Severin Holzknecht im Gespräch: "Wie lange lässt sich Vergangenheit bewältigen, indem man sie vergessen macht? Hans Nägele und Albert Ritter im Portrait“

Johannes Spies spricht mit dem Vorarlberger Historiker Severin Holzknecht über Leben, Werk und Wirkung von Albert Ritter und Hans Nägele.
Wann

21.03.2022 von 19:30 bis 20:30 (Europe/Vienna / UTC100)

Bundesland

Vorarlberg

Wo

Kolpinghaus, Jahngasse 20, 6850 Dornbirn

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Der in Weiler im Vorarlberger Vorderland geborene Schriftsteller Albert Ritter (1872–1931) war streitbar, unkonventionell und unangepasst. Er war ein Phantast, ein begabter Intellektueller, der allerdings zeitlebens an der Umsetzung seiner Ideen in die Praxis scheiterte. Er war ein überzeugter Deutschnationaler, der immerfort nach Wegen suchte, um das „Deutschtum“ in lichte Höhen, an den „Platz an der Sonne“ zu führen. Ritter wollte das Deutsche Reich auf Basis der „Stämme“ neu ordnen und entwarf Pläne für einen durch die Deutschen dominierten mitteleuropäischen Staatenbund, der in letzter Konsequenz vom Nordkap bis nach Bagdad reichen sollte. Er sah sich als Vollender der Lebenswerke Otto von Bismarcks und Immanuel Kants, als „Welt- und Gottesgelehrter“, der das Christentum durch eine von ihm selbst erdachte Religion ablösen würde. Albert Ritter wurde diesem ambitionierten Anspruch an sich selbst niemals gerecht, dennoch spielte er im politischen Diskurs seiner Zeit eine gewichtige, unorthodoxe und interessante Rolle.

Hans Nägele, geboren 1884 in Götzis, gehörte als Chefredakteur des nationalsozialistischen Vorarlberger Tagblattes zu den federführenden Propagandisten des NS-Regimes in Vorarlberg. Nägele war es ein besonderes Anliegen, das Andenken an seinen Freund Ritter lebendig zu erhalten, weshalb er ihn vor allem nach dem „Anschluss“ 1938 als Vordenker des Nationalsozialismus verklärte. Nach 1945 geriet Ritter zunehmend in Vergessenheit während Nägele die Wahrnehmung des Nationalsozialismus entscheidend mitprägte, indem er zahlreiche Publikationen zur Geschichte der Vorarlberger Textilindustrie und deren Unternehmerpersönlichkeiten schrieb, deren Verstrickungen in den Nationalsozialismus jedoch ausklammerte.