Seminarbibliothek 3. Zentrales Seminar "Gedenkstätten - Gedächtnisorte: Lernorte?"
GEDENKSTÄTTEN - GEDÄCHTNISORTE: LERNORTE?
"Uns halten sie fest, die Gespenster, mein ich. Wir erwarten, dass Ungelöstes gelöst wird, wenn man nur beharrlich festhält an dem, was übrig blieb, der Ort Auschwitz, die Steine, die Asche. Nicht die Toten ehren wir mit diesen Stätten, wir bauen diese Stätten auf, weil wir sie irgendwie brauchen, wohl weil sie unser Unbehagen erst beschwören, dann beschwichtigen sollen. Der ungelöste Knoten, zu dem so ein verletztes Tabu wie Massenmord, Kindermord im Lauf der Zeit wird, verwandelt sich zum unerlösten Gespenst, dem wir eine Art Heimat gewähren, wo es spuken darf." (Von Gertrud Hardtmann zitiert nach: eine Jüdin, die als 16jährige Auschwitz überlebte, in ihrer - 1991 - unveröffentlichten Autobiographie.)
Daran anschließend Gertrud Hardtmann:
"Das Gespenst scheint mir zu sein, dass die Gedenkstätten suggerieren, dass der reale Ort "Auschwitz" der Ort sei, wo die Shoah stattgefunden hat; während sie sich in Wahrheit an dem moralischen Ort "Auschwitz" ereignet hat, einem Ort, der von den unzähligen Menschen bevölkert war, die den Massenmord ermöglicht und intellektuell, physisch und emotional unterstützt haben.
Indem wir den realen Ort zur Gedenkstätte machen, laufen wir Gefahr, dass wahrhaft Gespenstische aus den Augen zu verlieren, das darin besteht, dass Auschwitz, wollte man seiner an diesem moralischen Ort gedenken, sich alltäglich auf der Straße und in allen Schichten der Bevölkerung findet. Wer kann mithin sicher sein, dass dieses Gespenst sich nicht in ihm selbst eingenistet hat oder einnisten könnte, insbesondere so lange nicht klar ist, auf welchem Boden es wächst und gedeiht? Wer kann den Kindern die Gewissheit geben, dass sie nicht auch diesen Boden in sich tragen, auf dem dieses Gespenstische bei den Eltern - den Pfarrers-, Lehrer- und Richterkindern - wachsen und - mitunter bis ans Lebensende unbereut - gedeihen konnte?"
Gertrud Hardtmann: Außenwelt - Innenwelt. Erfahrungen mit einer Selbsthilfegruppe der zweiten Generation. Die Kinder der Täter. In: K. Brendler, G. Rexilius: Beiträge zum internationalen Forschungskolloquium Lernen und Pseudo-Lernen in der Aufarbeitung des Holocaust. Wuppertal 1991, S. 90-101
Ruth Klüger:
"Es liegt dieser Museumskultur ein tiefer Aberglaube zugrunde, nämlich dass die Gespenster gerade dort zu fassen seien, wo sie als Lebende aufhörten zu sein. Oder vielmehr kein tiefer, sondern eher ein seichter Aberglaube, wie ihn auch die Grusel- und Gespensterhäuser in aller Welt vermitteln. Ein Besucher, der hier steht und ergriffen ist, und wäre er auch nur ergriffen von einem solchen Gruseln, wird sich dennoch als ein besserer Mensch vorkommen. Wer fragt nach der Qualität der Empfindungen, wo man stolz ist, überhaupt zu empfinden? Ich meine, verleiten diese renovierten Überbleibsel alter Schrecken nicht zur Sentimentalität, das heißt, führen sie nicht weg vom Gegenstand, auf den sie die Aufmerksamkeit nur scheinbar gelenkt haben, und hin zur Selbstbespiegelung der Gefühle."
Ruth Klüger: Weiter leben. Eine Jugend,
München 1994, S. 76
ZUR EINFÜHRUNG (Ernst Hanisch):
Jens Jessen: Was macht Hitler so unwiderstehlich?
Die Nazizeit wird zum Stoff für die Unterhaltungsindustrie und zum politischen Spielmaterial - Folge eines kollektiven Versäumnisses.
Erschienen in: Die Zeit (Hamburg) 40/2004
- link http://www.zeit.de/2004/40/01_leit_1_40
- download
Erinnern in Gedenkstätten
Publikation der Abt. f. Politische Bildung, bm:bwk - link
Inhalt:
- Johannes Riedl, Eröffnungrede Tagung ZeitzeugInnen 1997
- Florian Freund: "Der Betrieb... kann mit Häftlingen durchgeführt weren". Die Raketenrüstung und das KZ Ebensee"
- Wolfgang Quatember: Die Geschichte der KZ-Gedenkstätte Ebensee
- Gottfried Kößler: Friedhof oder Lernort. Chancen und Grenzen der Gedenkstättenpädagogik
- Annegret Ehmann: Pädagogik des Gedenkens
- Volkhard Knigge: Tatort - Leidensort - Friedhof - Gedenkstätte - Museum. Notizen für eine Gedenkstättenarbeit der Zukunft
PÄDAGOGIK
Peter Gstettner: Orte mit historischer Belastung
Zu einigen Schwierigkeiten der Gedenkarbeit an Tat-Orten. - link
Peter Gstettner: Bevor die Glut verlöscht
Die Erinnerungsarbeit an NS-Tatorten als ein politisches Lernprojekt. - link
Peter Gstettner: Politik mit der Erinnerung
Über die geteilte, zerteilte Erinnerung in Österreich. - link
Peter Gstettner: Aufsätze zu Gedenkstättenpädagogik und Erinnerungspolitik
(Literaturhinweise) - link
Susanne Popp: Der Gedenkstättenbesuch
Zu historisch-politischem Lernen in Gedenkstätten, auch zu möglichen Methoden zur Gestaltung von Besuchen an Gedenkstätten für Opfer des Nationalsozialismus. In: sowi-online-Methodenlexikon. - link
Susanne Popp: Geschichtsdidaktische Überlegungen zum Gedenkstättenbesuch mit Schulklassen
Enthält auch:
Reinhard Krammer: Anmerkungen zu einer Didaktik des Erinnerns in Österreich
Aus: Historische Sozialkunde 4/2003 - link
Peter Reif-Spirek: Rechtsextremismus, Geschichtsrevisionismus und Gedenkstättenpädagogik. Einige Überlegungen. Veröffentlicht in: W. Benz, P. Reif-Spirek (Hg.): Geschichtsmythen. Legenden über den Nationalsozialismus, Berlin 2003
(Text auf der Gedenkstättenseite - Jugendarbeit - des Landes Niedersachsen) - link
Anita Farkas: Geschlechtsspezifische Aspekte in der Erinnerungsarbeit
Referat Steyr 12.12.2004 - link
Peter Koch: Am Orte des Verbrechens die Menschenrechte würdigen.
