Debatte Verherrlichung der SS? Die Auseinandersetzung um die Gedenkstätte im Putzenwald, Imst

Eine Gedenkstätte im Imster Putzenwald wurde im August 2021 geschliffen. Der Vorwurf: Sie verherrlichte die SS. Horst Schreiber hat nun die Geschehnisse 1945, die Geschichte des Denkmals und die aktuelle Auseinandersetzung dokumentiert.

Horst Schreiber: Die Gedenkstätte im Imster Putzenwald – historischer Hintergrund, Geschichte des Denkmals, aktueller Diskurs

Am 19. Mai 1945 erschossen US-Soldaten Hans Rieser aus Ungarn, Harida Joung (Arie de Jong) aus Holland sowie Rudolf (Rolf Hans Erwin) Rasenhorn aus Norddeutschland. Sie waren Mitglieder der Waffen-SS, zwei von ihnen der SS-Totenkopfverbände, hingerichtet im Putzenwald in Imst, ohne ordentlichen Prozess.

1975 errichteten Mitglieder des Imster Kameradschaftsbundes eine Gedenkstätte, welche die Exekutierten als Soldaten auswies, ihre SS-Mitgliedschaft wurde verschwiegen.

2020 recherchierten zwei ImsterInnen im Bundesarchiv Berlin die SS-Mitgliedschaft der drei Männer. Eine intensive Berichterstattung in den Medien setzte ein.

Der Bürgermeister von Imst beauftragte Sabine Schuchter, Leiterin des Museums am Ballhaus, einen Aufarbeitungsprozess für den weiteren Umgang mit dem Denkmal zu starten.

Markus Wilhelm forderte den Bürgermeister in seinem Blog dietiwag.org auf, die „unerträgliche Provokation“ sofort zu entsorgen. Sodann schaltete sich das Mauthausen Komitee Österreich ein mit dem Verlangen, das Denkmal umgehend zu schleifen. Es bezeichnete die Gedenkstätte als eine „braune Kultstätte“, welche die SS, eine verbrecherische Organisation, verherrlichen und die Opfer des Nationalsozialismus verhöhnen würde.

Daraufhin ordnete der Bürgermeister an, die Gedenkstätte zur Gänze abzureißen.

Charakteristisch für die Diskussion um die Gedenkstätte im Putzenwald war die Ansicht, dass moralische Empörung ausreiche, um eine Entscheidung über den Umgang mit dem Denkmal herbeizuführen. Das einzig richtige Handeln wäre der Abriss des Denkmals, jedes Zögern, Nachdenken und Diskutieren wäre nicht nur überflüssig, sondern eine Schande, ein Kniefall vor der SS und eine Verunglimpfung der NS-Opfer.

Wissenschaftliche Recherche ist unerlässlich, um Entscheidungen faktenbasiert treffen zu können. Horst Schreiber, _erinnern.at_, hat daher mit Unterstützung von Sabine Schuchter die Geschehnisse im Mai 1945, die Geschichte des Denkmals und den Verlauf der aktuellen Diskussion dokumentiert.

Es bleiben Fragen offen, doch liegen jetzt wesentliche Fakten am Tisch, damit sich eine breite Öffentlichkeit ein eigenes Urteil über einen komplexen Sachverhalt bilden kann. Nun ist zwar jede Spur beseitigt, woran und wie jahrzehntelang im Putzenwald erinnert wurde. Doch die Diskussion, wie nach der Beseitigung des Gedenkzeichens mit dieser nach dem Abriss der Gedenkstätte erinnerungskulturellen Leerstelle umgegangen werden soll, wird in Imst weitergehen.

Imst hadert mit Gedenkkultur, TT, 1.7.2021

 

Mehr als nur „einfache Soldaten“, Rundschau, 6.7.2021

 

Aufregung um Ehrenmal für SS-Soldaten in Tiroler Gemeindewald, Der Standard, 9.7.2021

 

„Ein stilles Gebet“ für Männer der SS, Rundschau, 13.7.2021

 

Zweifelhafte Gedenkstätte in Imst, tirol.ORF.at, 15.7.2021

Information der Stadtgemeinde Imst

Umstrittenes Ehrenmal für SS-Soldaten in Imst wird entfernt, Der Standard, 13.8.2021

Imst: SS-Gedenkstätte wird entfernt, 13.8.2021

Ex-FPÖ-Funktionär prangert „Denkmalzerstörung“ an, Kronen-Zeitung Tirol, 21.8.2021