Warum? Der Nationalsozialismus in der Steiermark
Zur Ausstellung:
Museum für Geschichte
Sackstraße 16
8010 Graz, Österreich
T +43-316/8017-9800
geschichte@museum-joanneum.at
Öffnungszeiten:
Di-So, Feiertag 10 - 18 Uhr
Warum? Der Nationalsozialismus in der Steiermark
Die nationalsozialistische Herrschaft hatte auf Basis ihrer völkisch-rassistischen Ideologie den vollständigen Umbau der liberalen bürgerlichen Gesellschaft zur NS-Volksgemeinschaft zum Ziel. Zentrale Begriffe dieser waren Gemeinschaft, Führerglaube, Leistung, Überlegenheit, Gehorsam und Unterordnung. Den Mitgliedern der „Volksgemeinschaft“, die alle Lebensbereiche der Menschen durchdringen sollte, wurde eine bessere und sozial abgesicherte Zukunft sowie nationale Größe versprochen.
Der Weg zur „Volksgemeinschaft“ war ein Prozess der vielfältigen Ein- und Ausschlüsse. So sollten alle, die als „die Anderen“ aus rassistischen und/oder ideologischen Gründen nicht Teil der Volksgemeinschaft als Leistungs-, Rassen- und Weltanschauungsgemeinschaft sein konnten (Juden und Jüdinnen, Roma und Romnija, Menschen mit Beeinträchtigungen, politische Gegner, …) aus dieser ausgeschlossen, verfolgt und vernichtet werden. Alle anderen sollten durch verlockende Versprechungen auf soziale, politische und kulturelle Gleichheit sowie durch vielfältige Angebote unter der Prämisse der bedingungslosen Unterordnung unter die Ziele der Volksgemeinschaft in diese integriert werden.
Die Ausstellung „Warum? Der Nationalsozialismus in der Steiermark“ befasst sich mit der Schaffung der NS-Volksgemeinschaft in der Steiermark. Dabei stehen die Prozesse des Ein- und Ausschlusses sowie die Durchdringung aller Lebensbereiche der Menschen im Zentrum.
Die „NS-Volksgemeinschaft“ wird in der Ausstellung einerseits als ein nationalsozialistisches, propagandistisch vermarktetes Zukunftsversprechen, das niemals vollständig eingelöst wurde, verstanden. Anderseits wird sie auf Grund ihre Wirkmächtigkeit auch über das Ende der NS-Herrschaft und NS-Gesellschaft hinaus auch als analytisches Konzept begriffen, das dabei hilft, Fragen nach der Funktionsweise und der Durchsetzungsmacht des Nationalsozialismus besser zu verstehen. Dem liegen Überlegungen über die Funktionsweise nationalsozialistischer Herrschaft zu Grunde, wonach Herrschaft stets ein Zusammenspiel von Herrschaft von oben (durch Gesetze und Terror) und Zustimmung von unten, durch die aktive Partizipation von Menschen am Regime, ist. NS-Herrschaft wird damit stets als eine soziale Praxis der Herrschenden und Beherrschten verstanden.
Neben den übergeordneten Strukturen und historischen Entwicklungen werden in der Ausstellung die Handlungsspielräume einzelner Menschen in den Blick genommen. Sie werden als Akteur:innen gesehen, die von den Strukturen geprägt werden, und diese durch ihr Handeln, durch doings und sayings, selbst mitprägen. Herrschaft und Gesellschaft im Nationalsozialismus werden so nicht einander gegenübergestellt, sondern in ihrer Verschränkung präsentiert.
Auch für die Praxis der Vermittlung im Museum stellt das Analysekonzept der „NS-Volksgemeinschaft“ einen Zugang mit hohem geschichtsdidaktischem Potenzial dar, gerade weil dieses die unterschiedlichen Akteur:innen und ihre gesellschaftliche Praxis, das „Mitmachen der Vielen“ (A. Lüdtke), in ihrer Gleichzeitigkeit analysierbar werden lässt. So lassen sich mit dem Analysekonzept die konstitutiven sozialen und kulturellen Wechselbeziehungen zwischen Inklusions- und Exklusionsmechanismen thematisieren und gleichzeitig die unterschiedlichen Perspektiven der zeitgenössischen Akteur:innen und die der gegenwärtigen Rezipient:innen (-> Erinnerung) integriert zusammen betrachten.
Die Ausstellung gliedert sich entlang von einzelnen symbolischen und anthropologischen Begriffen, die sich mit dem ideologischen/theoretischen Überbau nationalsozialistischer Herrschaft ebenso befassen wie mit einzelnen Aspekten menschlicher Lebenswelten sowie spezifischen Themen der NS-Herrschaft und -Gesellschaft.
Den Gestalter:innen der Ausstellung ist wichtig, dass die Besucher:innen klar erkennen, dass Geschichte immer von und für jemanden „geschrieben“, gemacht wird. Das bedeutet zum einen, dass die konzeptionellen Überlegungen der Gestalter:innen transparent vorgestellt und als plausible Möglichkeiten thematisiert werden. Zum anderen wird die Ausstellung entsprechend den Zielgruppen (Schüler:innen, Jugendliche und junge Erwachsene) als Lehr-Lernumgebung verstanden, in dem sie Angebots-, Aneignungs- und Kommunikationsraum zugleich ist. Die Ausstellung muss Konzentration, in erster Linie in Bezug auf die Auswahl geeigneter Objekte und der präsentierten Geschichte, zulassen, damit eben auch, insbesondere vor dem Hintergrund ihrer primären Zielgruppe (Lehrer:innen und Schüler:innen), Orientierungen als plausible Möglichkeiten präsentieren.
Eine Kooperation des Museums für Geschichte mit dem Centrum für Jüdische Studien der Karl-Franzens-Universität Graz, dem Arbeitsbereich Geschichtsdidaktik am Institut für Geschichte der Karl-Franzens-Universität Graz sowie dem Geschichts- und Bildungsverein CLIO