„Stolpersteine“ nun auch in Pitten

Am 7. August 2018 wurden in Wiener Neustadt und in Pitten „Stolpersteine“ vom Künstler Gunter Demnig persönlich verlegt (http://www.stolpersteine.eu/).

„Forschung macht Erinnerung erst möglich!“

Dass in der Steinfeldstadt und der Region überhaupt solche Gedenksteine verlegt werden können, liegt daran, dass hier die notwendige Grundlagenforschung durchgeführt wurde und die daraus hervorgebrachten Erkenntnisse für die Stolperstein-Projekte zur Verfügung gestellt wurden. In Wiener Neustadt stammt dieses Wissen über die Opfer der Shoah vom Historiker Dr. Werner Sulzgruber, über politische Opfer vom inzwischen verstorbenen Prof. Karl Flanner, und über die Euthanasieopfer von Dr. Anton Blaha. In Pitten ist dies Frau Dr.in Ruth Contreras zu verdanken, wodurch nun auch dort diese Verlegung realisierbar war.

 

Dr. Sulzgruber: „Forschung macht Erinnerung erst möglich! Es darf nicht vergessen werden, dass oft sehr zeitintensive Forschungstätigkeiten die Basis für Formen der Vermittlung und des Gedenkens darstellen. Wie für Wiener Neustadt gelingt es nun für die Region den nächsten Schritt zu gehen, aktuell in Pitten mit dem Projekt der Stolpersteine.“

 

Über zwei Jahre, von 2016 bis2018, lief das Forschungsprojekt „Die jüdische Bevölkerung in der Region Buckligen Welt – Wechselland“, geleitet von den Historikern Dr. Hans Hagenhofer (Organisation), Dr. Gert Dressel (Oral History) und Dr. Werner Sulzgruber (jüdische Geschichte), in dessen Rahmen man sich eingehend mit der jüdischen Vergangenheit und Biografien von Jüdinnen und Juden auseinandergesetzt hat und weiterhin setzt (https://noe.orf.at/news/stories/2921197/; https://www.youtube.com/watch?v=p-17waCggo4).

Die Ergebnisse dieser Forschung fließen nicht nur in das neue „Museum für Zeitgeschichte“ in Bad Erlach ein und werden in einer Publikation – die im Frühjahr 2019 erscheinen wird – zusammengefasst, sondern werden schon jetzt im Gedenkjahr 2018 sichtbar, nämlich in Form von neuen Gedenksteinen, den „Stolpersteinen“ in Pitten.

 

„Stolpersteine“ in der Region der Buckligen Welt

 

In der Region des südlichen Niederösterreich wurden erstmals in Mödling (2006), in Wiener Neustadt (2010) und in Neunkirchen (2011) „Stolpersteine“ gesetzt. In Österreich ist in der Stadt Wiener Neustadt nach Salzburg (http://www.stolpersteine-salzburg.at/de/das_projekt) inzwischen die höchste Anzahl von „Stolpersteinen“ verlegt worden. Hervorzuheben ist aber, dass es in Gemeinden der ländlichen Region bislang nur äußerst selten zur Verlegung solcher Gedenksteine gekommen ist, da es kaum Forschungsergebnisse zu den sogenannten Landjuden gibt. Das Projekt über die Bucklige Welt und das Wechselland, übrigens das größte seiner Art in Österreich, schließt nun eine Lücke.

Nachdem in Bad Erlach 2015 vorerst zwei „Stolpersteine“ gesetzt wurden, konnte dies nun auch in Pitten erfolgen, weil die nötigen Forschungen dazu abgeschlossen sind. Gedacht wurde in dieser sensiblen Art und Weise den folgenden vier Opfern:

·         Rosa Rebecca Abeles (geb. 1866): 1942 in Treblinka ermordet

·         Johann Jaul (geb. 1875): nach Riga deportiert – Opfer der Shoah

·         Josefine Jaul (geb. 1878): nach Riga deportiert – Opfer der Shoah

·         Barbara Trimmel (geb. 1870): 1944 in Gugging ermordet

 

Im Forschungsprojekt „Die jüdische Bevölkerung in der Region Buckligen Welt – Wechselland“ war Frau Dr.in Ruth Contreras für die Erforschung der jüdischen Geschichte des Ortes Pitten und der Schicksale der einst dort lebenden Jüdinnen und Juden verantwortlich. Als Mitarbeiterin recherchierte Contreras in mühsamer Archivarbeit mit großer Akribie und kam so zu hochinteressanten Einblicken. Nicht nur weil sie selbst Jüdin ist, sondern weil ihr und der Forschungsgruppe Erinnerungsarbeit am Herzen liegt, wie Dr. Sulzgruber betonte, initiierte Frau Dr.in Contreras das „Stolperstein“-Projekt in Pitten.

