Hans Maršálek, der "Chronist von Mauthausen", verstorben

Hans Maršálek verstarb im 97. Lebensjahr. Er war als Bindeglied zwischen der Lagergemeinschaft Mauthausen und dem Bundesministerium für Inneres maßgeblich für die Entwicklung der KZ-Gedenkstätte Mauthausen verantwortlich.

 

Nachruf Mauthausen Memorial - KZ Gedenkstätte Mauthausen: - link

 

"In der Nacht von 8. auf 9. Dezember 2011 ist Hans Maršálek, im Alter von 97 Jahren verstorben. Hans Maršálek war als Bindeglied zwischen der Lagergemeinschaft Mauthausen und dem Bundesministerium für Inneres maßgeblich für die Entwicklung der KZ-Gedenkstätte Mauthausen verantwortlich.

Er war nicht nur Überlebender und Chronist des KZ Mauthausen, sondern auch der Gründer des Museums und Archivs der KZ-Gedenkstätte Mauthausen. Alles, was heute in der KZ-Gedenkstätte passiert, basiert auf seiner Arbeit. Er legte den Grundstein für das, wofür wir heute arbeiten. Sein stetes Mahnen vor dem Faschismus, vor Nationalsozialismus, Rassismus und Rechtsextremismus ist bis heute richtungweisend für unsere Aufgabe hinsichtlich des Erinnerns und Gedenkens. Seine Arbeit ist außerdem die Basis für die neuen Entwicklungen an der KZ-Gedenkstätte, wie die Ausarbeitung der neuen Ausstellungen. Mit seiner Publikation zur Geschichte des Konzentrationslagers Mauthausen, das 1974 erstmals erschien, schuf er das Standardwerk, das bis zum heutigen Tag das wichtigste deutschsprachige Buch über das KZ Mauthausen darstellt.

Hofrat Dr. Hans Maršálek wurde am 19. Juli 1914 in Wien geboren. Seine Eltern, die Mutter Dienstmädchen, der Vater Maurer und später Baumeister, waren aus dem Böhmerwald nach Wien gezogen. Hans Maršálek besuchte die tschechische Schule in Wien und absolvierte danach eine Lehre als Schriftsetzer bei einer tschechischen Zeitung. Sein politisches Engagement begann schon früh, er war bei der „Sozialistischen Arbeiterjugend“ aktiv tätig, sowie auch von 1936 bis 1938 im Widerstand gegen den austrofaschistischen „Ständestaat“ für die „Rote Hilfe“, die vor allem Familien politisch Verfolgter unterstützte. Maršálek war selbst im Zuge einer politischen Agitation festgenommen und brutal verhört worden.

1938, nach dem „Anschluss“ Österreichs und seiner Einberufung zur Deutschen Wehrmacht, flüchtete er nach Prag. Maršálek wurde 1941 aufgrund illegaler politischer Tätigkeiten im kommunistischen Widerstand von der Gestapo verhaftet und nach Verhören im Pankrac-Gefängnis ins Gefängnis Rossauerlände überstellt, wo er fast 3 Monate im Keller des Gestapohauptquartiers am Wiener Morzinplatz festgehalten wurde.
Am 28. September 1942 wurde Hans Maršálek in das Konzentrationslager Mauthausen deportiert, wo er die Häftlingsnummer 13.129 erhielt. Er wurde zur Arbeit im Steinbruchkommando herangezogen, später im Holzfällerkommando, ab 1943 in der Lagerschreibstube und war schließlich ab Mai 1944 als zweiter Lagerschreiber eingesetzt. In seiner Funktion konnte er seinen Mithäftlingen helfen, indem er kranke und schwache Häftlinge anderen Kommandos zuteilte und sich aktiv am Widerstand innerhalb des Lagers beteiligte.
Vor allem im Zuge der Befreiung des Lagers im Mai 1945 konnte er als eine der maßgeblichen Personen des Illegalen Mauthausenkomitees bei der Erstversorgung und der Repatriierung der befreiten Häftlinge helfen. Unmittelbar nach der Befreiung trat Maršálek als wichtiger Zeitzeuge im zweiten Dachauer Prozess, dem sogenannten „Mauthausen Main Case“ auf.

Am 28. Mai 1945 kam Hans Maršálek nach Wien zurück, trat in den Polizeidienst ein und  wurde im Jahre 1963 vom Bundesministerium für Inneres damit betraut in der KZ-Gedenkstätte Mauthausen ein Museum einzurichten. Er engagierte sich vor allem bei diversen Überlebendenorganisationen. Er war Vorstandsmitglied der Österreichischen Lagergemeinschaft Mauthausen, die Vereinigung der österreichischen ehemaligen KZ-Häftlinge des KZ-Mauthausen deren Nachfolgeorganisation das Mauthausen Komitee Österreich ist, und Mitglied des Comité International de Mauthausen (auch Internationales Mauthausenkomitee), das seine Ursprünge in den illegalen Widerstandsorganisationen, die spätestens seit 1944 im KZ-Mauthausen tätig waren hat.

Am 24. November 2009 wurde Hofrat Hans Maršálek in Anerkennung seiner herausragenden Verdienste um die KZ-Gedenkstätte Mauthausen, um den Aufbau eines Archivs und um die wissenschaftliche und publizistische Aufarbeitung der Geschichte der Konzentrationslager Mauthausen und Gusen sowie für seinen Widerstand gegen das NS-Regime der Ehrendoktor der Sozial- und Wirtschaftswissenschaften der Johannes Kepler Universität Linz verliehen.

Für Hans Maršálek war die Arbeit an der KZ-Gedenkstätte ein aktives, politisches Statement für Frieden und eine Verpflichtung gegenüber der Gesellschaft. Ihm war besonders die Verknüpfung von der Vermittlung der Geschichte des KZ Mauthausen und dem Schaffen eines politischen Bewusstseins vor allem bei Jugendlichen ein großes Anliegen.

„Nie, nie wollen wir wieder Waffen tragen, nie, nie wollen wir wieder Krieg“

Diese Prämisse war für Hans Maršálek wohl der größte Antrieb für seine Arbeit. Und auch als er bereits im Ruhestand war, blieb er der KZ-Gedenkstätte trotzdem verbunden. Er war immer bereit MitarbeiterInnen und ForscherInnen bei bestimmten wissenschaftlichen Fragen zu helfen und ihnen Auskunft zu geben. Es war ihm besonders wichtig, jungen Leuten sein Wissen zu vermitteln. Dabei freute er sich stets über das Interesse und Fragen zu seinen Erfahrungen und hat diese auch gerne und ausführlich beantwortet. Seine Erinnerungen waren bis zum Schluss sehr präsent, obwohl es Erinnerungen waren, die sehr schmerzlich waren und die man nicht gänzlich verarbeiten kann. Trotzdem hat er immer ohne Hass gesprochen und darauf hingewiesen, wie wichtig die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit ist, damit der Appell „Niemals wieder!“ zu keiner hohlen Phrase wird.

Wir danken Hans Maršálek für sein Lebenswerk, sein unermüdliches Engagement, seine Standfestigkeit und seine Unterstützung!

Wir trauern um Hans Maršálek!
Unser Mitgefühl gilt seiner Familie, vor allem seiner Frau Hilda."