„Die Heimat dankt ihren Söhnen“
Die Diskussion um das „braune Erbe“ der Stadt brandet seit Jahren immer wieder auf und entzündet sich meist an konkreten Orten in der Stadt. In den letzten Jahren intensivierte sich – nicht zuletzt wegen der Diskussion um den Nazi-Bildhauer Josef Thorak – auch die Debatte um die Namen von Straßen und Plätzen in Salzburg. Nicht nur die nach Thorak benannte Straße in Aigen erinnert an einen Nationalsozialisten – sage und schreibe 46 Straßen und Plätze tragen die Namen (mehr oder weniger prominenter) NationalsozialistInnen. Auch die Erinnerung an die Salzburger Euthanasiemorde war gerade wegen der mutwilligen Zerstörung des Mahnmals im Kurgarten vor einiger Zeit wieder in aller Munde und die bereits erwähnte Bücherverbrennung am Residenzplatz wurde anlässlich des 80. Jahrestags des Ereignisses breit diskutiert.
Weiße Flecken in der Erinnerung
Bei all dieser medialen und öffentlichen Aufmerksamkeit, die dieser oft wohl auch unliebsamen Vergangenheit in den letzten Jahren zugekommen ist, bleiben trotzdem einige im öffentlichen Raum sehr präsente Orte aus der Diskussion weitgehend ausgeklammert. Man denke hier beispielsweise nur an das riesige Sgraffito des Nazi-Künstlers Karl Reisenbichler (nach dem übrigens ebenfalls eine Straße in Aigen benannt ist!) am Waagplatz oder der abgewandelte SS-Wahlspruch („Unsere Ehre hieß Treue“) beim Mozartsteg.
Im Zentrum des Interesses dieses Artikels steht allerdings ein anderer Erinnerungsort Salzburgs: das 1959 vom damaligen Landeshauptmann Josef Klaus enthüllte Kriegerdenkmal in Maxglan, das sich an der Siezenheimer Straße vor der Außenmauer des dortigen Stadtfriedhofs befindet. Auf dem ersten Blick unterscheidet sich dieses Denkmal nicht besonders von anderen derartigen Denkmälern: Listen Verstorbener (in diesem Falle sowohl Gefallener und Vermisster als auch ziviler Opfer aus beiden Weltkriegen) gruppieren sich um ein großes Kreuz. Auch die Darstellung der beiden Personen im Zentrum der Installation („Abschied des Soldaten“ von Josef Kiss) ist in dieser Form nicht außergewöhnlich und weckt Erinnerung an viele ähnliche Denkmäler in Stadt und Land. Was dieses Denkmal allerdings besonders macht, ist die im Sockel der Bronzeplastik eingemeißelte Inschrift: „Die Heimat dankt ihren Söhnen.“
Dank?
Nun stellt sich konsequenterweise die Frage, wem hier „gedankt“ wird? Den verstorbenen Frauen, die sich unter den 517 angeführten Namen finden, offensichtlich nicht. Den männlichen zivilen Opfern vermutlich auch eher nicht, denn warum sollte jemandem dafür gedankt werden, dass er von einer Bombe getötet wurde? Der Dank gilt also folglich den gefallenen und vermissten Soldaten, die ohnehin die Mehrzahl der angeführten Namen stellen. Lassen wir für diese Analyse Soldaten des Ersten Weltkriegs einmal weg, auch wenn hier ein genauerer Blick ebenfalls sicherlich lohnen würde. Interessanter ist in diesem Fall aber sicher der auf diesem Denkmal ausgesprochene „Dank“ der „Heimat“ an die Soldaten des Zweiten Weltkriegs.
Wir erinnern uns: deutsche und österreichische Männer zogen mit Hilfe Verbündeter zwischen 1939 und 1945 eine Schneise der Verwüstung und Zerstörung durch große Teile Europas und anliegender Regionen. Sie bildeten das Rückgrat des nationalsozialistischen Angriffskrieges, der „Lebensraum“ für die „arische Volksgemeinschaft“ schaffen sollte und gleichzeitig nicht nur die Lebensgrundlage Millionen anderer Menschen zerstörte, sondern vor allem im Osten auch in einer aktiven Vernichtungspolitik gegen die dortige Bevölkerung – laut NS-Diktion „Untermenschen“ – ausartete. Nicht erst seit der Wehrmachtsausstellung in den 1990ern ist bekannt, dass es keinesfalls nur die SS-Verbände waren, die sich in diesen Jahren abscheulichster Verbrechen schuldig machten. Auch Wehrmachts- und Polizeiverbände beteiligten sich an Massakern, Meuchelmorden und anderen Grausamkeiten. Wehrmachtssoldaten übten Gewalt gegen Kriegsgefangene, PartisanInnen, Juden und Jüdinnen und generell die gesamte Zivilbevölkerung aus. So waren Wehrmachtssoldaten beispielsweise an den Mordaktionen in der Schlucht Babyn Jar (in der Nähe der ukrainischen Hauptstadt Kiew) im Jahr 1941 beteiligt, wo am 29. und 30. September 1941 innerhalb von nur 36 Stunden 33.771 (!) Juden und Jüdinnen erschossen wurden. Das heißt hier wurde (hochgerechnet) 36 Stunden lang alle vier Sekunden ein Mensch ermordet!
Kollektive Entlastung
Das heißt selbstverständlich nicht, dass alle diejenigen Soldaten des Zweiten Weltkriegs, deren Namen am Kriegerdenkmal in Maxglan angeführt werden, selbst an Kriegsverbrechen und Unmenschlichkeiten beteiligt waren. Fakt ist allerdings, dass sie aktiver Teil des Eroberungs- und Vernichtungskrieges der Nationalsozialisten waren. Sie haben wie Millionen andere zur Festigung und Verbreitung der nationalsozialistischen Schreckensherrschaft beigetragen. Ein Kriegerdenkmal, das pauschal all diesen Männern dankt und damit sinnbildlich für die jahrzehntelange österreichische Verklärung der „sauberen Wehrmacht“ steht, dankt ihnen kollektiv dafür, die menschenverachtende Ideologie des Nationalsozialismus mit der Waffe in der Hand in mörderischen Feldzügen verbreitet zu haben. Und dafür gebührt ihnen wahrlich kein Dank. Danken sollte man lieber den wenigen SalzburgerInnen, die – wie beispielsweise die ebenfalls in Maxglan aufgewachsene Rosa Hoffmann – bereit waren, ihr Leben für die Freiheit und gegen die nationalsozialistische Terrorherrschaft zu geben!