Vortrag: Oswald Menghin. Die zwei Leben eines österreichischen Nationalsozialisten im Spannungsfeld von Politik und Wissenschaft

Der Vortrag zeigt am Beispiel Menghins und der ihn umgebenden Netzwerke auf, wie Wissenschaft und Politik in Österreich in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts miteinander verflochten waren und wie diese Netzwerke sowie die damit verbundene Weltanschauung die vermeintlichen Zäsuren dieser Periode überstanden und im Südamerika der Nachkriegszeit ihre Fortsetzung fanden.
Wann

15.05.2023 von 16:00 bis 17:30 (Europe/Vienna / UTC200)

Bundesland

Salzburg

Wo

Salzburg, Theologische Fakultät, HS 103

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1948 wurde Oswald Menghin (1888 – 1973) – seines Zeichens ehemaliger Rektor der Universität Wien – zum Professor an der Universität Buenos Aires ernannt. Dieses Ereignis allein würde wohl kein allzu großes historisches Interesse hervorrufen, wäre Menghin zu diesem Zeitpunkt nicht eine der meistgesuchten Personen Österreichs gewesen. Da er nach dem „Anschluss“ 1938 als Unterrichtsminister der nationalsozialistischen Regierung an der „Säuberung“ der österreichischen Universitäten von „rassischen“ und politischen „Gegner*innen“ der Nationalsozialist*innen beteiligt gewesen war, fand sich sein Name auf der sogenannten 1. Kriegsverbrecherliste. Infolgedessen wurde er im Mai 1945 festgenommen und anschließend von der US-Armee interniert. 1948 gelang Menghin die Flucht nach Südamerika, wo er eine zweite Karriere als Prähistoriker beginnen konnte. Als einer der einflussreichsten österreichischen Prähistoriker der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, stieg er in der Nachkriegszeit zu einem der führenden Wissenschaftler in seinem Forschungsfeld in Südamerika auf.

Der Vortrag zeigt am Beispiel Menghins und der ihn umgebenden Netzwerke auf, wie Wissenschaft und Politik in Österreich in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts miteinander verflochten waren und wie diese Netzwerke sowie die damit verbundene Weltanschauung die vermeintlichen Zäsuren dieser Periode überstanden und im Südamerika der Nachkriegszeit ihre Fortsetzung fanden. Da Menghin eine erstaunliche Anzahl politischer Umbrüche und Systemwechsel – immer wieder auch in exponierter Position – aktiv miterlebte, kann seine Biografie als paradigmatisch für das Zeitalter der Extreme gelten.

 

Mag. Dr. Robert Obermair ist ein Salzburger Zeithistoriker und Public Historian, der an verschiedenen nationalen und internationalen Forschungsprojekten mit Fokus auf die Zeit des Nationalsozialismus und deren Aufarbeitung beteiligt war und ist. Derzeit arbeitet er als wissenschaftlicher Mitarbeiter für Zeitgeschichte an der Universität Salzburg und für „erinnern.at“, dem vom OeAD durchgeführten Programm zum Lehren und Lernen über Nationalsozialismus und Holocaust. Die dem Vortrag zugrunde liegende Dissertationsschrift wurde 2022 mit dem Dissertationspreis des Rotary Clubs Salzburg Nord und des Vereins Forschungsforum an der Universität Salzburg ausgezeichnet.