Heroisierung des musikalischen Nazipropagandisten Josef Eduard Ploner aus Tirol
Prof. Dr. Manfred Schneider hat als Nr. 74 der Reihe „Klingende Kostbarkeiten aus Tirol“ (historics 5) eine CD-Produktion seines vom Land Tirol geförderten privaten Instituts für Tiroler Musikforschung vorgelegt, die Musik von Josef Eduard Ploner (1894-1955) enthält und sich aus historischen Aufnahmen aus dem Archiv des ORF Tirol speist.
„Josef Eduard Ploner war ein geradliniger Mensch, der auch den Konflikt nicht scheute, wenn es um die gute Sache ging. Sein Charakter war der eines klassischen idealtypischen Tirolers. (…) Die groß angelegte Kantate Das Land im Gebirge op. 109 (...) ist musikalisch in allen Teilen ein beeindruckendes und zutiefst engagiertes Werk, dessen Textgehalt jedoch allzu sehr seiner damaligen Zeit verpflichtet ist und der heutigen Realität nicht mehr gerecht werden kann“, so präsentiert Dr. Schneider in seinem 20-seitigen Booklet eine der Schlüsselfiguren im NS-Musikleben Tirols, der sich als „Haus- und Hofkomponist“ von Gauleiter Franz Hofer und als NS-Propagandist betätigte. Dass Ploner gemeinsam mit Gauleiter Hofer ein Gauliederbuch herausgegeben hat, das Parteigesänge und antisemitische Lieder beinhaltet, wird ebenso verschwiegen wie der Umstand, dass die obengenannte Kantate Hofer gewidmet war.
Folgende Beispiele mögen die Gedankenwelt und das Schaffen Ploners in der NS-Zeit chrakterisieren:
Aus dem Vorwort des Gauliederbuchs von 1942:
„Zur Zeit steht Deutschland an der Spitze aller aufbaubewußten Völker im Kampfe gegen die Vernichter aller menschlichen Werte und die scheinheiligen Nutznießer dieser Unordnung (…). So soll nun dieses Buch viel Freude bereiten! Und Freude schafft wiederum Kraft. Diese seelische Kraft aber soll mithelfen, unserem kämpfenden Volke den Endsieg zu erringen.“
Liedgut des Gauliederbuchs von 1942:
Unter dem unscheinbaren Titel „Kraut und Ruabn“ finden sich vermischt mit anderen Liedern explizit antisemitische Gesänge, etwa eine sogenannte Litanei. Dieses im Psalmton gehaltene Lied ähnelt einer Fürbitte, in welcher der Untergang des Volkes der Juden beschworen wird und die mit folgender Liedstrophe endet: „Und wenn in dieser Wasserrinne das ganze Judenvolk darinne, o Herr, dann mach die Klappe wieder zu, und alle Völker haben Ruh’”. Im Anschluss an die Litanei ist ein antisemitischer Scherzgesang mit dem Titel „Und der Jud hat den Brauch” angeführt.
1943 schrieb Ploner das Werk „Das Land im Gebirge – eine Tiroler Kantate” für gemischten Chor, Jugendgesang und Orchester. Diese Komposition ist „dem tatkräftigen Förderer heimischen Brauchtums, Franz Hofer, Gauleiter und Reichstatthalter in Tirol und Vorarlberg” gewidmet und wurde auf der genannten CD ohne historische Kontextualisierung herausgegeben.
Tiroler Volkssturm 1944, ein von Ploner vertontes Lied:
Worte: Jakop Kopp; Weise: Jos. Ed. Ploner
In der zweiten Strophe heißt es:
Die Judenbruat und s`Judengeld
Die möchten schaffen auf der Welt
/:u. uns den Garaus machen:/
Na na so einfach geht dös nit
Da redn mir a Wort no mit
/:Gebts acht – iatz weards bald krachn:/
Iatz Hiasl, Veitl, Joch und Jörg
Breachts los als wia dia Muar vom Berg
/: Drum: Alle Mander, drauf und dran
Hellau! Iatz rukt der Volkssturm an:/
Ploner selbst verfasste das Lied: „Bekenntnis zum Führer”, in dem es heißt:
„1. Wir hörten oftmals deiner Stimme Klang und lauschten stumm und falteten die Hände, /: da jedes Wort in unsre Seele drang: /. Wir wissen alle: Einmal kommt das Ende, das uns befreien wird aus Not und Zwang.
