Die Holocaust-Chronik
Alle wesentlichen Aspekte des Themas werden chronologisch dargestellt: Hauptakteure, gesellschaftliche Hintergründe, betroffene Länder und Regionen in Europa, Ghettos, Einsatzgruppen, Widerstand. Behandelt werden auch umstrittene Fragen wie die Rolle der christlichen Kirchen und die Entschädigung von ehemaligen NS-Zwangsarbeitern.
Im Vordergrund aber stehen Einzelschicksale, die dieses unfassbare Verbrechen gegen die Menschlichkeit exemplarisch verdeutlichen.
Die Autoren des Bandes sind renommierte amerikanische Historiker, die sich in ihren Forschungen seit Jahren mit dem Holocaust befassen.
In einem Büchlein, das 1940 in Jerusalem vom United Aid Committee für die Juden in Polen herausgegeben worden war, wird die Vernichtung der europäischen Juden mit dem hebräischen Wort für Massenabschlachtung - als sho'ah - bezeichnet. In den fünfziger Jahren des 20. Jahrhunderts kam als Beschreibung der Katastrophe, die den Juden während des Krieges widerfuhr, im allgemeinen Sprachgebrauch das Wort Holocaust auf.
Die Holocaust Chronik ist eine Erinnerung. Sie ist ein mobiles Archiv, das angeschaut und gelesen werden will. Das Buch kann die ganze Ungeheuerlichkeit des Gegenstandes nicht erfassen, doch lässt der Umfang des Bandes auf das Gewicht des Themas schließen, eines Themas, dem man sich offen stellen muss.
Das Buch ist ein gemeinnütziges Unternehmen. Es soll einer möglichst großen Leserschaft zugänglich gemacht werden und an Schulen, Universitäten, Synagogen, öffentliche Bibliotheken, Kirchen und an den Einzelhandel geliefert werden. Sein Ziel: Die peinlich genau erforschte und in Worten und Bildern lebendig ausgedrückte Wahrheit.
Im Studium des Holocaust zeigt sich ein Paradoxon: Je weiter wir von dem Geschehen entfernt sind, desto mehr scheint das Interesse daran zu wachsen. Weshalb beschäftigen wir uns mit dem organisierten Massenmord an den Juden? Die Antworten darauf sind komplex, doch der eigentliche Grund ist einfach. Weil es ihn gegeben hat.
Über den Holocaust ist viel bekannt. Die Mörder haben pedantisch genaue Aufzeichnungen ihrer Aktionen, Pläne und Befehle hinterlassen. Sie haben das Verbrechen dokumentiert. Sie fotografierten ihre verbrechen und selbst Filmaufnahmen sind entstanden. Viele der Fotos werden Sie in diesem Buch finden. Vieles ist jedoch noch unbekannt oder umstritten. Manche Menschen haben den Holocaust als eine Welt dargestellt, die von der normalen Umgebung, in der wir leben, getrennt ist. Erschreckend ist jedoch, dass der Holocaust keine Verirrung, sondern einen äußersten Ausdruck dessen darstellt, was der Hauptströmung unserer Zivilisation eigen ist.
Weil es stattgefunden hat, müsen wir das Böse begreifen - das systematische, staatlich geförderte Böse, das industrialisierte Töten, den Massenmord, der das Wesen des Holocaust ausmachte. Wir müssen sein Wahrzeichen, das Todeslager, sowie die Menschen verstehen, die als Personal in solchen Lagern arbeiteten.
Der Holocaust begann langsam. Jahrhundertealte Vorurteile führten zu Diskriminierung, Diskriminierung zu verfolgung, Verfolgung zu Einkerkerung, Einkerkerung zu Vernichtung. Der Massenmord, der in der Vernichtung von sechs Millionen Juden gipfelte, begann nicht mit den Juden und umfasste auch nicht nur die Juden.
Die Auseinandersetzung mit dem Holocaust ist intellektuell wie emotional kein leichtes Unterfangen. Was Sie vor sich haben, ist ein Instrument, eine Chronik, die Sie Jahr für Jahr, Monat für Monat durch die Ereignisse des Holocaust führt. Sie werden Bilder von der Massenvernichtung sehen, Menschen treffen, welche die Morde ausführten, und die Mittel kennen lernen, derer sie sich bei ihrer Arbeit bedienten.
Die Holocaust Chronik ist umfangreich, weil auch das geschehene von nicht geringem Ausmaß war. Ein guter Rat: Lassen Sie sich vom Umfang des Buches nicht überwältigen; machen Sie sich in ihrem eigenen Tempo mit dem Thema vertraut. Sie werden in diesem Buch mit dem Tod konfrontiert werden, doch geschieht dies im Dienst des Lebens.
Der von den Opfern aus der Welt der Toten kommende Ruf sollte uns erinnern.
Wir sind es nicht allein den Opfern schuldig an das Geschehene zu erinnern und darüber nachzudenken, sondern allen Menschen, die heute leben und all jenen, die erst noch geboren werden. Nur wenn wir nicht vergessen und offen über die Vergangenheit sprechen, gibt es eine Chance und eine Hoffnung, dass es zu einem weiteren Holocaust nie kommen wird. (nach Louis Weber/Michael Berenbaum)
"WIR SIND ES NICHT ALLEIN DEN OPFERN SCHULDIG AN DAS GESCHEHENE ZU ERINNERN UND DARÜBER NACHZUDENKEN, SONDERN ALLEN MENSCHEN, DIE HEUTE LEBEN UND ALL JENEN, DIE ERST NOCH GEBOREN WERDEN.
NUR WENN WIR NICHT VERGESSEN UND OFFEN ÜBER DIE VERGANGENHEIT SPRECHEN, GIBT ES EINE CHANCE UND EINE HOFFNUNG, DASS ES ZU EINEM WEITEREN HOLOCAUST NIE KOMMEN WIRD."
(nach Louis Weber/Michael Berenbaum)
Überarbeitete, Tandem Verlag, h.f. Ullmann (Imprint), 768 Seiten, Leipzig 2010;Preis: 29,99 EUR; ISBN: 978-3-8331-5767-7; - link