Nur nicht anecken!

KOMMENTAR von Harald Walser in den "Vorarlberger Nachrichten", 15. Oktober 2007, S. A5

HARALD WALSER harald.walser@vol.at


Nun haben die Silbertaler also seit Monaten eine "Geschichtswerkstatt". Das ist begrüßenswert, weil an vielen Orten die kritische Aufarbeitung der Geschichte mit Initiativen von unten begann. Und da stört es auch nicht, dass sich in dieser Gruppe kein einziger Historiker befindet. Anlass für die Initiative war der bekannt gewordene Fall des Silbertaler Massenmörders Josef Vallaster, der auf dem "Kriegerdenkmal" der Gemeinde zum "Opfer" wird. Vallaster war ab April 1942 im Vernichtungslager Sobibor mitverantwortlich für die Ermordung von 250.000 Juden, er hat zuvor im berüchtigten Schloss Hartheim in Oberösterreich am Vergasungstod von 18.000 Behinderten mitgewirkt. Die Brutalität Vallasters wurde selbst von SSAngehörigen hervorgehoben und war mit ausschlaggebend dafür, dass er von Häftlingen mit einer Axt erschlagen wurde.

Als diese Tatsachen bekannt wurden, gab es die bei uns übliche Reaktion: Vom Bürgermeister abwärts wurden Fakten in Zweifel gezogen oder verharmlost. Als das nicht mehr möglich war, wurde - richtig geraten - eine Kommission ins Leben gerufen. Nicht eingeladen hat man jene Fachleute, die im Land einschlägig gearbeitet haben. Da wäre etwa Gernot Kiermayr, der in einem Pionierwerk auf die Verbrechen des ehemaligen Direktors der Valduna hingewiesen hat. Oder Werner Dreier, der als Historiker im Auftrag des Unterrichtsministeriums genau daran arbeitet, womit sich die Silbertaler offenkundig schwer tun: Wie soll man an die NS-Zeit erinnern? Welche Formen der Erinnerungskultur müssen aufgebaut und entwickelt werden?

Um es ganz deutlich zu sagen: Das Silbertal steht nicht allein, was den schludrigen Umgang mit dem hausgemachten Anteil an der NS-Barbarei angeht. Die Silbertaler haben nur das Pech, dass ihre Vorgangsweise überregional aufgefallen ist. Sie haben zudem die Chance einer ehrlichen und schonungslosen Diskussion nicht erkannt. Dazu ist sogar der Sohn des Massenmörders bereit und auch der Montafoner Standesrepräsentant Erwin Bahl hat deutliche Worte gefunden.

Stattdessen mutierte im Silbertal die Kommission zu einer Geschichtswerkstatt mit Bürgermeister und einheimischen Honoratioren. Der Leiter erklärte, man wolle eine "für das Dorf repräsentative Konstellation aus Mitwirkenden" und "den ramponierten Ruf in öffentliche Anerkennung und Respekt transformieren". Ob das gelingen kann, wenn man vor lauter Angst "primär nach innen gekehrt arbeiten" will? Man möchte natürlich auch Geld - und bekommt es wohl, wenn man im Vorhinein garantiert, nicht anzuecken: vom Land Vorarlberg, dem Stand Montafon, der Gemeinde Silbertal, der Montafonerbahn, den Illwerken - ausgerechnet von den Illwerken, die jahrelang kritische Geschichtsschreibung behindert haben und ihr Archiv der allgemeinen Forschung noch immer nicht zugänglich machen.

Sinnvoll ist sicher, wenn man - wie am vergangenen Samstag - für Vorträge einen Experten von außen holt. Dafür und wenn statt Honoratioren hauptsächlich Interessierte mitmachen, hat die Geschichtswerkstatt ihre Berechtigung. Derzeit aber steht sie in Gefahr, als Teil eines inszenierten Ablenkungsmanövers vom inakzeptablen Umgang mit dem Massenmörder Vallaster zu gelten. Warum sagt man nicht einfach: Ja, diese Tafel war ein unverzeihlicher Fehler! Wir weisen künftig in einem Zusatz auf das verbrecherische Wirken Vallasters hin. Das wäre weniger umständlich, ehrlicher und - in Vorarlberg ganz wichtig - es bräuchte weniger Sponsoren!

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