Verleihung des “Brigitte-Höfert-Preises” 2022

Am 8. März 2022 wurde der "Brigitte-Höfert-Preis" erstmals verliehen und zwar an das Bundes-Oberstufen-Realgymnasium Radstadt.
Hier möchten wir die Laudation von Michael Mooslechner wiedergeben.

Liebe Schülerinnen und Schüler, Sehr geehrter Herr Mag. Kroiss, sehr geehrte Frau Direktorin Mag. Stolz, werte Anwesende!


Ich habe die Ehre, heute anlässlich der Verleihung des “Brigitte-Höfert-Preises” an zwei Klassen dieser Schule und ihren Lehrer Mag. Michael Kroiß zu sprechen.


Dieser Preis wird vom Verein “Freunde des Deserteurdenkmals in Goldegg” gestiftet und ist nach deren Obfrau Brigitte Höfert benannt.
Deshalb scheint es mir unumgänglich, die Geschichte, die hinter diesem Preis steht, skizzenhaft nachzuzeichnen.


Brigitte Höfert wurde im April 1941 als Brigitte Hölzl in Goldegg geboren. Bereits als lediges Kleinkind wurde sie an eine Pflegefamilie in Bischofshofen gegeben. Im Oktober 1944, Brigitte war erst 3 ½ Jahre alt, ist ihr Vater Karl Rupitsch im Konzentrationslager Mauthausen hingerichtet worden.
Er hatte sich geweigert, dem Einberufungsbefehl zur Wehrmacht Folge zu leisten. Im Laufe des Kriegswinters 1943/44 schlossen sich weitere 5 Soldaten Rupitsch an, die auch nicht mehr für Hitler in diesem Vernichtungskrieg kämpfen wollten. Gemeinhin werden diese 6 Männer als die Goldegger Wehrmachtsdeserteure oder Partisanen bezeichnet.


Bei einer großangelegten Razzia von Gestapo und SS am 2. Juli 1944 sind an die 50 Menschen in Goldegg-Weng verhaftet worden, überwiegend Frauen, die Ihre Verwandten, Nachbarn und Freunde unterstützt haben. Diese Verfolgungsaktion am 2. Juli 1944 wird von der Goldegger Bevölkerung als „Sturm“ bezeichnet. Es waren an die 1.000 SS- und Gestapomänner beteiligt.


Viele Verhaftete kamen in Konzentrationslager und kehrten nach dem Krieg - falls sie überlebten - körperlich und seelisch gebrochen zurück. 14 Männer und Frauen fielen dieser Repression zum Opfer.


In Goldegg gab es bis zum Jahr 2014 kein Erinnerungszeichen an die Opfer dieser österreichweit beispiellosen Verfolgungshandlung in einer bäuerlichen Gemeinde. Es existierte kein Denkmal, keine Erinnerungstafel, ja nicht einmal Gräber der Toten, an denen man ihrer gedenken hätte können. Es war nämlich das erklärte Ziel der Nationalsozialisten alle Namen von Gegnern zu tilgen, die Ermordeten wurden verbrannt und anonym bestattet.


Nichts und Niemand sollte an sie erinnern.


Zum 70. Jahrestag des „Sturms auf Goldegg“ und des Todes ihres Vaters Karl Rupitsch und seiner Gefährten und Unterstützer, stiftete Brigitte Höfert einen Gedenkstein, der vom Pinzgauer Bildhauer Anton Thuswaldner gestaltet worden war.
Der Künstler Anton Thuswaldner wollte den Stein in einer Ecke des Hofes von Schloss Goldegg verlegen. Das Schloss ist bis heute das politisch-kulturelle Zentrum dieser Gemeinde. Leider wurde dieses Vorhaben sowohl von der Gemeinde, als auch vom Kulturverein, der dort seinen Sitz hat, verhindert.


Nach scharfen öffentlichen Konflikten, die österreichweit in den Medien ausgetragen wurden, bot die Salzburger Gebietskrankenkasse von sich aus an, dass der Gedenkstein auf dem Gelände des Erholungsheimes in Goldegg verlegt werden kann. Dies geschah dann am 8. August 2014. Es war der erste Gedenkstein für Wehrmachtsdeserteure in Österreich. Auf dem Gedenkstein sind alle Hingerichteten und in KZ zu Grunde gegangenen Opfer mit ihrem Namen und Todesdatum eingraviert. Seit 2014 können also die Angehörigen an diesem Stein ihrer Lieben gedenken. Es gibt kaum einen Tag, an dem man dort nicht frische Blumen findet.


Nach diesem Erfolg wurde ein Verein gegründet, dessen aktuelle Obfrau Brigitte Höfert ist. Die Geschäfte des Vereins führt Dr. Paul Chalupny. Dieser Verein hat den Preis gestiftet, der heute an das „Pierre de Coubertin Gymnasium“ in Radstadt verliehen wird. Genauer, an die heurigen Maturaklassen, die im Schuljahr 2000/2021 als 7A und 7B ein Projekt durchführten und noch betreiben, das eine ähnliche Zielsetzung verfolgt, wie jenes von Brigitte Höfert vor acht Jahren.


