Eine Brücke: Von der Vergangenheit in die Zukunft
75 Jahre sind seit dem Novemberpogrom von 1938 vergangen. Bei dem vom Nazi-Regime gesteuerten Gewaltausbruch wurden etwa 400 Juden und Jüdinnen ermordet und tausende Synagogen, Friedhöfe, Geschäfte etc. zerstört. Die von den Nazis sogenannte „Reichskristallnacht“ markiert den Beginn der systematischen Judenverfolgung im 3. Reich. Zum Gedenken und zur Aufarbeitung der Novemberpogrome hatte die VHS Hietzing gemeinsam mit einer Reihe von Kooperationspartner wie den Bezirksvertretungen von Hietzing und Penzing, dem Goethe- Gymnasium, dem GrG Wenzgasse und _erinnern.at_ Gedenkveranstaltungen organisiert.
Film: Eröffnung Paul Amann Brücke
Film: Paul Amann. Der Weg der Erinnerung
Die Fußgängerbrücke, die seit einigen Jahren durch ihr modernes Design bei der Westeinfahrt vor dem Amtshaus Hietzing ins Auge sticht, konnte auf Initiative der VHS Hietzing nach dem Dichter und Übersetzer Paul Amann benannt werden. Am 7. November um 10 Uhr wurden zwei Gedenktafeln auf der Paul Amann-Brücke enthüllt, die Auskunft über den von den Nazis Vertriebenen geben. Die Gestaltung der Feier hatte das Goethe-Gymnasium übernommen, wo Paul Amann bis 1938 auch als Lehrer tätig war. Amann war Pazifist, er korrespondierte mit Thomas Mann, mit dem er trotz anfangs unterschiedlicher Positionen bis zu dessen Tod in Verbindung stand. Vor den Nazis konnte Paul Amann zuerst nach Frankreich und dann in die USA flüchten. Der Schulchor (Leitung Prof. Dr. Monika Fink) mit rund 30 SchülerInnen begleitete bei herbstlichem Sonnenschein die Feier, eine Gruppe von SchülerInnen der Theatergruppe von Prof. Friederike Melchert machte in einem Stakkato Sprechchor (Text: Prof. Dr. Christian Kreuzberger) deutlich, was Flucht im Jahr 1938 bedeutete. Nach der Enthüllung markierten zehn SchülerInnen den Weg der Erinnerung. Als sprechende Säulen (Text: Prof. Gerhard Warmuth) konnte bei jeder Station ein Teil des Lebens von Paul Amann erfahren werden. Da die gesamte Feier auf Video aufgezeichnet wurde und via youtube abrufbar ist, können auch die Nachkommen, die der Schule einen berührenden Brief geschrieben hatten, in den USA auf diesem Weg an dieser Feier teilnehmen.
Einen Tag später wurden in Hietzing zwei weitere Gedenktafeln enthüllt. In der Wenzgasse 7 vor dem alten Eingang zum ehemaligen Mädchengymnasium, heute GrG 13, wurde eine Tafel für die ermordeten Schülerinnen und Lehrerin und die ermordeten BewohnerInnen in dieser Gasse enthüllt. Eine Gruppe von SchülerInnen lasen aus den Erinnerungen ehemaliger Schülerinnen der Wenzgasse. Im Anschluss daran wurde an einem Privathaus in der Lainzer Straße 74 eine Tafel für die Familie Egon und Pauline Szeci enthüllt.
Auf jeder der Gedenktafeln ist ein Ausschnitt eines Bildes der Künstlerin Brigitte Gadnik-Jiskra zu sehen. Für jede Gedenktafel wird ein anderer Ausschnitt gewählt. Wir sehen immer nur einen Ausschnitt. Wir sehen nur einen Teil des Grauens. Das vollständige Bild entsteht nur im Kopf der Betrachterin, des Betrachters. Das Kunstwerk wird im Bezirksmuseum Hietzing als Dauerleihgabe mit Informationen über das Schicksal der Juden aus Hietzing ausgestellt. Für die Aufstellung weiterer Tafeln wird in Zukunft weiter mit den Schulen des Bezirks zusammengearbeitet werden.
Robert Streibel