Akte-Grüninger. Geschichte eines Grenzgängers

Ausführliche Lernmaterialien zum Film über den Schweizer Grenzoffizier, der zum Retter jüdischer Flüchtlinge wurde. Vor zwei Jahrzehnten wurde der zu Lebzeiten Geächtete politisch rehabilitiert. Im August 2014 ringt sich auch die St. Galler Kantonspolizei zu diesem Schritt durch.

 

August 1938: Die Schweiz schließt ihre Grenzen für jüdische Flüchtlinge. Doch weiterhin gelangen Hunderte von Menschen ohne gültiges Visum über die Grenze. Zur Überprüfung der illegalen Grenzübertritte wird vom Chef der eidgenössischen Fremdenpolizei, Heinrich Rothmund (Robert Hunger-Bühler), eine Untersuchung eingeleitet. Polizeiinspektor Robert Frei (Max Simonischek), ein junger, ehrgeiziger und obrigkeitsgläubiger Beamter, wird in den Kanton St. Gallen beordert. Dort kommt er einem Hilfssystem auf die Schliche, das vom St. Galler Polizeihauptmann Paul Grüninger (Stefan Kurt) ermöglicht wird.

Im Laufe der Ermittlungen erhärtet sich der Verdacht von Frei, dass Grüninger Flüchtlinge ohne gültige Visa hereinlässt, auch Dokumente fälscht und Flüchtlinge illegal über die Grenze bringt. ...Soll er seinen Vorgesetzten seinen Bericht vorlegen? Oder Paul Grüninger decken? (Aus der Film-Information)

 

Offizielle Film-Webseite (mit Materialien!): - link

Liste der Kinos in Vorarlberg, die Schüleraufführungen anbieten (mit Kontaktadresse): - download

 

Das Jüdische Museum Hohenems lädt dazu ein, die Themen des Films in der Dauerausstellung oder auch direkt vor Ort bei einem Spaziergang zur Schweizer Grenze zu vertiefen. Anhand ausgewählter Lebensgeschichten werden Flucht und Fluchthilfe damals greifbar – und verweisen gleichzeitig auf die aktuelle Brisanz dieses Themas in unserer Gesellschaft.

 

Vermittlungsprogramm des Jüdischen Museums Hohenems zum Film: - download

Presse-Heft: - download

 

Materialien

ERINNERN:AT und das Jüdische Museum Hohenems haben eine Reihe von Lernmaterialien erstellt, die Sie zur Thematik direkt im Unterricht einsetzen können

Der St. Galler Polizeikommandant Paul Grüninger(1891-1972) folgte 1938 der Stimme seines Gewissens. Er missachtete die Weisungen der vorgesetzten Behörden und schützte die Flüchtlinge.  Zumindest einigen hundert Menschen - nach anderen Angaben bis zu 3000 Menschen - rettete er so das Leben.

1939 fristlos entlassen, wurde er 1940 auch gerichtlich verurteilt. Er starb 1972, erst 1995 wurde das Urteil aufgehoben.

Heute tragen ein Fußballstadion in St. Gallen (Stadion des FC Brühl) in der Schweiz und auch eine Schule in Wien sowie Straßen und Plätze seinen Namen. Die Brücke zwischen Hohenems und Diepoldsau wurde 2012 Paul Grüninger gewidmet. - link

  • Arbeitsmaterialien Paul Grüninger: - download
  • Fragen zu den Arbeitsmaterialien Paul Grüninger: - download
  • Stefan Keller: "Akte Grüninger". Der Flüchtlingshelfer und die Rückkehr der Beamten ( WOZ Nr. 04/2014, 23.01.2014): - link

 

Eine Flüchtlingsfamilie

Eine zentrale Szene im Film "Akte Grüninger" schildert die Flucht von Jakob und Ida Kreutner aus Wien mit ihrem kleinen Sohn Robert - und ihre Aufnahme durch den Schweizer Grenzpolizisten Alfons Eigenmann. In Wien von den Nazis schwer misshandelt, gelingt ihnen erst beim vierten Versuch die Überwindung der Grenze bei Hohenems. In der Schweiz leben sie mit unsicherem Aufenthaltsstatus, bis sie 1955 die Staatsbürgerschaft erhalten. Im Jüdischen Museum gibt es eine Videostation mit Ausschnitten aus einem Interview mit Jakob und Ida Kreutner.

