Buch Mörderische Heimat. Verdrängte Lebensgeschichten jüdischer Familien in Bozen und Meran
„Schon früh am Morgen hatte das Straßenbild etwas Ungewöhnliches. Die Stadteinwohner, unsere früher stets ehrerbietigen und diensteifrigen Lieferanten, waren plötzlich bewaffnet und trugen Erkennungsschleifen. Mit finsterer, martialischer Miene betraten sie die Häuser der Juden und jener, die damals als Halbjuden galten, verhafteten die Leute und trugen weg, soviel sie konnten, inklusive Möbel. So brachten sie auch Doktor Balog weg.“
Friedrich Singer über die Vorgänge in der zweiten Septemberwoche 1943 in Meran in einem Dokument aus dem Jahr 1960
Südtirols Opfer der Schoah wurden von Faschisten observiert und ausgewiesen, von großteils einheimischen Nationalsozialisten verfolgt und deportiert. Nach 1945 weigerte man sich, Überlebende für ihre materiellen Verluste zu entschädigen. Die Erinnerung an die Opfer wurde verdrängt.
„Mörderische Heimat“ dokumentiert die vielseitigen Äußerungsformen des in Südtirol tief verwurzelten Antisemitismus. Südtirols NS-Opfer hatten ihre Heimat geliebt und wichtige Beiträge in der Medizin, Wirtschaft und im Tourismus geleistet. Das Aufzeigen der Spuren jüdischen Lebens in der Geschichte Südtirols lässt ihnen eine späte Anerkennung zuteilwerden.