2. Was ist ein Jahr der Zeitenwende? Was ist da ein Gesetz, das hemmen will? Der reine Glaube, /:den du uns gegeben: / durchpulst bestimmend unser junges Leben. Mein Führer! Du allein bist Weg und Ziel!”
Dr. Kurt Drexel, Institut für Musikwissenschaft der Universität Innsbruck, Dr. Franz Gratl, Kustos der Musiksammlung der Tiroler Landesmuseen und PD Dr. Wolfgang Meighörner, Direktor der Tiroler Landesmuseen sowie Mag. Kurt Rammerstorfer, Landesdirektor des ORF Tirol stellten zur Herausgabe der CD in einem offenen Brief am 15.6.2011 unmissverständlich fest, dass die Tiroler Landesmuseen die CD nicht zum Kauf anbieten werden und führten aus:
„Josef Eduard Ploner war vielmehr ein NS-Hetzer in Wort und Ton. In einer Darstellung seiner Persönlichkeit darf auch diese Seite nicht fehlen. Die Art und Weise, wie die Werke Ploners in Prof. Dr. Schneiders Produktion ohne ihren historischen Kontext und völlig unkritisch präsentiert werden, ist nicht nur wissenschaftlich unseriös, sondern auch ethisch höchst unverantwortlich.
Wenn eine Gesellschaft sich ein kollektives Gedächtnis leistet, also Museen, Bibliotheken und Archive anlegt, so muss die Bearbeitung und Präsentation dieser Materialien unter besonderen, wissenschaftlichen Kriterien erfolgen – will man den Missbrauch durch Ideologien vermeiden. Schönfärberei von Biografien, Geschichtsfälschung und Ausblendung von Tatsachen sind nicht dazu angetan, für künftige Generationen Identität zu stiften. Diese unkritische Veröffentlichung kann dem Ansehen Tirols großen Schaden zufügen, weil heutzutage – zum Glück – eine Europaregion auch an ihrem Umgang mit der eigenen Vergangenheit gemessen wird.“
Ao. Univ.-Prof. Dr. Thomas Nußbaumer, hält dazu namens des Abteilungsbereichs Musikalische Volkskunde an der Abteilung für Musikwissenschaft der Universität Mozarteum Salzburg (Standort Innsbruck) am 15.6.2011 fest:
„Diese Art der Schönfärberei und Geschichtsklitterung widerspricht allen Standards musikwissenschaftlichen Arbeitens. Es ist unfassbar, dass derartiges im Jahr 2011 noch möglich ist! Herrn Dr. Schneiders Verhalten kann heute auch nicht mehr dadurch entschuldigt werden, dass dieses Nazi-Opus noch 1966 (!) eingespielt wurde. (…) Wir fordern, dass (…)
Herr Dr. Schneider entweder seine CD aus dem Handel nimmt und erst mit einem überarbeiteten Booklet wieder herausgibt, oder dass Herr Dr. Schneider veranlasst wird, die öffentliche Subvention für diese CD an das Land Tirol zurückzuzahlen;“
Schneider antwortete gegenüber der „Tiroler Tageszeitung“, dass er die Aufregung nicht verstehe, da er Ploners Rolle in der NS-Zeit als bekannt vorausgesetzt habe und dass dies bereits „tausendfach“ behandelt worden sei. Ihn habe das kompositorische Werk interessiert und dieses „nach bestem Wissen und Gewissen recherchiert“. Ihm sei es darum gegangen, historische Aufnahmen, die außerdem nach 1945 entstanden seien, „wieder zugänglich zu machen.“ (TT, 16.6.2011, S. 12).