"Spiegelgrund-Überlebender" Friedrich Zawrel verstorben (1929 – 2015)
1940 kam Zawrel in die Fänge der "NS-Jugendfürsorge", wurde in die Anstalt "Am Spiegelgrund" eingewiesen und als "asozial" und "bildungsunfähig" eingestuft. Er kam für ein Dreivierteljahr in eine Einzelzelle, die er nur für Untersuchungen verlassen durfte. Mithilfe einer Krankenschwester gelang ihm jedoch die Flucht. Er wurde nach ein paar Wochen gefasst, zu vier Jahren schwerem Kerker verurteilt und kam in das Jugendgefängnis Kaiserebersdorf.
Insgesamt wurden in der Anstalt Steinhof, dem heutigen Otto-Wagner-Spital, rund 7.500 PatientInnen von den Nazis ermordet, darunter rund 800 Kinder.
Zawrel traf 1975 erneut auf den ehemaligen NS-Arzt Heinrich Gross, nunmehr ein anerkannter Gerichtsgutachter. Dieser stellte zum zweiten Mal über ihn ein negatives Gutachten aus.
Eine Artikelserie im "Kurier" und die Unterstützung der Arbeitsgemeinschaft kritische Medizin half Zawrel aus dem Gefängnis, er wurde von einem unabhängigen Gutachter erneut untersucht und schließlich entlassen. In den folgenden Jahren half Zawrel bei der Enttarnung des Arztes.
Zawrel wurde erst im Jahr 2002 rehabilitiert und als Opfer des Nationalsozialismus anerkannt. Seine Lebensgeschichte steht exemplarisch für den Umgang mit der NS-Zeit in Österreich nach 1945.
Zawrel half bei der Aufarbeitung der Verbrechen in der einstigen Heil- und Pflegeanstalt und ging als Zeitzeuge in unzählige Schulen. Seine Lebensgeschichte wurde auch in Theaterstücken und im Film thematisiert, so zum Beispiel 2005 im Volkstheater ("Spiegelgrund" von Christoph Klimke), drei Jahre später in der Josefstadt ("In der Psychiatrie ist es nicht schön ..." von Stefan Geszti) oder in den Filmen "Mein Mörder" und "Meine liebe Republik" von Elisabeth Scharang. Das Schuberttheater zeigte im Jahr 2012 das biografische Puppenspiel "F. Zawrel – Erbbiologisch und sozial minderwertig". 2013 erhielt Zawrel das Goldene Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich.
Siehe dazu Sebastian Pumberger, derStandard.at, 20.2.2015 - link
"Friedrich Zawrel war bereit, durch seine Zeitzeugenberichte Zeit seines Lebens sein eigenes Martyrium immer und immer wieder neu zu durchleben. Er hat dies in bewundernswerter Weise auf sich genommen, um einen außergewöhnlichen Beitrag dazu leisten, dass die nachkommenden Generationen sich ihrer Verantwortung stellen", so die Wiener Stadträtin Sonja Wehsely in ihrer Aussendung zum Ableben von Friedrich Zawrel. - link
Auch mit _erinnern.at_ war Friedrich Zawrel eng verbunden: Er besuchte im Rahmen des Netzwerkes nicht nur Schulen, sondern er nahm auch an unserem ZeitzeugInnen-Seminar teil. Wir haben mit ihm einen der wichtigsten Zeitzeugen verloren und werden ihm ein ehrendes Andenken bewahren!
Videointerview Friedrich Zawrel, Gedenkstätte Steinhof: - link