Antisemitismus im Kontext von Israel und dem Nahostkonflikt

In der 2017 von der österreichischen Bundesregierung angenommenen IHRA-Arbeitsdefinition wird Antisemitismus als „eine bestimmte Wahrnehmung von Jüdinnen und Juden, die sich als Hass gegenüber Jüdinnen und Juden ausdrücken kann“ definiert. Des Weiteren steht dort, dass sich „Erscheinungsformen von Antisemitismus auch gegen den Staat Israel“ richten können, „der dabei als jüdisches Kollektiv verstanden wird“ . Diese Erscheinungsform des Antisemitismus wird meist als „israelbezogener Antisemitismus“ bezeichnet.

Die IHRA-Arbeitsdefinition führt Beispiele an, die eine Einordnung, wann etwas als antisemitisch gelten kann und wann nicht, leichter machen. Denn – so die Definition weiter – nicht jede Kritik an Israel, die mit der an anderen Ländern vergleichbar ist, kann als antisemitisch betrachtet werden.

Dennoch, in Debatten zum israelisch-palästinensischen Konflikt tritt israelbezogener Antisemitismus gegenwärtig häufig unter dem Deckmantel von Kritik an der Politik Israels auf. Dabei prägen antisemitische Deutungen die Wahrnehmung des Konflikts, indem die entsprechenden Feindbilder auf den Staat Israel als jüdisches Kollektiv projiziert werden. Die Existenz des Staates Israel wird hierbei als illegitim betrachtet, sein Handeln mit doppelten Standards bewertet oder per se dämonisiert.[2] Eine klare Grenze ist z.B. dann überschritten, wenn „dem jüdischen Volke das Recht auf Selbstbestimmung abgestritten wird, z.B. durch die Behauptung, die Existenz des Staates Israel sei ein rassistisches Unterfangen“, oder wenn „die aktuelle israelische Politik mit der Politik der Nationalsozialisten verglichen wird.[3]

Die Auseinandersetzung mit aktuellem Antisemitismus kann die Bearbeitung des Konflikts im Nahen Osten daher nicht aussparen. Wichtig ist dabei verhärteten Positionen entgegenzuwirken, die auf Eindeutigkeit und einen absoluten Wahrheitsanspruch setzen. Stattdessen sollten Angebote der politischen Bildung die Komplexität des Konflikts berücksichtigen und im Sinne der Multiperspektivität und Kontroversität die exemplarische Vielfalt an unterschiedlichen Standpunkten aufzeigen. Im Sinne der Wissenschaftsorientierung heißt Multiperspektivität aber nicht, dass alle Standpunkte gleichermaßen legitim sind. Noch viel mehr gilt das für Positionen, die unter dem Vorwand der „Meinungsfreiheit“ artikuliert werden und eindeutig als antisemitisch oder rassistisch eingestuft werden können. Hier geht der Schutz vor Diskriminierung der Betroffenen vor.

Mit den hier vorgestellten Materialien und Konzepten werden Mittel vorgestellt, die einer vereinfachten und vereinfachenden Interpretation des Nahostkonflikts entgegengenwirken. Bei der Betrachtung von lebensgeschichtlichen und (geo-)politischen Prozessen werden die Schülerinnen und Schüler eingeladen, wechselnde Perspektiven einzunehmen, diese anzuerkennen und als vielstimmig und durchaus widersprüchlich zu erfahren. Damit soll Empathie und Widerspruchstoleranz gefördert werden sowie „Anerkennung, Verständnis und Respekt (ohne bloße Hinnahme) für die Erzählung des anderen“[4]. Gerade bei jungen Menschen bedarf es einer informierten, diskriminierungssensiblen und zugleich wertebasierten Auseinandersetzung und eine ebensolche pädagogische Unterstützung, eigene Haltungen zu entwickeln.

