Andreas Peham/ Elke Rajal: Erziehung wozu? Holocaust und Rechtsextremismus in der Schule
"Zusammengefasst wären die vordringlichsten Ziele einer Erziehung nach Auschwitz oder zur Mündigkeit:
- Selbstreflexion und Kommunikation: Förderung der Fähigkeit, „eigene Gefühle wahrzunehmen und sich mit anderen darüber auszutauschen"
- Empathie und Rollendistanz durch Erlernen des Wechsels der Perspektive
- Stärkung der Individualität und damit der Fähigkeit, nicht mitzumachen oder „Nein" zu sagen statt der Überhöhung von Gemeinschaftsgefühl oder -geist
- Vermittlung von alternativen Männlichkeitsvorstellungen jenseitsdes Hartseins, Ertragenkönnens und der Stärke
- Entbarbarisierung: Verinnerlichung der Gewaltfreiheit und Ableh¬nung von Gewalt (ohne dabei Aggressionen und die Gewalt als notwendiges Übel in bestimmten historischen Situationen zu leugnen)
Eine derartige Erziehung brauchte neben politischer und finanzieller Absicherung als Bedingung jedoch einen gesellschaftlichen Grundkonsens, wonach die Schulen keine autoritären Anstalten mehr sein sollen, die Sekundärtugenden wie Gehorsam, Fleiß und Sauberkeit, sondern universelle Werte wie soziales Verantwortungsgefühl, Willen und Fähigkeit zur Selbstorganisation, demokratische Streitkultur und kritische Urteilsfähigkeit zu vermit¬teln haben. Dem hier häufig einsetzenden konservativen Lamento über den Verfall traditioneller Werte gerade in der Erziehung kann immer noch mit Habermas entgegengehalten werden: „Die Banalität des Bösen ist der Schatten, der den guten Taten einer traditionsgebundenen Moral in einer nicht mehr traditionalen Gesellschaft auf dem Fuße folgt."
Andreas Peham/Elke Rajal: Erziehung wozu? Holocaust und Rechtsextremismus in der Schule. In: Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (Hg.): Jahrbuch 2010. Schwerpunkt: Vermittlungsarbeit mit Jugendlichen und Erwachsenen. Wien 2010, S. 38 - 65, hier S. 64/65. - link