Der Bürgermeister von Pitten, Helmut Berger, stand der Idee sofort positiv gegenüber und unterstützte dankenswerterweise das Vorhaben von Anfang an, sodass es am 7. August nicht zur Verlegung der vier „Stolpersteine“, sondern sogar zur Anbringung einer Informationstafel kommen konnte.

 

Dr. Sulzgruber: „Ich freue mich darüber, dass nun auch in der Region um Wiener Neustadt Erinnerungsarbeit mittels der Stolpersteine möglich ist. Das Stolperstein-Projekt ist eine sanfte Form des Erinnerns, wie ich immer hervorhebe. In Wiener Neustadt konnte das Projekt überhaupt erst entstehen, weil die entsprechenden Forschungsarbeiten geleistet wurden. Das ist nun auch in Pitten der Fall. Sowohl die wissenschaftlichen Erkenntnisse zur jüdischen Geschichte Pittens gehen auf Frau Doktorin Contreras zurück als auch die Initiative, Stolpersteine in Pitten einzubetten.“

Laut Sulzgruber ist selbstverständlich daran gedacht, das mit Erlach und Pitten begonnene „Stolperstein“-Projekt für die gesamte Region der Buckligen Welt und des Wechselland weiterzuführen und auszuweiten.

 

Vorerst letzte „Stolperstein“-Verlegung in Wiener Neustadt

 

Am 7. August wurden vorläufig zum letzten Mal in Wiener Neustadt „Stolpersteine“ verlegt. Der Beginn der Verlegungs- und auch Austauscharbeiten wurde in der Gröhrmühlgasse 31 gemacht, wo auch Herr Vizebürgermeister Dr. Christian Stocker anwesend war und einleitende Worte sprach. Jener hob die Wichtigkeit der Erinnerungsarbeit für Wiener Neustadt hervor und bedankte sich bei allen in der Gedenkarbeit Engagierten. Dr. Anton Blaha erläuterte vor den versammelten Gästen das Schicksal der Familie Buxbaum, und Historiker Dr. Werner Sulzgruber, der unter anderem auch dafür die wissenschaftliche Grundlagenarbeit geleistet hatte, wies auf die wertvolle Projektarbeit mit Schülerinnen und Schülern, die pädagogische Wirkung und die Notwendigkeit des Erinnerns hin.

 

Schon 2011 war von Dr. Sulzgruber ein Schulprojekt zum Thema der „Stolpersteine“ und eine Sammelaktion zur Finanzierung von „Stolpersteinen“ in Wiener Neustadt initiiert worden. Die Ergebnisse wurden dann in einer kleinen ergänzenden Ausstellung im Stadtmuseum Wiener Neustadt – wo damals die erfolgreiche Ausstellung „Schicksalswege“ lief – präsentiert (http://www.brgg.at/index.php/archiv/schuljahr-2010-11/241-die-stolpersteine-des-brg-groehrmuehlgasse; http://www.erinnern.at/bundeslaender/niederoesterreich/termine/ausstellung-201estolpersteinen-des-brg-groehrmuehlgasse201c-im-stadtmuseum-wiener-neustadt).

 

Jetzt konnte ein weiterer Stein ergänzt werden, weil aufgrund neuer Forschungsergebnisse dokumentiert ist, dass auch der Sohn der Familie Buxbaum, Friedrich (geb. 1932), ein Opfer der Shoah ist und 1942 in Chelmno ermordet wurde.

Der Künstler Gunter Demnig, der schon einige Male in Wiener Neustadt zu Besuch war und nun mit seiner Ehefrau eintraf, hat in der Steinfeldstadt eine große Anzahl von Gedenksteinen an den letzten Wohnadressen der Opfer des Nationalsozialismus in den Boden eingesetzt. Er zeigte sich erfreut, dass seine Idee der „Stolpersteine“ in Wiener Neustadt in dieser besonderen Größenordnung aufgenommen worden ist und über 100 Steine nun an persönliche Schicksale der Zeit 1938 bis 1945 erinnern.

 

Fotos:

1.       Aufnahme der verlegten vier „Stolpersteine“ in Pitten (Foto: Heinz Radinger)

2.       a-d Einzelaufnahmen der vier „Stolpersteine“ in Pitten (Fotos: Wikimedia Commons/User: Steindy„)

3.       Großaufnahme des Künstlers (Foto: Wikimedia Commons/User: Steindy“)

4.       Künstler Gunter Demnig bei der Verlegung der „Stolpersteine“ in Pitten (Foto: Hedvig Pongracz)

5.       Künstler nach abgeschlossener Verlegung (Foto: Wikimedia Commons/User: Steindy„)

6.       Großaufnahme der Initiatorin in Pitten, Dr.in Ruth Contreras (Foto: Wikimedia Commons/User: Steindy“)

7.       Bgm. v. Pitten Helmut Berger, Künstler Gunter Deming, Initiatorin Dr.in Ruth Contreras und wissenschaftlicher Forschungsleiter Dr. Werner Sulzgruber (v.l.n.r.) (Foto: Wikimedia Commons/User: Steindy„)