Über die Bedeutung von Gedenkstättenbesuchen. Interview Tagesschau.de, 31. 5.2005 - link
GEDÄCHTNISORTE
Heidemarie Uhl: Gedächtnisorte für die Opfer des NS-Regimes - Orte des Gedenkens, Orte der Reflexion über das Erinnern. Aus: Historische Sozialkunde 4/2003 - link
MAUTHAUSEN
Gerhard Botz, Daniela Ellmauer, Alexander Prenninger: Mauthausen als Erinnerungsort:
Probleme der "Authentizität" und des österreichischen "Kollektiven Gedächtnisses" - link
Bertrand Perz: Die Rolle der KZ-Gedenkstätte Mauthausen in der österreichischen Gedächtnislandschaft seit 1945. Aus: Historische Sozialkunde 4/2003 - link
Florian Freund: Der Dachauer Mauthausenprozess. Von: DÖW - Dokumente, Materialien - link
Florian Freund: Tötungen durch Giftgas in Mauthausen und Gusen. Von: DÖW - Dokumente, Materialien - link
Brigitte Bailer-Galanda / Wilhelm Lasek / Heribert Schiedel: "Revisionismus" und das Konzentrationslager Mauthausen. Zur Genese und Aktualität des "Revisionismus". Auf: DÖW - Dokumente, Materialien - link
HARTHEIM
Hartmut Reese, Brigitte Kepplinger: Gedenken in Hartheim: Die neue Gedenkstätte.
Aus: Wert des Lebens. Gedenken - lernen - begreifen. Linz 2003 - link
FILM
Wim Wenders: Tja, dann wollen wir mal - link
Warum darf man Hitler in "Der Untergang" nicht sterben sehen? Kritische Anmerkungen zu einem Film ohne Haltung. Aus "Die Zeit", Nr. 44 v. 21. Oktober 2004, S. 49 - link
Hanno Loewy: The Mother of all Holocaust Films? Wanda Jakubowska Auschwitz trilogy.
Zu den Filmen Ostatni Etap (The Last Stop, 1948), Koniec naszego swiata (The End of Our World, 1964) und Zaproszenie (Invitation, 1985) der polnischen Regisseurin Wanda Jakubowska. Erschienen in: Historical Journal of Film, Radio and Television, vol. 24, no. 2, 2004. - link
Hanno Loewy: Fiktion und Mimesis. Holocaust und Genre im Film.
Komödie und Tragödie, Romanze und Satire als Erzählkategorien für Holocaust-Filme. Erschienen in: Margit Frölich, Hanno Loewy, Heinz Steinert (Hg.): Lachen über Hitler - Auschwitz-Gelächter? München: edition text und kritik, 2003, S. 37-64 - link
Benjamin Rosendahl: Holocaust-Komödien - Gefahr oder Chance? - link
"Zeugnisse des Scheiterns" - Thomas Tode über KZ-Dokumentarfilme.
Aus: Der Standard, 22. Jänner 2005, Album - link
Zu viel "Geschichtspornographie" in den Medien?
"Die Welt" über Geschichtsbilder und Medien, u.a. über die Dokus von Guido Knopp (anlässlich des dt. Historikertags 2006) - link
"Im Bann der Bilder"
Die NZZ über die Auseinandersetzung mit der Generierung und Distribution von Geschichtsbildern durch Medien am dt. Historikertag 2006 - link
VERDRÄNGUNG UND WIEDERKEHR
Arin Sharif-Nassab: Anmerkungen zu Verdrängung und Wiederkehr
Die Textausschnitte sind dem Buch „Überlebensgeschichten" von Arin Sharif-Nassab entnommen, das im Februar 2005 in der Reihe: Psychoanalytische Sozialforschung (Hrsg.- Karl Fallend) im Innsbrucker Studienverlag erscheint. Das Buch wird anhand dreier Biographien von Verfolgungsopfern zeigen, dass ein über Jahrzehnte aufrechterhaltenes Schweigen sowohl der Betroffenen als auch des sie umgebenden sozialen Feldes auf konstante Verdrängungstendenzen zurückzuführen ist. Ziel dieser Mauer des Schweigens war und ist die Meidung extrem belastender Erinnerungen (Traumata). - link