"Erinnern ist nicht genug" - Gedenkprojekt Kundmanngasse

Enthüllung einer Gedenktafel und Präsentation einer Ausstellung anlässlich des 150jährigen Schuljubiläums des GRG 3 Kundmanngasse. In der Ausstellung werden exemplarisch sechs Lebensgeschichten ehemaliger SchülerInnen des GRG Kundmanngasse präsentiert, die 1938 von der Schule vertrieben wurden.

Das Gedenkjahr 2018 war der Anlass, in der Kundmanngasse ein Erinnerungsprojekt zu starten. Die Schüler/innen von heute erforschten die Lebensgeschichten der jüdischen* Mitschüler/innen von damals.

 

Erinnern heißt sich ins Bewusstsein rufen, was geschehen ist. In unserem Fall im Jahr 1938 am Gymnasium Kundmanngasse. Was ist nach dem Einmarsch Hitlers in Österreich mit unseren jüdischen Schüler/innen passiert? Es waren 50. Darunter außergewöhnlich begabte, durchschnittliche und auch Schüler/innen mit schlechten Noten. Solche, die erst mit dem Gymnasium begonnen hatten, andere, die kurz vor der Matura standen. Einige waren besonders sportlich, kreativ, fleißig, strebsam, intellektuell, … so wie die nichtjüdischen Schüler/innen auch. Allerdings ist nur den jüdischen Schüler/innen eines gemeinsam: Sie haben im Klassenkatalog 1937/38 den Vermerk bekommen „Umgeschult am 28. April 1938.“

 

Dieser Vermerk war der Ausgangspunkt der Arbeit der Schüler/innen der 7B sowie des Wahlpflichtgegenstands Geschichte, Sozialkunde und Politische Bildung für das Erinnerungsprojekt. Es galt herauszufinden, wie es mit diesen Kindern und Jugendlichen weiterging, die aus ihrem gewohnten Leben herausgerissen und bei ihrem Abgang aus unserer Schule von einem Teil ihrer Mitschüler/innen und Lehrer/innen verhöhnt und beschimpft wurden. Viele mussten sich von ihren Familien verabschieden, einige für immer. Manche konnten sich auf abenteuerlichen Wegen retten, andere wurden in nationalsozialistischen Konzentrations- oder Vernichtungslagern ermordet.

 

Mit Hilfe von Recherchen im Schularchiv, im Internet, in wissenschaftlichen Büchern, in Datenbanken, Zeitungsartikeln, durch Kontaktaufnahme mit Familienangehörigen, durch Sichten von Video- und Bildmaterial ist es den Schüler/innen in aufwendiger Arbeit gelungen, 50 Lebenswegen nachzuspüren. Diese wurden schriftlich festgehalten und sind gesammelt in einer Broschüre (Bibliothek, Gedenkraum) nachzulesen.

 

Erinnern bedeutete für unser Projekt aber auch, uns mit den geschichtlichen Zusammenhängen und Ursachen von politischen Entwicklungen auseinanderzusetzen, Bewusstseinsarbeit zu leisten, politische Bildung voranzutreiben und daraus Erkenntnisse für die Gegenwart zu gewinnen. Die Lektüre verschiedener Bücher über die NS-Zeit, der Besuch diverser Ausstellungen, die Teilnahme an der Puls-4-Sendung „Pro und Contra Spezial“ zum Thema „Antisemitismus heute“, der Besuch des Kinofilms „Waldheims Walzer“ und der Besuch der Zeitzeugin Tamar Schwarz aus Israel anlässlich des Gedenkens der Novemberpogrome dienten der Themenvertiefung.

 

Der Abschluss des Projekts war die Enthüllung einer Gedenktafel mit den Namen aller Vertriebenen in einem dafür eingerichteten Gedenkraum in unserem Schulgebäude, eröffnet am 25. April 2019 im Rahmen einer Ausstellung.

 

Zur Homepage zum Projekt

Ein Text der Projektverantwortlichen, Katharina Fersterer, Susanne Kopinitsch-Berger und der Schülerin Mary Yin (8B)

* einer unserer ehemaligen Schüler, Herbert Kawer, setzt sich in seiner Autobiografie „La mémoire des Kawer“ ähnlich wie Jean Améry in „Über den Zwang und Unmöglichkeit, Jude zu sein“ mit der schwierigen Definition dieses Begriffes auseinander. Dennoch haben wir uns dafür entschieden, in diesem Schulprojekt den Begriff zu verwenden.#