Zusatzangebot: Aufgrund der Ereignisse seit dem 7. Oktober 2023 hat ERINNERN:AT ein Web-Dossier entwickelt, das Lehrkräfte bei der Thematisierung des 7. Oktobers und des Kriegs in Nahost unterstützt. Ein Q&A beantwortet 13 Fragen rund um den Konflikt und die derzeitige Situation. Befragt wurden ExpertInnen, die im Zuge der Hochschullehrgänge und Israel-Seminarreisen mit ERNNERN:AT zusammenarbeiten und im Dossier ihre Perspektive teilen. Ebenso beinhaltet das Dossier geschichtliche Hintergrundinformationen sowie pädagogische Handreichungen und Webtools zum Thema. Das gesamte Dossier steht auch auf Englisch zur Verfügung: Zum Web-Dossier

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[1] Vgl. IHRA-Arbeitsdefinition: www.holocaustremembrance.com/de/resources/working-definitions-charters/arbeitsdefinition-von-antisemitismus.

[2] Siehe dazu: Jana Rosenfeld, Stefan Schmid-Heher, Romina Wiegemann: Prävention von Antisemitismus durch Bildung. Wien 2022 [Verlinken]

[3] Ebda.

[4] Sami Adwan und Dan Bar-On: Der Ansatz dualer Narrative: Jüdisch-israelische und palästinensische Schüler lernen die Geschichte der anderen Konfliktpartei kennen. In: Peace Research Institute in the Middle East (PRIME) Sami Adwan, Dan Bar-On, Eyal Naveh (Hg.): Die Geschichte des Anderen kennen lernen. Israel und Palästina im 20. Jahrhundert, Frankfurt 2009, S. 10

Lernmaterialien und Bildungsangebote


Eine Geschichte, eine Region, zwei Perspektiven
ERINNERN:AT: Fluchtpunkte. Bewegte Lebensgeschichten zwischen Europa und Nahost. Bregenz 2019

ab 16 Jahren, 90 Minuten

In diesem Modul lernen die Jugendlichen Fatima Hamadi und Batya Netzer kennen, die in unmittelbarer Nachbarschaft am See Genezareth lebten und unterschiedliche Sichtweisen auf die Ereignisse rund um den Krieg 1948 und die Staatsgründung Israels entwickelten. Die SchülerInnen nähern sich über Karten der Geschichte des Nahen Ostens und reflektieren dessen konfligierende Erinnerungen. Anhand zweier unterschiedlicher Darstellungen setzen sich die SchülerInnen mit der Narrativierung von Geschichte auseinander.



Kritik an Israel und Antisemitismus
ERINNERN:AT : „Ein Mensch ist ein Mensch. Rassismus, Antisemitismus und sonst noch was…“ Bregenz 2012

ab 14 Jahren, Methode mit Arbeitsblatt

Der Frage nach den Möglichkeiten und Grenzen legitimier Kritik an Israel wird anhand von drei Zitaten von Wissenschaftlern, einem Jugendlichen und einer Bildbetrachtung bearbeitet. Es wechseln dabei Kleingruppen mit Plenar-Diskussionen ab. Die Methode ist gut mit anderen Kapiteln (z.B. „Was ist verboten?“) aus diesem Heft kombinierbar.



Stories that Move: „Meet Robin and Wael“ 
storiesthatmove.org – Internationales Projekt des Anne Frank House Amsterdam, ERINNERN:AT und weiteren PartnerInnen

ab 14 Jahren, kurze Videos mit Arbeitsblatt 

Grundlage der digitalen Toolbox und Lern-App „Stories that Move” sind kurze Videos, in denen Jugendliche über ihre eigenen Erfahrungen mit Diskriminierung und Antisemitismus sprechen. Hier finden Sie die Videos von Robin und Wael: Robin ist Jüdin und lebt in den Niederlanden, Wael ist ein syrisch-palästinensischer Flüchtling, der in Berlin lebt. Anhand des Arbeitsblatts „Meet Robin and Wael“, können sich SchülerInnen mit den Gemeinsamkeiten und Unterschieden in den Geschichten von Robin und Wael befassen – beide erleben, wie man ihnen die Verantwortung an einem Konflikt zuschreibt, für den sie keine Verantwortung tragen. Die Videos verfügen über deutsche Untertitel, das Arbeitsblatt steht auf Deutsch und Englisch zur Verfügung. 


