Film und Gespräch zum Internationalen Gedenktag an den Roma und Sinti Genozid: „Wankostättn – Die Geschichte des Karl Stojka“
Der Dokumentarfilm „Wankostättn – Die Geschichte des Karl Stojka“ basiert auf Interviews, die die Regisseurin Karin Berger 1997 mit Karl Stojka geführt hat. Als zwölfjähriges Kind wurde er 1943 mit seinen fünf Geschwistern in das KZ Auschwitz-Birkenau deportiert. Er hat überlebt, so wie seine jüngere Schwester Ceija Stojka, die Karin Berger schon früher in zwei berührenden Filmen porträtiert hat.
Im Gehen erzählt Karl Stojka von seiner Kindheit auf der „Wankostättn“ in Wien, wo sich bis 1941 ein großer Lagerplatz der Roma, Romnja, Sinti und Sintizze befand. Auf schwarzweißen Fotos, die von den Nationalsozialisten zur Erfassung gemacht wurden, sind die Lagerwiese, die Pferdewägen, vor allem Kinder und Frauen zu sehen. Durch die erzählten Erinnerungen werden die im Film nur kurz gezeigten Bilder der „Wankostättn“ in ein starkes, eigenes Erinnerungs-Bild von Karl Stojka übersetzt.
Die Veranstaltung am 1. August 2024 im metrokino Bregenz begann mit einem Grußwort von Judith Reichart, Leiterin der Abteilung Kulturservice und Veranstaltungen, Stadt Bregenz.
Der Historiker Severin Holzknecht führte anschließend ins Thema ein. Sein 2021 vorgelegtes Buch „Verhasst, Verfolgt, Vernichtet. Die Roma und Sinti im Bodenseeraum im 20. Jahrhundert“ behandelt das Leben und die Schicksale der Roma, Romnja, Sinti und Sintizze in Vorarlberg, der Nordostschweiz und Oberschwaben mit Schwerpunkt auf die Zwischenkriegszeit. Seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts nahm die gesetzliche und gesellschaftliche Ausgrenzung und Diskriminierung der Roma und Sinti zu, bis sie im Genozid der Nationalsozialisten ihren Höhepunkt fand.
Nach dem 37-minütigen Film diskutierten Johannes Spies (ERINNERN:AT Vorarlberg), Severin Holzknecht (Historiker) und Patrick Siegele (OeAD ERINNERN:AT) über Fragen zum Film, über regionalhistorische Aspekte zur Verfolgung und Ermordung der Roma, Romnja, Sinti und Sintizze, über die Erinnerung daran und die Situation der Roma in Österreich heute.
In der Diskussion ging es um die Herausforderungen in der geschichtswissenschaftlichen Forschung zur Geschichte der Roma und Sinti, speziell zum Genozid in der NS-Zeit. Severin Holzknecht beschreibt, wie auch er erst sehr spät dazu gekommen ist, dass die Forschung sehr lange nur lückenhaft erfolgte und aufgrund der teils schwierigen Quellenlage bis heute herausfordernd bleibt. Allein die Frage der genauen Zahl der Opfer des Genozids in der NS-Zeit ist nur sehr schwierig zu beantworten. Patrick Siegele berichtete von den Anstrengungen von ERINNERN:AT, das Thema stärker im Unterricht zu verankern.
Das OeAD-Programm entwickelt etwa Lernmaterialien und führt Fortbildungen zum Thema durch. Die wenigen, aber zum Glück doch vorhandenen ZeitzeugInnen-Interviews mit Überlebenden des Genozids spielen dabei eine wichtige Rolle. ERINNERN:AT arbeitet mit den vielfältigen Selbstorganisationen der Roma und Sinti in Österreich zusammen, um ihnen eine Stimme zu geben und ihre Anliegen in der Bildungsarbeit zu berücksichtigen und zu stärken.
In der Diskussion waren sich die Sprecher einig, dass Antiziganismus – also der Rassismus gegen Roma und Sinti – kein Phänomen der Vergangenheit, sondern bis in die Gegenwart virulent ist. Empirische Befunde zeigen, dass Vorurteile und Stereotype in der Bevölkerung weit verbreitet sind und dass es daher umso wichtiger ist, Bildungs- und Aufklärungsarbeit zu leisten. Auch die Fragen der BesucherInnen der Veranstaltung kreisten vor allem um die Frage, wie die Integration der und das Zusammenleben mit der Minderheit gelingen kann. Dabei war den Diskutanten wichtig, immer wieder zu betonen, dass der Großteil der in Österreich lebendenden Roma sesshaft ist, ihre Kinder Schulen und Universitäten besuchen und Roma/Romnja in Berufen sind wie alle Österreicherinnen und Österreicher auch.