Projektbericht: „REMEMBER ME. Wie Spuren zu Denkmälern werden“
Mit viel Einfühlungsvermögen und Engagement stellten sich die SchülerInnen der Ortweinschule Graz, Abteilung Bildhauerei Objektdesign Restaurierung, der Aufgabe, sich mit der Ausstellung „Jüdisches Leben in Graz“ im Rahmen ihrer Semesterarbeit künstlerisch zu befassen. Es entstanden Kunstwerke, die neue Blickwinkel auf das jüdische Leben in Graz und die lokale Erinnerungskultur eröffnen. Als Auftrag galt es, die Werke als Denkmäler im öffentlichen Raum zu positionieren. Auch wenn sie (vorerst) als Modelle und Fotomontage umgesetzt und präsentiert werden, hat die Klasse Grazer Ortsbezüge erkundet und konsequent im Sinne einer realen Installation geplant. Der Grazer Stadtraum fand mit den Kunstwerken und mit neuen Erinnerungsformen Eingang ins Museum.
Produktion des Kunstwerks „Der Feuerwehrmann“ in der Werkstatt der Ortweinschule (Foto: Jakob Pock).
Projektkonzeption mit der Ortweinschule Graz
Frühere Projekte mit der Ortweinschule hatten gezeigt, dass diese Schule für einen Schwerpunkt der künstlerisch-kreativen Verhandlung historischer Themen mehr als geeignet ist, bietet sie doch selbst mit ihren Schwerpunkten Kunst und Design künstlerisch-kreative Zweige an. So auch die Fachabteilung Bildhauerei, Objektdesign, Restaurierung, wobei Jakob Pock als Projektkoordinator an der Ortweinschule sowie seine Kollegen Andreas Heller, Christian Lutz und Franz Pichler als Kunstlehrer die fachliche Betreuung übernahmen.
Die Durchführungsphase des Projekts begann mit dem Schulsemester 2022/23, als die elf SchülerInnen der Maturaklasse der Fachabteilung Bildhauerei, Objektdesign, Restaurierung, HTBLVA Graz-Ortweinschule, sich mit ihrer Aufgabe vertraut machten. Neben der Online-Plattform DERLA konnte ebenso die zu diesem Zeitpunkt noch in Vorbereitung befindliche Ausstellung „Jüdisches Leben in Graz“ im Graz Museum genutzt werden, um eine inhaltliche Auseinandersetzung mit der Geschichte der Shoah sowie der Erinnerungskulturen an die Opfer des Nationalsozialismus zu ermöglichen.
Maribell Maierhofer und Daniel Danacskai bei der Herstellung ihres Projektmodells "Abgestempelt" (Foto: Jakob Pock)
Im September 2022 bildeten zwei Programmpunkte den inhaltlichen Einstieg in die Projektarbeit: Zunächst führte Ruth Lauppert-Scholz, Kulturvermittlung Granatapfel, die SchülerInnen durch die Grazer Synagoge und an das Thema Judentum heran. Beim zweiten Programmpunkt im Graz Museum bekam die Schulklasse wiederum Einblicke in die Vorbereitung der Ausstellung „Jüdisches Leben in Graz“. Bernhard Bachinger und Martin Hammer, Abteilung Ausstellungen im Graz Museum, stellten im Sinne eines inhaltlichen Einstiegs das Ausstellungskonzept, einzelne Objekte und Quellen vor. Ein Schwerpunkt lag auf den Rauminhalten Verfolgung (Verfolgung, Vertreibung und Vernichtung von Jüdinnen und Juden während der NS-Zeit) und Vielfalt (Jüdisches Leben in Graz seit 1945, Erinnerungskultur). Des Weiteren wurden die Projektziele erläutert, DERLA – die digitale Erinnerungslandschaft Österreich – vorgestellt und die ersten inhaltlichen Interessen der SchülerInnen gesammelt. Dabei stellte sich heraus, dass es eine große Bandbreite an Interessensschwerpunkten und Zugängen gibt, die eine Ausweitung auf mehrere Teilprojekte denkbar machten.
In der Konzeptionsphase manifestierte sich diese Lösung mit insgesamt zehn Teilprojekten, die sich jeweils mit einem bislang in der Grazer Erinnerungslandschaft ausgeblendeten Thema zur jüdischen Geschichte auseinandersetzen und dabei individuelle Denkmäler in Form von Kunstwerken entwickeln sollten. Es bot sich an, die Denkmäler zwar im öffentlichen Raum zu verorten und mitzudenken, sie allerdings (vorerst) als Modell umzusetzen. Im Projektverlauf entstand auch die Idee, die Kunstwerke temporär im Museum zu präsentieren.
Projekt "Abgestempelt" (Fotomontage: Maribell Maierhofer und Daniel Danacskai).
Präsentation im Graz Museum
Während die SchülerInnen am 25. Oktober 2022 an der Ausstellungseröffnung teilnahmen, stand am 3. November 2022 ein weiterer Meilenstein auf dem Programm. Im Graz Museum präsentierten die SchülerInnen die Grobkonzepte ihrer Projekte. Zugleich konkretisierte sich aufgrund der hohen Qualität der Werke die Idee, sie im Rahmen einer eigenen Ausstellung im Foyer der Ausstellungsräume im 2. Stock den BesucherInnen des Graz Museums zu präsentieren. Damit bespielen die Kunstwerke den Bereich vor dem Eingang zur Ausstellung „Jüdisches Leben in Graz“ und zeigen das Resultat des Projekts.