  • Dazu im SRF die Dokumentation "Historischer Grenzort" (Aus "Schweiz aktuell" vom 04.05.2011) - link

 

Interview mit Jakob und Ida Kreutner (Zürich), Hansjürg Zumstein, Schweizer Fernsehen DRS 1977

"Ich bin mein eigener Teil"

Auch Heinz Müller kann mit seinen Eltern Tobias und Martha Müller aus Wien Ende 1938 über Hohenems nach Diepoldsau fliehen. Auch seine Familie wurde in der Schweiz nur zögerlich aufgenommen. In einem Audiointerview 2006 schildert er die Umstände seines Grenzübertritts und seine ersten Jahre als Flüchtling.

  • Audiointerview mit Heinz Müller: Das Flüchtlingslager - download
  • Arbeitsmaterialien zu Heinz Müller: - download
  • Fragen zu den Arbeitsmaterialien Heinz Müller: - download

 

Ein Schicksal an der Vorarlberger-Schweizer Grenze

Sophie Haber (1922 – 2012) wird in Krakau (Polen) geboren. Mit acht Jahren zieht sie mit ihrer Familie nach Wien. Wegen ihrer jüdischen Herkunft muss sie nach der nationalsozialistischen Machtergreifung im März 1938 um ihr Leben fürchten. Im Oktober 1938 flüchtet Sophie Haber in die Schweiz. Dort hieß die Parole allerdings: „Das Boot ist voll!“ In einem Abkommen mit Hitlerdeutschland erreichte die Schweiz Ende 1938, dass die Pässe von deutschen Juden mit einem „J“ versehen wurden. Sophie Haber hatte bei ihrer Flucht Glück: Sie traf auf den St. Gallener Polizeikommandanten Paul Grüninger. Sophie Habers Eltern hingegen wurden in Auschwitz ermordet. Nach Kriegsende kehrte Sophie Haber nach Österreich zurück. Bis zu ihrem Tod setzte sie sich für die Ehrung ihres Lebensretters Paul Grüninger ein.

Sophie Haber from ERINNERN:AT on Vimeo.

Geflohene Hohenemser Juden

Im Sommer 1938 fliehen Harry Weil und Ivan Landauer aus Hohenems in die Schweiz. Beide sind von Kindheit an befreundet, beide gehören zum geselligen Leben von Hohenems dazu, bevor sie 1938 um ihr Leben bangen müssen. Ivan Landauer hat bis 1938 das Gasthaus "Frohe Aussicht" geführt, Harry Weil hat als Kantor der Gemeinde die letzten Gottesdienste geführt und den Arbeitsgesangsverein "Nibelungenhort" gegründet. Harry Weils Bruder Louis wird im Sommer nach Dachau deportiert und ermordet. Harry und Ivan können sich gerade noch retten.

  • Arbeitsmaterialien zu Ivan Landauer und Harry Weil: - download
  • Fragen zu den Arbeitsmaterialien Ivan Landauer/Harry Weil: - download

       

      Eine Fluchthelferfamilie

      In der Nähe des Alten Rhein wohnte die Familie Frei. Michael Frei war Schweizer, lebte aber seit dem 1. Weltkrieg mit seiner aus Hohenems stammenden Frau Amalie in Hohenems. Während des Krieges half die Familie jüdischen Flüchtlingen über die Grenze und gewährte ihnen kurzfristig Unterschlupf. Ihre Tochter Hildegard, als Kind an der Fluchthilfe beteiligt, erzählt von diesen Jahren der Geheimnisse.