Workshop „Lost in Nahost*?"
Das Vermittlungsprogramm des Jüdischen Museums Wien zum aktuellen Konflikt in Israel/Gaza

Der Workshop „Lost in Nahost?“ führt die Teilnehmenden ausgehend von einer aktuellen Landkarte, auf der als erstes das geografische Hier und Dort gefunden werden, durch die drei Stockwerke der Dauerausstellung. Die Kleingruppen erhalten Fotos, die jeweils ein Objekt zeigen, das man in der Ausstellung finden soll. Die Fotos machen es den Gästen allerdings nicht leicht, denn sie zeigen immer nur einen Teil des Ganzen. Der gemeinsame Rundgang erklärt dann das jeweilige Objekt, seinen historischen Platz und die womöglich dahinter liegende Biografie. Die Deutung dieser historischen Quellen führt zu einer Auseinandersetzung mit den historischen und politischen Dimensionen eines Konflikts, der nicht am 7. Oktober 2023 begonnen hat. Die einzelnen „Schnipsel“, die die ausgewählten Objekte zeigen, werden von den Teilnehmenden zusammengesetzt und ergeben drei unterschiedliche historische Landkarten, welche die komplizierte Geschichte der Region verdeutlichen. 


Arbeit mit dem Film „1948 – jüdischer Traum, arabisches Trauma. Wie Israel entstand“
Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg: Wahrnehmen – Benennen – Handeln. Handreichung zum Umgang mit Antisemitismus an Schulen. Stuttgart 2019, S. 156-161

ab 14 Jahren, zwei Doppelstunden

Der Unterrichtsvorschlag nimmt die Entstehungsgeschichte des Nahost-Konflikts sowie die israelische Staatsgründung multiperspektivisch in den Blick. Anhand der filmischen Dokumentation können die historischen Ereignisse nachgezeichnet und dabei individuelle Menschen in den Blick genommen werden. Dies geschieht zusätzlich auch im Unterricht in der Bearbeitung des Films. Dabei werden Aussagen der ProtagonistInnen besprochen sowie die SchülerInnen aufgefordert sich dazu zu positionieren.



Was geschah? Jüdisch-muslimische Beziehungsgeschichten

Bundeszentrale für politische Bildung: Handreichung „Kritische Auseinandersetzung mit Antisemitismus“, 11 Aktivitäten für die schulische und außerschulische politische Jugend- und Erwachsenenbildung. Bonn 2016, S. 21-23 

ab 14 Jahren, 90 Min.

Anhand von drei historischen Ereignissen wird die weit verbreitete These der „ewigen Feindschaft“ zwischen JüdInnen und MuslimInnen anhand historischer biografischer Beispiele spielerisch irritiert. Die Teilnehmenden lernen Aspekte der Vielfalt und Ambivalenz im historischen Zusammenleben von JüdInnen sowie MuslimInnen im islamischen Kulturraum kennen. Gearbeitet wird mit dem Lesen von Texten, der Erstellung von Plakaten in Kleingruppen, einem Ratespiel und Plenar-Diskussion.



Israel und Palästina – Einführung in ein kompliziertes Thema. Quizspiel zum Nahostkonflikt
Kreuzberger Initiative gegen Antisemitismus: Anders Denken. Die Onlineplattform für Antisemitismuskritik und Bildungsarbeit. Berlin

ab 14 Jahren, 60 Min.

Als spielerischer Auftakt für die Beschäftigung mit dem israelisch-palästinensischen Konflikt vermittelt dieses Quiz erste Informationen über Hintergründe und aktuelle Konfliktfelder. Es eignet sich als Einstieg ins Thema auch für Teilnehmende ohne Vorkenntnisse. Die Vermittlung von Informationen wird damit verbunden, homogenisierende und vereinseitigende Lesarten des Konflikts zu irritieren, bestehende Schwarz-Weiß-Bilder zu hinterfragen und einfache Gut-Böse-Schemata aufzubrechen.



Miteinander leben. Friedensprojekte im Nahostkonflikt

Kreuzberger Initiative gegen Antisemitismus: Anders Denken. Die Onlineplattform für Antisemitismuskritik und Bildungsarbeit. Berlin

ab 14 Jahren, 60 Min.

