Vortrag: Friederike Sudmann: Karl Seiringer und das Sittendezernat der Wiener Kriminalpolizei (1938-1945) Jonas Sperber: Die Gestapoleitstelle Wien (März 1938 – August 1939). Verhörmethoden der Gestapo-Beamten des Referats II S/1 zur Verfolgung von Homosexuellen

QWIEN – Zentrum für queere Geschichte– veranstaltet die zehnteilige Vortragsreihe „Homosexualität und Nationalsozialismus“ von Mai bis November 2022 an diversen Standorten in Wien.
Wann

20.10.2022 von 19:00 bis 21:00 (Europe/Vienna / UTC200)

Bundesland

Wien

Wo

Brunnenpassage, Brunnengasse 71 / Yppenplatz, 1160 Wien

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Erst im Jahr 2005 wurden in Österreich Homosexuelle als Opfer des Nationalsozialismus anerkannt, ebenso fielen erst in dieser Zeit die letzten strafrechtlichen Bestimmungen gegen sie. Mit dem Projekt der „‘Namentlichen‘ Erfassung der homosexuellen NS-Opfer in Wien“ legte das Zentrum QWIEN einen Grundstein für die Erforschung der Schicksale der von den Nationalsozialisten verfolgten Personen.

Gleichzeitig ist der Wissensstand über die nationalsozialistische Homosexuellenverfolgung in der Bevölkerung äußerst niedrig oder gar nicht vorhanden. Gegen diese Wissensdefizite richtet sich die niedrigschwellige Vortragsreihe „Homosexualität und Nationalsozialismus“. Verteilt auf verschiedene Orte in der Stadt werden dabei unterschiedliche Fragen des Strafrechts und der Verfolgung, der Täter*innenschaft sowie der Schicksale der Opfer in Wien 1938-1945 erörtert. Die Vorträge werden im Anschluss als Buch veröffentlicht.


Friederike Sudmann: Karl Seiringer und das Sittendezernat der Wiener Kriminalpolizei (1938-1945)

Jonas Sperber: Die Gestapoleitstelle Wien (März 1938 – August 1939). Verhörmethoden der Gestapo-Beamten des Referats II S/1 zur Verfolgung von Homosexuellen

Datum und Uhrzeit: Donnerstag, 20.10.2022, 18:30 Uhr

Ort: Brunnenpassage, Brunnengasse 71 / Yppenplatz, 1160 Wien

Im nationalsozialistischen Wien waren sowohl die Geheime Staatspolizei als auch die Kriminalpolizei für Ausforschung Homosexueller zuständig. Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten hat sich die Verfolgungsintensität durch die Strafverfolgungsbehörden massiv erhöht. Auf Basis der überlieferten Strafakten aufgrund von §129Ib StGB, der sexuelle Handlungen mit Menschen desselben Geschlechts, unter Strafe gestellt hat, wird die Ermittlungsarbeit der Verfolger rekonstruiert.

Abstract Sudmann: Die Rolle der Wiener Kriminalpolizei im Nationalsozialismus ist bisher kaum erforscht. Beim Durchschauen der erhaltenen Strafakte aufgrund von §129Ib fällt der Name Karl Seiringer immer wieder als verhaftender Polizeibeamte ins Auge. Häufig wurden diese Verhaftungen in Wiener Bädern oder in öffentlichen Bedürfnisanstalten durchgeführt, die als „wegen homosexueller Umtriebe“ bekannte Orte galten. Daher behandelt der Vortrag die Frage nach den Ermittlungsmethoden des Sittendezernats und den führenden Köpfen der Verfolgung.

Abstract Sperber: Am 15. März 1938 wurde das Hotel Metropole am Morzinplatz Nr. 4 in die Gestapoleitstelle Wien umgewandelt, bei der das Referat II S/1 unter anderem für die Anzeigen wegen homosexueller Betätigung bis September 1939 zuständig war. Für die Homosexuellen Wien bedeutete dies eine Verschärfung ihrer Situation, die ohnehin durch die parallel ablaufende strafrechtliche Verfolgung seitens der Kriminalpolizei prekär war. Nun wurden sie zusätzlich von den Gestapo-Beamten oft tagelang verhört und wohl gewaltsam daran erinnert, weitere Namen homosexueller Personen mitzuteilen, um gemäß ihrer nationalsozialistischen Ideologie „diese Kreise aus der Gemeinschaft auszumerzen“.  Beispielgebend für diese Verhörmethode nach dem sogenannten Schneeballsystem ist der Fall des homosexuellen Mittelschulprofessors Dr. phil. Heinrich Eduard Prochaska, der im August 1939 nach fast zweiwöchiger Befragung der Gestapo die Namen zahlreicher homosexueller Männer bekanntgab. Im Fall Prochaska wurde aus dem Schneeball, wie er selbst beschrieb, bald eine „Lawine“. Allein durch Prochaska konnte die Gestapo letztendlich 52 weitere Personen verfolgen.

Nähere Informationen zur Vortragsreihe