UNESCO-Konferenz zur Bekämpfung von Antisemitismus: Österreichs Beitrag und zukünftige Herausforderungen

Am 11. Dezember 2024 veranstaltete die UNESCO eine Konferenz mit dem Titel „Addressing Antisemitism through Education in Europe: From Practice to Action“ in Paris unter Beteiligung des BMBWF und ERINNERN:AT Wien

UNESCO-Konferenz zur Bekämpfung von Antisemitismus: Österreichs Beitrag und zukünftige Herausforderungen

Am 11. Dezember 2024 veranstaltete die UNESCO eine Konferenz mit dem Titel „Addressing Antisemitism through Education in Europe: From Practice to Action“ in Paris. Die Veranstaltung bot eine Plattform für VertreterInnen der Bildungsministerien der teilnehmenden EU-Mitgliedsländer, sowie für StakeholderInnen, jüdische InteressenvertreterInnen und ExpertInnen, um Fortschritte im Bereich der kritischen Auseinandersetzung mit Antisemitismus vorzustellen. Österreich wurde von Moritz Wein (Delegierter des österreichischen BMBWF) und einer Koordinatorin für Holocaust Education aus dem lokalen Netzwerk Wien im Rahmen des OeAD-Programms ERINNERN:AT vertreten.

Österreichs Beiträge zur Antisemitismusbildung

Auf der Konferenz stellte Österreich aktuelle und zukünftige Initiativen zur Bekämpfung von Antisemitismus in Bildungskontexten vor, tauschte Ideen auf europäischer Ebene aus und reflektierte Verbesserungsmöglichkeiten zur Inspiration künftiger Programme. Es wurde festgestellt, dass neun EU-Länder verpflichtende Bildungsmaßnahmen zur Antisemitismusprävention eingeführt haben, darunter maßgeschneiderte Workshops für Lehrkräfte, SchulleiterInnen, Lehramtsstudierende und politische EntscheidungsträgerInnen. Zudem haben 23 EU-Mitgliedsstaaten konkrete Strategien gegen Antisemitismus entwickelt. Österreich nimmt dabei eine VorreiterInnenrolle ein, da es als erster Mitgliedsstaat eine Nationale Strategie gegen Antisemitismus (NAS) implementiert hat, dabei eng mit der UNESCO zusammenarbeitet und diese PartnerInnenschaft auch zukünftig fortführen wird.

Wichtige Entwicklungen in Österreich

Die NAS Österreichs, die 2021 entwickelt wurde, entstand unter Beteiligung diverser Bundesministerien, der Israelitischen Kultusgemeinde Wien (IKG) und verschiedener zivilgesellschaftlicher Institutionen. Sie umfasst 38 Maßnahmen (davon zehn unter der Zuständigkeit des Bildungsministeriums) zur Bekämpfung von Antisemitismus in den Bereichen Bildung, Ausbildung, Forschung, Sicherheit, Justiz, Integration und Zivilgesellschaft.[1] Wissenschaftliche Studien zur Evaluierung zeigten jedoch Lücken in der LehrerInnenausbildung, was Österreich dazu veranlasste, 2024 ein Gesetz zu verabschieden, das verpflichtende Fortbildungen zu Antisemitismus, Sexismus und Rassismus in der LehrerInnenausbildung verankerte. Auch hier ist Österreich als „Best-Practice“-Beispiel zu betrachten, nicht zuletzt aufgrund des Holocaust Education Programms ERINNERN:AT, das hochwertige pädagogische Fortbildungen und Materialien für Lehrpersonen zur Verfügung stellt und in engem Austausch mit dem Bildungsministerium steht.

Herausforderungen in der Antisemitismusbildung

Die Konferenz hob gemeinsame Herausforderungen hervor, wie die Bekämpfung von Antisemitismus, Holocaust-Verzerrung und -Trivialisierung. Antisemitismus ist eng mit anderen Formen der Diskriminierung verbunden und untergräbt demokratische Prinzipien, wie Rechtstaatlichkeit, Freiheit und Menschenwürde. Die Konferenz betonte daher, dass PädagogInnen ermutigt werden sollen, das Thema nicht nur als Lehrkräfte, sondern auch als gesellschaftliche und politische AkteurInnen zu betrachten. Diskussionen im schulischen Kontext sollen einen offenen Dialog schaffen, aber klare Grenzen setzen, wo persönliche Vorurteile, Voreingenommenheit oder religiöse Ideologien die Rechte anderer verletzen.

Ein zentrales Ziel der Antisemitismusbildung muss es sein, SchülerInnen mit Fähigkeiten auszustatten, Antisemitismus, Hassrede und Verschwörungstheorien als Bedrohung demokratischer Prinzipien und Werte zu erkennen. Lehrkräfte stehen dabei vor der komplexen Aufgabe, verzerrte historische und kulturelle Erinnerungen zu adressieren, ohne das kulturelle Erbe der SchülerInnen außer Acht zu lassen oder sie zu bevormunden. Dies erfordert eine umfassende und fundierte Ausbildung in der Antisemitismusprävention.

