Antisemitische Übergriffe in Graz
Seit längerer Zeit schon warnen der Präsident der Grazer Jüdischen Gemeinde sowie Gemeindemitglieder vor der steten Zunahme des Antisemitismus in Graz und der Steiermark und fordern die Politik ebenso die Gesellschaft dazu auf, es beim Kampf gegen den Antisemitismus nicht nur bei verbalen Lippenbekenntnissen zu belassen, sondern auch aktiv zu handeln. Ein erstes Ergebnis dieser Bemühungen war eine Erklärung des Grazer Gemeinderates gegen Antisemitismus und BDS im November 2019.
Zumeist tritt der Antisemitismus in Graz und Österreich als Verbalantisemitismus in Erscheinung und wird dadurch nicht selten auch verharmlost. Doch letzte Woche wurde eine weitere Grenze überschritten und am Mittwoch (19.9.2020) und Freitag (21.8.2020) wurden die Grazer Synagoge und das Amtshaus durch Vandalen-Akte beschmiert und beschädigt. Am Samstag (22.8.2020) schließlich wurde der Präsident der Grazer jüdischen Gemeinde, Elie Rosen, vor der Synagoge von einem Täter mit einem Holzprügel attackiert. (Standard-Artikel: - Link)
Mittlerweile konnte ein Verdächtiger von der Polizei gefasst werden. Doch dieser Angriff ist einer neuer Höhepunkt antisemitischer Gewalt in Graz und der Steiermark und lässt die Frage aufkommen, wie weit verbreitet ist der Antisemitismus in unserer Gesellschaft und wie wirksam sind die Bemühungen im Kampf gegen den Antisemitismus in der Politik und nicht zuletzt im Bildungswesen tatsächlich? Was muss unternommen werden, um effektiv gegen den Antisemitismus und antisemitische Gewalt, ob verbal der tätlich, anzukämpfen? Sind unsere bisherigen Konzepte die richtigen?
Mahnwache und Solidaritätsdemo der Zivilgesellschaft
Eine erste Antwort lieferte letztlich die Zivilgesellschaft. Spontan versammelten sich bei strömenden Regen Menschen Samstagnacht vor der Synagoge und hielten eine Mahnwache ab. Am darauffolgenden Tag nahmen hunderte Grazerinnen und Grazer an einer von den Jüdischen österreichischen HochschülerInnen organsierten Solidaritätskundgebung „Kein Fußbreit dem Antisemitismus – in Graz, Österreich und überall!!!“ teil. Und auch die Politik in Stadt, Land und Bund sowie zahlreiche VertreterInnen aller Religionsgemeinschaften verurteilten diese Angriffe. (orf.at-Bericht: - Link)
Diesen öffentlichen Bekundungen der Solidarität mit der Jüdischen Gemeinde und dem breiten Bekenntnis zum Kampf gegen den Antisemitismus stehen jedoch obskure Debatten der Relativierung der Angriffe und des Antisemitismus sowohl von linken als auch rechten AktivistInnen in den Sozialen Medien gegenüber. Debatten, die letztlich die Diskrepanz zwischen dem öffentlichen und politischen Sprechen auf der einen Seite und weit verbreitenden antisemitischen Diskursen in unserer Gesellschaft auf der anderen zeigen. Hier gilt es letztlich anzusetzen, um den Kampf gegen Antisemitismus und Rassismus und für eine offene, heterogene, liberale und demokratische Gesellschaft voranzubringen.
Internationale Solidarität und Verurteilung
Auch international sorgen die Grazer Vorfälle für Aufsehen. Zahlreiche internationale und jüdische Zeitungen berichten über die Vorfälle. Der Hohe Repräsentant der Allianz der Zivilisationen der Vereinten Nationen (UNAOC), Miguel Moratinos, verurteilte die Angriffe entschieden und sicherte der Jüdischen Gemeinde in Graz seine Solidarität. Moratinos verwies weiters, auf den Aktionsplan der Vereinten Nationen zum Schutz von religiösen Einrichtungen, dieser bietet Nationalstaaten einen Rahmen religiöse Statten sowie Gläubige zu schützen und fördere religiösen Pluralismus, so der Diplomat. Alle Formen von Gewalt gegen religiöse Stätten und Gottesdienstbesucher, unabhängig von ihrem Glauben und ihren Überzeugungen, seien nicht zu rechtfertigen, so der UN-Vertreter.
Prävention von Antisemitismus durch Bildung
Die antisemitismuskritische Bildungsarbeit ist ein Schwerpunkt der Arbeit von _erinnern.at_ im Jahr 2020. Im Herbst präsentieren wir neue Lernmaterialien, Empfehlungen und Hilfestellungen für den Unterricht. Mehr zum Schwerpunkt: - Link
Das Lernmaterial "Fluchtpunkte. Bewegte Lebensgeschichten zwischen Europa und Nahost" thematisiert die Verflechtung der Geschichte Europas mit der des Nahen Osten. Anhand von sieben Lebensgeschichten werden die Themen Antisemitismus, Rassismus, Flucht und Migration, Holocaust und Nahostkonflikt behandelt: - Link
Links
Lernmaterial zu Antisemitismus in der Migrationsgesellschaft: - Link
Bericht über einen antisemitischen Übergriff auf einen Grazer Schüler: - Link
UN-Aktionsplan zum Schutz religiöser Einrichtungen: - Link