Lisa Rettl: Unerträgliches österreichisches Krankheitsbild
Lisa Rettl, die sich als Historikerin mit den "Partisanendenkmälern" in Kärnten auseinandergesetzt hat, nimmt in der "Presse" (Printausgabe, 8.7.2011) zur Parlamentsdebatte über "NS-Ehrenbürgerschaften" Stellung und fordert den "respektvolle Dank Österreichs an die einstigen Partisanen, ein konsensuales 'hvala partisanke' für den im Widerstand gegen das NS-Terrorregime geleisteten hohen Blutzoll", ein. Sie weist u.a. darauf hin, dass heute niemand die außergerichtlichen Liquidationen Jugoslawiens nach 1945 an Kärntern "heroisiere" und konstatiert ein "unerträgliches österreichisches Karankheitsbild" an der Geschichte :
"Wie aktuelle Forschungen zum Thema zeigen, geht es dabei allerdings nicht um 'tausende Kärntner und Kärntnerinnen', sondern um rund 350Personen. Keine Frage: Jedes einzelne Opfer ist eines zu viel. Die außerrechtsstaatliche Vorgangsweise Jugoslawiens ist zu verurteilen. Wer bitte sollte dies gar heroisieren wollen? Den Opfern und ihren Nachkommen gebührt Mitgefühl und seriöse wissenschaftliche Aufarbeitung.
Bloß: Wozu diese Opfer nicht taugen, ist das stets ausbrechende revanchistische Triumphgeheul mit dem Ziel, die Widerstandsleistungen der jugoslawischen und kärntner-slowenischen PartisanInnen zu diffamieren. Unabhängig von nationaler Herkunft und individuellen Motiven hat ihr Widerstand aufseiten der Alliierten zu einer beträchtlichen Destabilisierung des regionalen NS-Systems beigetragen. Respektvoller Dank, ein konsensuales 'hvala partisanke' für den im Widerstand geleisteten hohen Blutzoll, wäre durchaus angebracht.
Stiller, tiefer Schmerz
In Kärnten gibt am Peršmanhof nahe Bad Eisenkappel seit 1982 ein kleines Widerstandsmuseum. Die Ausstellung ist mittlerweile in die Jahre gekommen. In Kürze findet mit Zustimmung des Kärntner Partisanenverbandes eine den aktuellen Forschungsergebnissen entsprechende Neugestaltung der Ausstellung statt. Wie schon vor 30 Jahren hat das Land Kärnten eine Förderung des Projekts abgelehnt. So weit, so nichts Neues.
Um Heroisierung geht es bei der Neugestaltung nicht einmal den wenigen noch lebenden PartisanInnen. Von dieser Seite freut man sich schon über kleine Gesten: 'Die Anerkennung einer Geschichte', wie es der mittlerweile verstorbene Partisan Lipej Kolenik einmal formuliert hat, 'mit der wir verurteilt sind zu leben'.
Es ist ein stiller, tiefer Schmerz, der die Widerstandskämpfer und Opfer des NS-Regimes bis heute umtreibt. Aus diesem Schmerz ließen sich durchaus demokratische Lehren ziehen. Allerdings: Das unerträgliche österreichische Krankheitsbild speist sich seit Kriegsende aus dem anderen, dem lauten, dumpfen Schmerzgeheul der Niederlage, in dem alle – auch Täter und Kriegsverbrecher – zu Opfern mutieren durften.
Österreich, das Opferland. Genau hier treffen sich Österreichs Konservative und der rechte Rand. Gemischter Satz amalgamiert zu brauner Suppe. Rezept? Frei nach Handke: Lesen Sie gefälligst!" - link
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