Die Ausschreibung des Preises im Wortlaut:
Für Schulprojekte zu „Widerstand und Zivilcourage im Kontext von "Nationalsozialismus und Gegenwart"


Die Ausschreibung richtet sich an Schulklassen von der 8 bis zur 13, Schulstufe im Bundesland Salzburg, die für das Schuljahr 2020/21 ein Projekt planen oder im Schuljahr 2019/20 ein Projekt abgeschlossen haben, in dem Widerstand und/oder Zivilcourage aus der Zeit des Nationalsozialismus mit Gegenwartsbezug thematisiert und bearbeitet wird.


Liebe Schülerinnen und Schüler, sehr geehrter Herr Mag. Kroiß


Die Jury des „Brigitte-Höfert-Preises“ hat in Ihrer Arbeit diese Kriterien mehr als erfüllt gesehen und Frau Höfert wird Ihnen im Anschluss diesen Preis, der mit 1.000 Euro dotiert ist, überreichen.

  • Sie haben sich, ausgehend vom Buch „Schwedenreiter“ der Autorin Hanna Sukare, eingehend mit der Zeit des Nationalsozialismus in unserer Region befasst. Auch mit dessen Umgang im Österreich der Nachkriegsjahre und bis jetzt.
  • Sie beschäftigen sich mit der Biografie des Lehrers und Geschichtenerzählers Herbert Mader.
  • Sie haben sich mit der von ihm und der Nachkriegsgesellschaft ausgeblendeten Geschichte Maders beschäftigt. Er war seit 1932 und ab Illegales Mitglied der in Österreich verbotenen NSDAP und SS. Im Krieg war seine Einheit der SS-Division „Das Reich“ unterstellt. In den Akten des Volksgerichtes im Oberösterreichischen Landesarchiv gibt es starke Hinweise, dass Herbert Mader als Mitglied einer Sondereinheit auch aktiv an Kriegsverbrechen beteiligt war.
  • Wegen der Aktualität: Die SS-Panzerdivision „Das Reich“ in der Herbert Mader diente, war im Oktober 1941 an den brutalen Kämpfen um Charkov in der Ukraine beteiligt. Diese zweitgrößte Stadt der Ukraine wird auch gegenwärtig Tag und Nacht bombardiert.
  • Sie haben ein Dossier über Herbert Mader für die Radstädter „Stadtnachrichten“ verfasst.
  • Sie haben eine Diskussion mit angestoßen, ob es einer demokratischen, gegen den Geist des Nationalsozialismus gegründeten Zweiten Republik angemessen ist, einer solchen Person einen öffentlichen Weg zu widmen.
  • Am Mittwoch den 24 März 2022 werden Sie diese Fragen mit der Radstädter Gemeindevertretung besprechen und dieser Ihre Vorschläge präsentieren.
  • Sie möchten den bislang dokumentierten 14 NS-Opfern von Radstadt im Rahmen einer Verlegung sogenannter Stolpersteine eine dauerhafte Erinnerung sichern.
  • Sie verknüpfen mit Ihrem Projekt Geschichte und Gegenwart.
  • Dies alles unternehmen Sie in Zusammenarbeit mit dem Kulturverein „Das Zentrum“

Liebe Schülerinnen, liebe Schüler, sehr geehrter Herr Mag. Kroiß, lieber Michael Habersatter vom Kulturverein!


Wir alle haben größten Respekt vor Ihrer Courage, diese geschichtspolitische Diskussion in Radstadt zu führen.
Von Mut will ich in diesen Tagen nicht sprechen. Knapp 600 km von Wien entfernt ist die Ukrainische Grenze. Dort versuchen unbewaffnete Bürger mit bloßen Händen die Panzer der eindringenden Russischen Armee aufzuhalten. In ganz Russland riskieren tausende Menschen in diesen Tagen ihre Freiheit und ihre Gesundheit, indem sie sich öffentlich gegen den Krieg stellen. Die Begriffe „Mut“ und „mutig“ sollten wir diesen Menschen vorbehalten. In demokratischen, rechtsstaatlichen Gesellschaften reicht es, nicht feige zu sein.

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

Eine solche Debatte, wie hier in Radstadt ist ein Marathonlauf, kein Sprint.
Man braucht dafür Leidenschaft, Geduld und Hartnäckigkeit. Lassen Sie sich also von Verzögerern und Ablenkungsmanövern nicht entmutigen.
Ihre Arbeit in diesem Projekt hat auch einen hohen pädagogischen Wert. Wissensvermittlung in der Klasse ist die Basis. Projektarbeit, vor allem jene, die auch außerhalb der Schule stattfindet hat einen hohen nachhaltigen Effekt. Das ist erwiesen.


Ihr Projekt erinnert mich stark an die Gedenkfeiern des Gymnasiums in St. Johann. Seit über 20 Jahren beschäftigen sich dort die 4. Klassen der Unterstufe mit der Geschichte des Kriegsgefangenenlagers STALAG XVIIIC. Die Schülerinnen und Schüler recherchieren während des Schuljahres im Unterricht und gestalten dann im Mai des jeweiligen Jahres eine öffentliche Gedenkfeier am sogenannte Russenfriedhof. Weit über 1.000 Schüler und Angehörige haben sich auf diese Weise in St. Johann mit der NS-Geschichte ihrer Gemeinde befasst.


Es wäre schön, wenn auch Ihr Engagement hier in Radstadt ein Langfristprojekt des Gymnasiums werden könnte.


Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

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