Unterrichtseinheiten zu Widerstand und politischer Verfolgung im Kontext des Konzentrationslagers Auschwitz
Im Oktober 2021 wurde die neu gestaltete Österreich-Ausstellung an der Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau eröffnet. Diese zeigt die Geschichte Österreichs im Nationalsozialismus, das Schicksal der österreichischen Opfer im Lagerkomplex Auschwitz-Birkenau sowie die Involvierung von ÖsterreicherInnen als TäterInnen und HelferInnen an den dort begangenen Verbrechen. Um eine zielführende und planvolle Begleitung und Integration des Gedenkstätten- und Ausstellungsbesuchs in den Unterricht zu ermöglichen, entwickelte ERINNERN:AT ein Set an Unterrichtsmaterialien, das themenspezifische Anknüpfungspunkte an die Ausstellung bietet und die Exkursion an die Gedenkstätte in den Unterricht einbettet. Die Materialien entstanden in enger Zusammenarbeit mit den KuratorInnen der Ausstellung und in Kooperation mit dem Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus, der die Neugestaltung der Länderausstellung in Auschwitz organisiert hat und für deren Erhalt zuständig ist.
Gemeinsam mit dem Nationalfonds und der PH Wien bietet ERINNERN:AT im Oktober 2023 eine viertägige Studienfahrt an, bei der Lehrkräfte die Gedenkstätte und die Österreich-Ausstellung besuchen und sich ebenso mit den neuen Unterrichtmaterialien zur Vor- und Nachbereitung befassen: Alle Infos zur Studienfahrt
Kern der Unterrichtsmaterialien sind sieben Lernmodule mit themenspezifischen Anknüpfungspunkten zu den Fächern Geschichte und Politische Bildung, aber auch Deutsch, Religion, Bildnerische Erziehung und Musik ab der 10. Schulstufe. Die Lernmaterialien enthalten Lebensgeschichten, Bilder und Objekte, von denen die SchülerInnen einigen auch in der Ausstellung begegnen werden. Darüber hinaus können die Materialien auch unabhängig von einem Besuch der Gedenkstätte im Unterricht angewandt werden.
Die Module widmen sich den Themen Täterschaft, Genozid an den Romnja und Roma bzw. Sintize und Sinti, Antisemitismus und jüdische Häftlinge, Alltag und Überlebensstrategien der Gefangenen, Kunst und Musik im Konzentrationslager sowie Widerstand und politische Verfolgung. Wie letzteres Thema durch das entsprechende Modul des Materialsets im Unterricht behandelt wird, stellen wir im Folgenden vor. Alle Module und weitere Begleitmaterialien wie eine Handreichung für Lehrkräfte finden Sie hier.
Zum gesamten Materialset
Das Modul „Widerstand und politische Verfolgung“
Jedes Modul besteht aus zwei Unterrichtseinheiten, jeweils eine, die zur Vor- und eine die zur Nachbereitung eines Ausstellungs- und Gedenkstättenbesuchs zur Anwendung kommen kann. Da die einzelnen Module nicht aufeinander aufbauen, kann das Modul III „Widerstand und politische Verfolgung“ ebenso wie die anderen Module einzeln aber auch in Kombination mit weiteren Modulen genutzt werden. Jedes Lernmodul enthält neben ausführlichen Stundenbildern alle benötigten Texte und Bilder zum Ausdrucken. Ergänzend steht ein Glossar zur Verfügung, in dem die SchülerInnen Fachbegriffe der Arbeitstexte nachschlagen können.
Im Modul III „Widerstand und politische Verfolgung“ befassen sich die SchülerInnen mit vier konkreten Biografien. Anhand dieser lernen sie in der Vorbereitungseinheit Beispiele für widerständiges Handeln kennen und analysieren Beweggründe, Kontext und Handlungsspielräume. Die vier Beispiele stammen aus dem konservativen Widerstand, dem Widerstand von Kommunistinnen und Kommunisten, dem Widerstand durch RetterInnen sowie dem Widerstand im Konzentrationslager selbst.
Vorgestellt werden …
- … die damals in Vorarlberg lebende gläubige Katholikin Maria Stromberger, die als Krankenschwester in Auschwitz Kontakt zur Widerstandsgruppe „Kampfgruppe Auschwitz“ aufnahm, Medikamente organisierte und Kurierdienste unternahm,
- … der in zionistisch-sozialistischen Jugendorganisationen tätige Aron Menczer, der als Leiter der Jugend-Alijah in Wien für die Auswanderung und damit Rettung hunderter Jugendlicher verantwortlich war,
- … die in Wien lebende Antifaschistin Ella Lingens, die Fluchthilfe und Verstecke für Jüdinnen und Juden organisierte, sowie
- … der Kommunist Josef Meisel, der nach seinen Erfahrungen bei den Internationalen Brigaden für die Spanische Republik in Wien unter anderem eine geheime Druckerei für kleine Streuzettel aufbaute und sich dem geheimen Lagerwiderstand in Auschwitz anschloss.
Unterstützt durch ein Arbeitsblatt werden in der Vorbereitung Beweggründe der vorgestellten widerständigen Personen bzw. Gruppen besprochen, Handlungsspielräume und die Bedeutung bzw. Auswirkungen des Handelns diskutiert. Auch das System der NS-Verbrechen und des KZ Auschwitz-Birkenau wird auf Grundlage der Biografien thematisiert. In der Nachbereitungseinheit beschäftigen sich die SchülerInnen ausgehend von Kategorien widerständigen Handelns mit Texten und Zeichen im öffentlichen Raum, durch die das heutige Gedenken an die vorgestellten Personen besprochen wird.
Für ein vertiefendes Arbeiten steht außerdem ein Factsheet zur „Kampfgruppe Auschwitz“ für die Vorbereitung einer Studienfahrt zur Verfügung. Dies auch mir methodischen Vorschlägen. Darin wird unter anderem auf eine Beschreibung eines Originalobjekts Bezug genommen, das die SchülerInnen in der österreichischen Länderausstellung sehen werden – eine ausgehöhlte Kleiderbürste, der „Kampfgruppe Auschwitz“.
„Ausgehöhlte Kleiderbürste der ‚Kampfgruppe Auschwitz‘ zum Schmuggeln von Nachrichten, verwendet ca. 1942–1944. Die internationale ‚Kampfgruppe Auschwitz‘ war zunächst ein Zusammenschluss des österreichischen und polnischen Lagerwiderstands. Hermann Langbein, Ernst Burger, Rudolf Friemel, Ludwig Vesely, Alfred Klahr, Heinrich Dürmayer sowie andere Österreicher und Österreicherinnen übernahmen wichtige Funktionen. In der Kleiderbürste versteckte Langbein Aufzeichnungen über die Zustände im Lager. Maria Stromberger schmuggelte sie zu Langbeins Bruder nach Wien. Dies war einer von vielen Versuchen des Lagerwiderstands, die Weltöffentlichkeit über Auschwitz zu informieren und zu einem Eingreifen zu bewegen.“
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- Widerstand