Tod an der Schwelle zur Freiheit
Tod an der Schwelle zur Freiheit - Das Zuchthaus Stein an der Donau während der Zeit des Nationalsozialismus und die Ermordung von Häftlingen im April 1945 (Karl Reder)
Der Autor Karl Reder legt mit diesem Buch ein Werk vor, das erstmals auf etwa 500 Seiten umfassend nicht nur über das so genannte Massaker von Stein berichtet, sondern die Häftlingsgesellschaft und die Haftbedingungen in Stein zur Zeit des Nationalsozialismus im Detail charakterisiert und anschaulich zusammenfasst. Karl Reder ist damit ein Schlüsselwerk gelungen, das zahlreiche Facetten des NS- Justizsystems am Beispiel des Zuchthauses Stein offenlegt. Das Werk besticht durch vielfältige und genaue Recherche. Besonders hervorzuheben ist die sorgfältige Quellenarbeit, die sich darin manifestiert, dass Karl Reder sowohl qualitativ als vor allem auch quantitativ vorgegangen ist und für seine Ausführungen zahlreiches bisher unbekanntes Quellenmaterial verwendet hat. Von großem Interesse sind nicht zuletzt viele aussagekräftige Tabellen, die die Häftlingsgesellschaft aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchten und die der Autor mit schlüssigem Zahlenmaterial – als ein wichtiges Ergebnis seiner Recherche - hinterlegt.
Mit der Unterscheidung verschiedener Opfergruppen im Zusammenhang mit dem Massaker und den Insassen des damaligen Zuchthauses Stein, ist Karl Reder zudem eine sehr nuancierte Definition des Opferbegriffs gelungen, die Graubereiche aufzeigt und keineswegs in Schwarz – Weißmalerei verfällt. In schlüssiger und nachvollziehbarer Art und Weise erläutert der Autor, dass nicht „nur“ so genannte politische Häftlinge als Opfer gelten, sondern alle Inhaftierten, weil es sich im Falle des NS-Justizsystems um ein staatlich organisiertes Unrechtssystem handelte. Davon geht auch das Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstands (DÖW) aus: „Opfer war in Österreich gesetzlich nach der Befreiung nur, wer mit der Waffe in der Hand für ein unabhängiges, demokratisches und seiner geschichtlichen Aufgabe bewusstes Österreich‘ eingetreten war. Aus dieser Definition wurden zahllose NS-Opfer jahrzehntelang ausgeschlossen. [...] Wir müssen einen verengten Opferbegriff ebenso erweitern wie einen verengten Widerstandsbegriff. [...] Unsere Aufgabe ist es nicht, unbequeme Formen des Widerstands aus einem Widerstandsbegriff auszuschließen.“ (W. Kranebitter, anlässlich seiner Rede bei der Befreiungsfeier 2023 im ehemaligen Konzentrationslager Gusen, in: Reder K., 2024)
AUTOR: Karl Reder (Jahrgang 1974) hat nach seiner Schulzeit in Krems/Donau in Wien Handelswissenschaften, Ur- und Frühgeschichte und Skandinavistik studiert. Er ist in unmittelbarer Nachbarschaft der Strafanstalt Stein aufgewachsen und wohnt nun in Mautern an der Donau, direkt in Sichtweite eines der Schauplätze der Morde an Stein-Häftlingen. Er beschäftigt sich mit dem Themenkomplex „Stein“ seit mehreren Jahren und hat dazu verschiedene Beiträge veröffentlicht. Reder engagierte sich in den Jahren 2011 bis 2019 im Verein FORUM FAVI- ANIS für lokale Erinnerungsarbeit, unter anderem durch die Teilnahme am Projekt „Fluchtwege“ im Rahmen des Viertelfestivals NÖ im Jahr 2016.
Das Buch: Tod an der Schwelle zur Freiheit - Das Zuchthaus Stein an der Donau während der Zeit des Nationalsozialismus und die Ermordung von Häftlingen im April 1945 (Karl Reder), CLIO Verlag, Graz 2024