Projektpräsenation am 18. März 2023 (Fotos: Sebastian Reiser).
Nach intensiven Wochen der Umsetzungsphase, in der die Kunstwerke finalisiert und die Ausstellung vorbereitet wurde, konnte „Remember me. Wie Spuren zu Denkmälern werden“ am 18. März 2023 im Rahmen des Frühlingsfestes des Graz Museum im Beisein aller Kooperationspartner eröffnet werden. Nach den Eröffnungsreden (Günter Riegler, Kulturstadtrat; Sibylle Dienesch, Direktorin Graz Museum; Eva Kolm, OeAD – Agentur für Bildung und Internationalisierung; Martin Hörl, Abteilungsvorstand Kunst & Design HTBLVA Graz-Ortweinschule; Moderation: Jakob Pock, Ortweinschule) rundeten Statements der SchülerInnen zu ihren Kunstwerken die äußerst gut besuchte und gelungene Eröffnung ab.
Aufgrund der guten Resonanz wurde die Laufzeit der Projektpräsentation im Graz Museum inzwischen verlängert, womit die Finissage zeitgleich mit jener der Ausstellung „Jüdisches Leben in Graz“ am 27. August 2023 erfolgt.
SchülerInnen der Ortweinschule bei ihrer Projektpräsenation im Graz Museum (Fotos: Sebastian Reiser).
Der Feuerwehrmann
Am 7. November 2023 wurde das Kunst- und Erinnerungsprojekt „Der Feuerwehrmann“ von Peter Roskaric in Graz der Öffentlichkeit übergeben. Dabei handelt es sich um eine knapp 40cm hohe Figur eines Feuerwehrmannes, der auf einem Verkehrsschild vor der Grazer Synagoge postiert wurde und seinen Blick auf die Synagoge richtet.
„Der Feuerwehrmann, dargestellt im Stil der 1930er Jahre, steht auf dem Ampelmasten vor der Synagoge auf der Kreuzung Grieskai/Augartenbrücke. Er fungiert als Mahnmal für die Opfer der Novemberpogrome in Graz. In dieser Nacht wurde ein Brandanschlag ausgeübt, bei dem die Grazer Synagoge vollkommen niederbrannte. Die Feuerwehrleute beobachteten den Brand tatenlos, waren aber zugleich einsatzbereit, um ein Übergreifen auf umliegende Gebäude zu verhindern.“ Zum Bericht von Gerald Lamprecht: - Link
Foto und Objekt von Peter Roskaric.
Positives Projektresümee
„Die SchülerInnen nahmen die Aufgabe mit großem Interesse und Engagement an und setzten ihre Projekte mit sehr hoher Qualität um“, so Bernhard Bachinger vom Graz Museum. „Rückblickend war das Projekt mit überaus positiven Momenten garniert, einerseits als die SchülerInnen voller Stolz ihre Kunstwerke in die Ausstellung brachten und die zehn künstlerischen Arbeiten zusammen ein Ensemble ergaben, das die Hauptausstellung „Remember me“ nicht nur erweitert, sondern auch ergänzt hat. Andererseits war die Eröffnung das Highlight für die SchülerInnen, die bei einem vollen Haus und bei guter Stimmung durchwegs positive Resonanz der BesucherInnen bekamen. Die in der Folge auf Schiene gebrachte reale Umsetzung des Feuerwehrmanns am angedachten Ort gegenüber der Synagoge krönt das Projekt, das nicht zu Unrecht auch nach Abschluss auf den Titel „Remember me“ beharren kann. Alle Beteiligten erinnern sich gerne an das Projekt.“
Zur Ausstellung im Graz Museum: https://www.grazmuseum.at/ausstellung/remember-me/
Zum Workshop-Angebot Geschichtsvermittlung durch Kulturelle Bildung: Link
Zu DERLA: www.erinnerungslandschaft.at
Auszeichnung als “My Hometown-Project“
2024 wurde das Projekt als “My Hometown-Project“ ausgezeichnet. Der britische Vorsitz der International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA) rief die Initiative “My Hometown-Project“ ins Leben, um lokale Best-Practice Beispiele international zu würdigen und sie als Inspiration und Grundlage für weitere Projekte bekannt zu machen. Ausgezeichnet wurden Bildungsprojekte, die jungen Menschen dabei unterstützen, sich tiefgehend mit der Vergangenheit ihrer Heimatstadt zur Zeit des Nationalsozialismus auseinanderzusetzen und diese in kreativer Form weiterzugeben, sichtbar zu machen und daran zu erinnern.
Die ausgezeichneten Projekte teilnehmender Schulen aus aller Welt finden Sie in der Online-Galerie des My Hometown-Project. Unterstützt wurde das Projekt von Collingwood Learning und in Zusammenarbeit mit dem UCL Centre for Holocaust Education durchgeführt.