Republik Österreich wird weitere Überreste des ehemaligen Konzentrationslagers Gusen in Bundeseigentum bringen
Im KZ Gusen, dem Zweiglager des KZ Mauthausen in unmittelbarer Nähe zum Stammlager, waren von 1939 bis zur Befreiung 1945 insgesamt mindestens 71.000 Menschen aus 27 Nationen inhaftiert, mehr als die Hälfte wurde ermordet. Die bestehende KZ-Gedenkstätte Gusen ist heute Teil der KZ-Gedenkstätte Mauthausen. Sie geht auf eine Initiative der ehemaligen Häftlinge zurück, die in den Nachkriegsjahrzehnten für die Erhaltung der Reste des Krematoriums sorgten. Neben dieser Gedenkstätte befindet sich seit 2004 ein BesucherInnenzentrum mit einer Ausstellung zur Geschichte des Lagers.
Gusen wies eine hohe Todesrate auf, unter den Opfern waren besonders viele polnische Häftlinge. Bei einem gemeinsamen Besuch mit der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel im früheren Vernichtungslager Auschwitz kündigte der polnische Premier Mateusz Morawiecki Anfang Dezember 2019 an, dass Polen Überreste des ehemaligen KZ Gusen kaufen wolle. Barbara Glück, Leiterin des Mauthausen-Memorial, plädierte damals dafür, dass die Republik Österreich die Grundstücke kaufen und die Gedenkstätte aufgewertet werden sollte. (Nachlese: - Link)
Machbarkeitsstudie als Entscheidungsgrundlage
Nachdem die GrundeigentümerInnen zum Teil Verkaufsbereitschaft signalisiert hatten, gab das Innenministerium eine Machbarkeitsstudie als Entscheidungsgrundlage „zum weiteren Umgang mit dem Gedenken in Gusen“ in Auftrag. Die Studie enthält mehrere Szenarien für die weitere Gestaltung. Wie genau das Areal künftig aussehen wird, soll nach Abschluss der Ankaufsverhandlungen entschieden werden.
Um ein würdiges Gedenken an die Opfer sicherzustellen und „um der historischen Verantwortung auch konkrete Taten folgen zu lassen“, hat die österreichische Bundesregierung am 8. Mai 2020 verlautbart, in Kaufverhandlungen mit den GrundeigentümerInnen der verbliebenen historischen Gebäude und Grundstücke einzutreten. Auch soll die bestehende Gedenkstätte weiterentwickelt werden. Wann mit einem Abschluss der Verhandlungen zu rechnen ist, ist offen.
Entscheidender Schritt für die Gedenkkultur
Für die KZ-Gedenkstätte Mauthausen ist der Beschluss der österreichischen Bundesregierung, in Verhandlungen über den Ankauf von Grundstücken in Gusen einzutreten, ein entscheidender Schritt. „Diese Entscheidung ist ein Meilenstein für die Gedenkkultur in Österreich und die Aufarbeitung der Geschichte zwischen 1938 und 1945“, sagt Barbara Glück, Direktorin der KZ-Gedenkstätte Mauthausen. „Die KZ-Gedenkstätte Mauthausen wird sich dafür einsetzen, dass die weitere Gestaltung der neuen Grundstücke unter Einbeziehung regionaler, nationaler und internationaler Interessenvertreter erfolgt. Auch die Anliegen der regionalen Bevölkerung müssen bei einer Erweiterung der Gedenkstätte, die mitten im Ortsgebiet von Langenstein liegt, gehört werden“, so Glück.
Bestehende Angebote für Schulen und neue pädagogische Chancen
Für Schulen und Jugendliche bieten die KZ-Gedenkstätte Mauthausen sowie das MKÖ Rundgänge am Gelände des ehemaligen KZ Gusen an. Ein Audioweg des Künstlers Christoph Mayer führt BesucherInnen über das großteils mit Siedlungshäusern bebaute Gelände des ehemaligen Lagers bis zum Eingang der Stollenanlage „Bergkristall“ in St. Georgen an der Gusen.
„Angekauft werden soll z.B. das Gelände des ehemaligen Appellplatzes von Gusen, auf dem sich heute Betriebsstätten befinden. Die Gedenkstätte wird also erweitert. Zugleich bleibt natürlich der größte Teil des Areals eine Siedlung mit Einfamilienhäusern. So verstärkt sich die interessante Konstellation von explizitem Gedenken und verschütteter Erinnerung in unmittelbarer Nachbarschaft zueinander. Einerseits wird Gusen dadurch mehr ins kollektive Gedächtnis Österreichs rücken, andererseits steigt das Potenzial des Gedenkortes, in Bildungsangeboten die Phasen und Verwerfungen der Erinnerungskultur von 1945 bis heute zum Thema zu machen“, meint Christian Angerer von _erinnern.at_ Oberösterreich.
Meldung des Mauthausen Memorial: - Link
„Republik kauft das ehemalige Konzentrationslager Gusen“, Der Standard online, 8.5.2020 - Link
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