützung erhalten.
SPÖ entschuldigt sich
Jetzt habe man eben alles unter "Hilfe in besonderen Lebenslagen" zusammengefasst. Unter diesem Titel konnten sich bisher arme oder vom Schicksal hart getroffene Kärntner Landesbürger an das Sozialreferat wenden.
SPÖ-Chef Landeshauptmann-Stellvertreter Peter Kaiser und SP-Landesrätin Beate Prettner sind empört: "Menschen, die Opfer des NS-Terrorregimes geworden sind, die Weihnachtsgabe abzuschmutzen, ist das Letzte. Ich schäme mich, distanziere mich und entschuldige mich persönlich bei den Opfern", sagt Kaiser.
"Wir reden hier über Menschen, die für Österreich gelitten haben, ihre Familien verloren, die vertrieben, gedemütigt, gefoltert wurden", meint Prettner, "diese Leute sollen jetzt um Hilfe in besonderen Lebenlagen bitten und sich womöglich zur Auszahlung wie beim Weihnachtshunderter für Bedürftige anstellen?"
Alljährlich wird dieser bekanntlich persönlich von Landeshauptmann Gerhard Dörfler und FPK-Regierungsmitgliedern bar ausbezahlt. Auch bei Müttergeld, Heizkostenzuschuss oder Jugendstartgeld zeigt sich die FPK großzügig. Allein für Letzteres werden sechs Millionen Euro aus dem Zukunftsfonds aufgewendet, der aus dem Erlös des Verkaufs der Hypo Alpe Adria Bank gespeist wird.
Heftige Kritik an Raggers Vorgangsweise gegenüber NS-Opfern kommt auch von Kärntner Opferverbänden. Als "beschämend und traurig" empfindet das der Vorsitzende des Memorial Kärnten/Koroska, Horst Ogris. Für Regina Taupe, Obfrau des KZ-Verbandes, stellt Raggers Vorgangsweise "einen offenen Affront gegenüber den NS-Opfern" dar.
Taupe weist auch auf eine brisante Novelle zum Bundessozialhilfegesetz hin, das auch für die NS-Opferrenten zuständig ist. Demnach werden die Opferfürsorgekommissionen in den Bundesländern abgeschafft. Damit verlieren die Opferverbände ihren politischen Einfluss und ihre Einspruchsmöglichkeit. Zudem sollen künftig NS-Opfer, Kriegsopfer und Behinderte von derselben Stelle im Bundessozialamt abgewickelt werden. Taupe: "Täter und Opfer werden dann gleich behandelt."Die Novelle soll im April 2012 in Kraft treten. Politischen Aufschrei gab es bisher keinen. (DER STANDARD; Printausgabe, 21.12.2011)
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