Präsentation der letzten erhaltenen Thora-Krone von Wiener Neustadt

Am 16. Februar 2017 wurde im Stadtmuseum Wiener Neustadt die im Frühjahr 2016 im Depot des hiesigen Museums gefundene Thora-Krone der Öffentlichkeit präsentiert.
 
Die Krone hatte sich in einer lange verschlossenen Truhe befunden, die erst im vergangenen Jahr geöffnet werden konnte. Die unbeschädigte Krone wurde untersucht, gereinigt und nun in der kleinen jüdischen Sammlung des Stadtmuseums zentral platziert.
Der Präsentationsabend war sehr gut besucht, kein Sitzplatz im Stadtmuseum noch frei. Es konnten viele Vertreter der lokalen Politik, allen voran Bürgermeister Mag. Klaus Schneeberger, und Oberrabbiner Arie Folger – in Vertretung der IKG Wien für Generalsekretär Mag. Fastenbauer – als Ehrengast begrüßt werden.
Tragender Kern der Veranstaltung war eine Präsentation des Historikers und Autors Mag. Dr. Werner Sulzgruber, der an diesem Abend die historischen Zusammenhänge zur Wiener Neustädter Thora-Krone näher darstellte, indem von ihm beispielsweise die Geschichte um den Fund 2016, die Thora und die Bedeutung einer Thora-Krone im jüdischen Glauben, die wissenschaftlichen Befunde über dieses Objekt sowie die Inschrift auf der Krone beleuchtet wurden.
Sulzgruber führte das Publikum zurück in die Stadtgeschichte von Wiener Neustadt und zeichnete jeweils ein Bild von jenen Bereichen, die mit der Kronen-Inschrift in Verbindung stehen, wie die Familie des in der Inschrift genannten Stifters, Jesaja Jaul, und ihr Schicksal, aber auch Informationen über den in der Inschrift genannten Verein („Verein zum Troste Trauender“), dessen Obmann Jesaja Jaul einst war.
Sulzgruber rekonstruierte den Weg der Thora-Krone – auf Basis von Quellen aus seiner Forschungssammlung über die jüdische Gemeinde von Wiener Neustadt und anhand neuer Quellen: von ihrer Stiftung im Jahr 1932, der Beraubung der jüdischen Gemeinde 1938 bis in die Nachkriegszeit, wo sich die Spur der kostbaren Krone verliert – bis sie 2016 wieder „auftauchte“.
Es war dem Historiker außerdem wichtig, dass die bislang in der medialen Berichterstattung vorhandenen Fehler richtig gestellt wurden. Denn es war zum Beispiel fälschlich davon die Rede gewesen, dass die Krone eine „Reliquie“ wäre. Sulzgruber stellte außerdem klar, dass es sich nicht um eine „alte Kiste“ aus dem 17. Jahrhundert handelt, worin die Krone versteckt gewesen war, sondern vielmehr um eine wertvolle Eisentruhe der besonderen Art, nämlich eine Kriegs-, Sold- bzw. Regimentskasse oder eine Stadtkasse.
Um über die Präsentation an diesem Abend hinaus sicherzustellen, dass man sich über die Thora-Krone auch in der Folge informieren kann, wurde für die Zeitschrift „Unser Neustadt“ des Wiener Neustädter Denkmalschutzvereins ein umfassender Beitrag verfasst („Die Geheimnisse hinter der gefundenen Thora-Krone von Wiener Neustadt. Fakten aus der Forschung“ Ausgabe 1/2017). Auf dieser Grundlage können alle an dem Thema Interessierten vieles zu diesem außergewöhnlichen Objekt nachlesen.
Sulzgruber stieß in seinen Nachforschungen aber auch auf Widersprüche bzw. offene Fragen. Am Präsentationsabend kamen drei Fragen zur Sprache:
1. Warum war die aus 800er Silber bestehende, teils vergoldete Krone nicht, wie für Silber typisch, schwarz angelaufen?
2. Warum wussten die Museumsleiter/innen der Zeit ab 1945 nichts von der wertvollen Krone?
3. Wo ist der Rest der sogenannten „jüdischen Tempelgeräte“?
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Wie man weiß, entsteht bei Gegenständen aus Silber mit der Zeit ein schwarzer Überzug aus Silbersulfid. Die vermeintlich über Jahrzehnte gelagerte Thora-Krone müsste dies deutlich aufweisen, was allerdings nicht der Fall ist.
Museumsleiterin Mag.a Eveline Klein und Alexander Carniel, der die Truhe geöffnet und somit die Krone als Erster zu Gesicht bekommen hatte, bestätigten beide, dass das Kunstwerk kaum verfärbt war und nicht den typisch schwarzen Überzug aufwies. Aber nach Jahrzehnten in der Eisentruhe muss die Schwärzung nach Aussage mehrerer Experten jedoch gegeben gewesen sein. Dies nährt den Verdacht, dass die Thora-Krone erst weitaus später in die Eisentruhe gelegt worden ist, als es sich nach den Anhaltspunkten der noch vorhandenen Dokumente der 1930er und 1940er Jahre erschließt.
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Fritz Bodo, der bis 1945 mit Museumsangelegenheiten betraute Beamte, wusste von der Thora-Krone. Es ist verwunderlich, dass seine unmittelbaren Nachfolger über das besondere Objekt im Unklaren gelassen sein sollten – außer die Krone wäre zum Beispiel von jemandem bewusst in die Eisentruhe weggesperrt worden oder der Besitz sollte verschwiegen werden. Damit war es in den späteren 1940er und frühen 1950er Jahren auch zu keiner Rückstellung dieses wertvolles Guts gekommen.
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Nach Diebstählen 1945 in den Städtischen Sammlungen (Museum und Archiv) war noch ein Teil des Raubguts aus Gold und Silber vom Novemberpogrom 1938 (deklariert als „jüdische Tempelgeräte“) vorhanden gewesen. Aber auch dieser letzte Teil ist heute nicht mehr vorhanden.
Dr. Sulzgruber wies eindringlich darauf hin, dass es für die weitere Präsentation im Stadtmuseum unbedingt notwendig sei, entsprechende Kontextualisierungen herzustellen und mit Hilfe der Krone eine vollständige Geschichte der jüdischen Gemeinde von Wiener Neustadt zu vermitteln, worin beispielsweise die Geschichte der Jüdinnen und Juden der Stadt, des religiösen Lebens und der Synagoge, der lokalen Ereignisse während der Zeit des Nationalsozialismus, der Shoah etc. eingeschlossen sein muss.
Hervorzuheben ist, dass es sich bei der Thora-Krone von Wiener Neustadt um die letzte Thora-Krone der IKG Wiener Neustadt handelt, die uns erhalten ist und welche die Zerstörungen während der Zeit des Nationalsozialismus überstanden hat. Die Inschrift ist etwas Außergewöhnliches, weil nur wenige Kronen eine Inschrift aufweisen und schon gar nicht eine so umfangreiche Inschrift tragen.
Die IKG Wien (als Rechtsnachfolgerin der zerstörten IKG Wiener Neustadt) hat die Krone dankenswerterweise der Stadtgemeinde Wiener Neustadt als Leihgabe (für das Stadtmuseum) zur Verfügung gestellt, sodass sie Teil der Gedenk- und Gedächtnisarbeit in Wiener Neustadt wird.