Moderner Antisemitismus

Die Formen des Antisemitismus sind vielfältig, durchziehen alle sozialen Schichten und werden oft offen und ohne Widerspruch geäußert. Lehrkräfte müssen sich zusätzlich in einer virtuellen Welt zurechtfinden, in der Antisemitismus gedeiht; eine Welt, die in die Klassenzimmer vordringt und sich häufig mit voller Wucht während des Unterrichts entlädt. Jüngste Entwicklungen, wie der israelbezogene Antisemitismus als Folge der Ereignisse des 7. Oktober 2023, verstärken die Problematik zusätzlich. Diskussionen mit Jugendlichen zeigen nicht selten eine einseitige Identifikation mit den vermeintlichen Opfern, oft beeinflusst durch eigene Erfahrungen von Vertreibung, Flucht oder Marginalisierung sowie der Flut an Bildern und Informationen, die sie mehrheitlich unreflektiert auf Social Media Plattformen konsumieren. Das Phänomen des sekundären Antisemitismus – manifestiert in der Holocaustleugnung oder der Ablehnung, sich mit Österreichs TäterInnengeschichte auseinanderzusetzen – ist ebenfalls weit verbreitet.

Ein wesentlicher Bestandteil der Auseinandersetzung mit Antisemitismus ist demnach die Konfrontation mit den eigenen Vorurteilen. SchülerInnen und Lehrkräfte müssen ihre eigenen Vorurteile dekonstruieren, um antisemitische Verhaltensmuster in einem breiteren Kontext diskutieren zu können und Verantwortung für den Kampf gegen Antisemitismus zu übernehmen. Das oberste Ziel in diesem Zusammenhang ist eine Bildung, die auf Menschenwürde und Offenheit basiert und SchülerInnen dazu befähigt, diverse Diskriminierungsmuster zu erkennen, zu verstehen und ihnen letztendlich entgegenzutreten.

Exemplarische und inspirierende Bildungsinitiativen, die auf der UNESCO-Konferenz vorgestellt wurden

  • Polen: „The School of Dialogue“: Dieses Projekt beschäftigt sich mit jüdischen Communities in polnischen Städten und betont ihre vielfältigen Beiträge zur Gesellschaft, um dabei jüdische Menschen nicht ausschließlich als Opfer darzustellen. Mehr Informationen: School of Dialogue.
  • Griechenland: „HerStories“: Ein Projekt in Zusammenarbeit mit Centropa, das jüdische Geschichte durch die persönlichen Biografien von sieben jüdischen Frauen in den europäischen Geschichtsunterricht integriert. Wer eine weibliche Perspektive auf den Holocaust und dessen Folgen hervorheben möchte, findet hier wertvolle Informationen und Materialien. Mehr Informationen: HerStories.
  • Frankreich: „Résistance à l’autrichienne“: Eine Ausstellung des Forum Culturel Autrichien Paris, welche die Beteiligung österreichischer WiderstandskämpferInnen in der französischen Résistance hervorhebt. Sie kann als Inspiration für Themen wie "Widerstand und Demokratie“ dienen und auch im Fremdsprachenunterricht verwendet werden. Materialien stehen hier in Form einer umfassenden zweisprachigen Broschüre unter Downloads bereit.

ERINNERN:AT dankt dem Forum Culturel Autrichien Paris herzlich für die Bereitstellung der Materialien. Roll-Ups der gesamten Ausstellung sind digital ebenfalls verfügbar. Bitte kontaktieren Sie die Netzwerkoordination Daniela Lackner unter: LA@bafep10.at.

Fazit

Bildung über Antisemitismus muss anhaltende Diskriminierungsmuster und gegenwärtige Formen von Hass und gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit berücksichtigen. Sie muss jedoch auch historische Fakten und Kontexte über die Shoah und gegenwärtige politische, regionale und globale Zusammenhänge des Nahost-Konflikts veranschaulichen. Lehrkräfte spielen eine zentrale Rolle in der Förderung demokratischen Bewusstseins, um SchülerInnen in die Lage zu versetzen, Antisemitismus und gruppenbezogene Feindseligkeit zu erkennen und ihnen entgegenzutreten. Die UNESCO-Konferenz unterstrich die Bedeutung gemeinsamer europäischer Anstrengungen und forderte PädagogInnen angesichts der wachsenden Herausforderungen für demokratische Werte auf, Verständnis, Widerstandsfähigkeit und Citizenship-Kompetenzen, zu fördern.

Ich erlaube mir diesen Artikel mit einem Zitat des Zeitezeugen Kurt Hillmann zu beenden, den ich 2023 in Berlin treffen durfte: "Weniger reden, mehr tun!" So erschien es mir bei der UNESCO-Konferenz und das ist ein wunderbares Signal an die Zukunft!