Vom Kriegerdenkmal zum Lernort
Unterhalb der Bludenzer Stadtpfarrkirche befindet sich das Kriegerdenkmal der Stadt. Sie haben mit SchülerInnen des Bundesgymnasiums dazu gearbeitet. Warum wurde gerade dieser Ort für ein Projekt ausgewählt?
Das 1928 von Alfons Fritz geplante Kriegerdenkmal der Stadt Bludenz ist aufgrund seiner Formensprache bemerkenswert und hebt sich von üblichen Kriegerdenkmälern in unserer Region ab. Schon bei seiner Errichtung hat es überregionale Aufmerksamkeit hervorgerufen. Fritz hat einen Ort zum Nachdenken geschaffen, der auf martialische Überhöhung – wie bei solchen Orten meist üblich – verzichtet. Vielmehr wird in sehr subtiler Art und Weise der Übergang vom Leben zum Tod symbolisiert. Durch einen Vortrag von Ute Denkenberger bin ich vor einigen Jahren auf die Bedeutung dieses Ortes unterhalb der St. Laurentiuskirche aufmerksam geworden. Gleichzeitig war zu diesem Zeitpunkt das Denkmal in fast ruinenhaftem Zustand und damit vom völligen Verfall bedroht. Diesem Umstand wollten wir mit unserem Projekt entgegenwirken und gleichzeitig einen Diskussionsprozess für eine zeitgemäße Interpretation dieser Anlage starten.
Welche inhaltlichen Schwerpunkte haben Sie in der Arbeit gesetzt?
Im Wahlpflichtfach Geschichte haben wir uns intensiv mit der Entstehungsgeschichte des Kriegerdenkmals sowie seiner Entwicklung im Lauf der Jahrzehnte befasst. Dabei haben wir auf umfangreiche Unterlagen aus dem Stadtarchiv Bludenz zurückgreifen können. Dankenswerterweise haben sich auch die Kunsthistorikerin Ute Denkenberger und Georg Mack vom Bundesdenkmalamt mit ihrem ExpertInnenwissen eingebracht. Daraus ist eine Ausstellung entstanden, die beim Tag des Denkmals 2017 und seither bei mehreren Gelegenheiten der Öffentlichkeit präsentiert werden konnte.
Welche pädagogischen Ziele wurden dabei verfolgt?
Vorrangiges Ziel war es, ein regionalhistorisch bedeutendes Thema in den Unterricht einzubeziehen. Die SchülerInnen sind dabei als Forschende in Erscheinung getreten und haben eigenständig Fragestellungen und Zugänge entwickelt und sich mit Quellenmaterial sowie ExpertInnenwissen auseinandergesetzt. Zudem – und diesen Punkt erachte ich für besonders wichtig – sind die jungen Menschen auch als VermittlerInnen aufgetreten, in dem sie beim Tag des Denkmals die Eröffnung der Ausstellung gestaltet und BesucherInnen durch die Ausstellung und das Denkmal begleitet haben. Mit ihren dabei erworbenen Kenntnissen konnten sie noch im selben Schuljahr übrigens auch bei der mündlichen Matura punkten.
Was ist aus Ihrer Sicht problematisch an dem Ort und dem durch das Denkmal transportierten Narrativ?
Das ursprünglich von Alfons Fritz intendierte Narrativ der Kontemplation und Reflexion über Leben und Tod halte ich nicht für problematisch. Heute wird dieses jedoch vom vielerorts noch üblichen „Heldengedenken“ überlagert, in dem ein meines Erachtens nicht mehr besonders zeitgemäßer Fokus auf die Soldaten der deutschen Wehrmacht vorherrscht. Die Namen dieser Soldaten sind auch in der Krypta des Denkmals zu lesen, wo aber unbedingt eine Kontextualisierung vonnöten ist. So findet sich etwa der Name Hugo Paterno mitten unter jenen der gefallenen Soldaten, obwohl er kein solcher war, sondern ein Mann, der wegen seiner antinationalsozialistischen Haltung zum Tod verurteilt und 1944 hingerichtet wurde.
Richten wir den Blick in die Zukunft. Wie könnte eine nachhaltige und pädagogisch sinnvolle Umgestaltung des Denkmals aussehen?
Mit dieser Frage beschäftige ich mich seit dem Ausstellungsprojekt. Erfreulich ist die Tatsache, dass die Renovierung des Denkmals und der historischen Stadtmauer im Gange ist. Hier konnten dank der Burgenaktion des Vorarlberger Landesmuseumsvereins bedeutende Fortschritte erzielt werden und es sieht so aus, als ob es in den nächsten Jahren auch weitere Maßnahmen geben wird. Mit der Instandsetzung sollte ein Diskussionsprozess stattfinden, wie mit der Anlage in Zukunft umgegangen wird. Ich könnte mir beispielsweise einen künstlerischen Prozess für die Gestaltung der Krypta vorstellen. Darüber hinaus wird es natürlich Materialien brauchen, mit denen anhand des Denkmals der Themenkomplex Nationalsozialismus behandelt werden kann – oder eher noch grundsätzlicher die Annäherung an „Krieg und Frieden“. Ich freue mich darüber, wenn sich Menschen in diesen Denk- und Entwicklungsprozess für die Neugestaltung eines Lern- und Gedenkorts einbringen.
Das Interview führte Johannes Spies, _erinnern.at_-Koordinator in Vorarlberg.
Christof Thöny, Mag. theol., studierte kombinierten Religionspädagogik sowie Geschichte und Sozialkunde in Innsbruck. Seit 2011 unterrichtet er Religion und Geschichte am Bundesgymnasium Bludenz. Neben seiner Tätigkeit als Stadtarchivar von Bludenz (seit 2017), ist er als Verleger und Projektmanager in den Bereichen Kultur, Bildung und Regionalentwicklung aktiv. Seit 2001 ist er darüber hinaus Obmann des Museumsvereins Klostertal.