       

      Interview mit Hildegard Schinnerl (Hohenems), Ausschnitt aus Kurt Langbein: "Grenzfälle - erzählt von Robert Menasse", Langbein&Partner Media 2012

       

       

      • Arbeitsmaterialien zu Hildegard Schinnerl: - download
      • Fragen zu den Arbeitsmaterialien Schinnerl: - download

       

      Eine gescheiterte Flucht 1942

      1942 versucht der Diepoldsauer Fluchthelfer Jakob Spirig fünf alte Frauen aus Berlin über die Grenze von Hohenems in die Schweiz zu bringen. An der Aktion sind auch Fluchthelfer auf deutscher bzw. österreichischer Seite beteiligt, zum Beispiel Isabella Aberer vom Gasthaus Habsburg. Die Flucht misslingt, Spirig wird später in der Schweiz verhaftet und verurteilt. Vier der fünf Frauen werden auf Hohenemser Seite gefasst, eine von ihnen nimmt sich das Leben, die anderen werden deportiert und ermordet. Eine von ihnen ist Marie Winter, deren Briefe aus Berlin an ihre Tochter in Basel überliefert sind.

       

      Interview mit Jakob Spirig (Diepoldsau) 2002, Markus Barnay, ORF Vorarlberg 2002

       

      • Fragen zu den Arbeitsmaterialien Jakob Spirig/Isabella Aberer: - download

       

        • Arbeitsmaterialien zu Isabella Aberer: - download

         

          • Arbeitsmaterialien zu Marie Winter: - download
          • Fragen zu den Arbeitsmaterialien Marie Winter: - download

           

          • "Wir sind empört". Mit einem Brief an die Regierung in Bern protestierte 1942 eine Schweizer Schulklasse gegen die Asylpolitik ihres Landes, die Tausende jüdische Flüchtlinge den Deutschen auslieferte.

          Der Brief wurde aus eigenem Antrieb und ohne Wissen der Lehrer verfasst. Er war zwei Seiten lang und schloss mit der dringenden Bitte um "Aufnahme dieser ärmsten Heimatlosen" und grüßte "in Vaterländischer Verbundenheit". Eine Schülerin hatte den Text entworfen, einige hatten mitredigiert. 22 der 32 Mädchen der Klasse 2c unterschrieben. Niemand außerhalb der Klasse habe etwas davon gewusst, sagt Rosmarie de Lucca: Sie ist vermutlich die letzte Unterzeichnerin, die heute noch lebt. Man habe einfach etwas Mutiges machen wollen. Stefan Keller in DIE ZEIT Nr 05/2014 - link
          Brief der SchülerInnern aus Rorschach 1942 an die Schweizer Regierung, den Bundesrat: - download

          Das SRF-Wissen hat am 27.7.1994 den Film "Von der Schweiz nach Auschwitz" ausgestrahlt. Darin wird auch der "Fall der Rorschacher Schülerinnen" behandelt. - link

          Rorschacher Mädchen schreiben wegen der Flüchtlinge an die Schweizer Regierung, den Bundesrat:

           

          • Weiteres Unterrichtsmaterial zum Film (allerdings hauptsächliche Ausrichtung für Schweizer Schulen!): - link
            • Aus dem Lehr- und Lernmaterialz zu "Das Vermächtnis" ( - link): "... das war der letzte Tag, die letzte Minute, wo ich meine Eltern gesehen habe." - Flucht und Vertreibung (Irmgard Bibermann und Horst Schreiber) -  (für Oberstufe) - download

             

            Grundinformationen zur Vorarlberger-Schweizer Grenze 1938 - 1945:

            • Gernot Egger (Kiermayr) in "Von Herren und Menschen". Verfolgung und Widerstand in Vorarlberg 1933 - 1945 - link), S. 234-257: Ins Freie? Die vorarlbergisch-schweizerische Grenze. - download
            • Gerhard Wanner: Flüchtlinge und Grenzverhältnisse in Vorarlberg 1938 - 1944. Einreise- und Transitland Schweiz. Aus: Rheticus Vierteljahresschrift der Rheticus-Gesellschaft 1998, Heft 3/4, S. 227 - 271. - download

            Literaturliste zum Thema: - download

            Zusammenfassender Artikel von Stefan Keller zu Paul Grüninger (Die Zeit/ 17.8. 2008): - link

            Späte Genugtuung für Menschenretter Paul Grüninger. Vor zwei Jahrzehnten wurde der zu Lebzeiten geächtete Flüchtlingshelfer Paul Grüninger politisch rehabilitiert. Erst jetzt ringt sich auch die St. Galler Kantonspolizei zu diesem Schritt durch. (www.tagesanzeiger.ch, 15.8.2014) - link

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