Die Teilnehmenden lernen verschiedene zivilgesellschaftliche Projekte und Initiativen kennen, die sich für ein friedliches Zusammenleben von Israelis und PalästinenserInnen stark machen. Gemeinsam überlegen sie, inwiefern solch ein Engagement zur Überwindung von Vorurteilen innerhalb beider Gesellschaften sinnvoll ist. Im Unterrichtsverlauf wird eine Gruppenarbeit mit einem kurzen Text zur jeweiligen Initiative und Arbeitsfragen von einer Präsentation und Vorstellung der Initiativen abgelöst.



Jenseits von Schwarz-Weiß. Ein Zeitstrahl zu Geschichte und Geschichtsbildern des Nahostkonflikts
Kreuzberger Initiative gegen Antisemitismus: Anders Denken. Die Onlineplattform für Antisemitismuskritik und Bildungsarbeit. Berlin

ab 16 Jahren, 165 Min.

Eine vertiefende Behandlung der historischen Voraussetzungen und Grundkonstellationen des Nahostkonflikts. Der Fokus liegt dabei auf der Frühzeit des Konflikts, angefangen bei der steigenden jüdischen Einwanderung in das historische Palästina bis zur Staatsgründung Israels, dem ersten Israelisch-Arabischen Krieg und der aufkommenden Flüchtlingsfrage. Nach einem einleitenden Kurzvortrag der Lehrenden bearbeiten vier Arbeitsgruppen unterschiedliche historische Phasen, immer aus „israelischer“ und „palästinensischer“ Perspektive.



Comic „Mehr als 2 Seiten“
Campus Bildung im Quadrat gGmbH / Pädagogische Werkstatt Berlin: mehrals2seiten.de

ab 14 Jahren, Comic und Arbeitsaufträge

SchülerInnen des Campus Rütli in Berlin brachen 2019 zu einer Bildungsreise nach Israel und in die palästinensischen Gebiete auf. Im Nachgang entstand der Comic „Mehr als 2 Seiten“.  Sechs Kapitel beschreiben Stationen der Reise und werden durch inhaltliche Exkurse und Aufgabenstellungen ergänzt. Die LeserInnen (ab der 8. Schulstufe) werden angehalten, leere Sprechblasen zu ergänzen oder bei ihnen vor Ort zu Stolpersteinen oder der eigenen Familiengeschichte zu recherchieren. Der Comic nimmt sie mit in arabische Dörfer, zu einer israelischen Schule und in die Gedenkstätte Yad Vashem. In der Auseinandersetzung mit Fragen und Widersprüchen des Zusammenlebens unterschiedlicher Menschen im Nahen Osten wird das Potenzial gesehen, die LeserInnen zur Auseinandersetzung mit ihren eigenen Erfahrungen anzuregen.

Handreichungen & Webtools

Zentrum polis - Politik Lernen in der Schule und ERINNERN:AT
Themenheft für PädagogInnen: Nahost: Geschichte – Konflikt – Wahrnehmungen. Mit Dossier zum Thema Krieg und Terror.

Die Magazin-Ausgabe „polis aktuell 5/2022" ist eine gemeinsame Publikation von Zentrum polis und ERINNERN:AT. Lehrkräfte bekommen hierin eine Einführung ins Themenfeld Nahost und zu dessen Behandlung im Unterricht. Neben inhaltlichen Beiträgen zur Geschichte der Region und zum israelbezogenen Antisemitismus, werden konkrete, leicht umsetzbare Unterrichtsvorschläge und Methoden vorgestellt. Das Heft wurde im Oktober 2023 aufgrund der Ereignisse im Nahen Osten um ein Dossier erweitert, welches den Umgang mit Krieg und Terror im Unterricht thematisiert. Hierin finden sich Informationen und Empfehlungen für Lehrkräfte, die eine Grundlage dafür bieten, den Konflikt historisch-politisch einzuordnen und israelbezogenen Antisemitismus zum Thema zu machen.



Jüdisches Museum Hohenems: #OhneAngstVerschiedenSein
Arbeitshilfe für den pädagogischen Umgang mit den Terroranschlägen der Hamas am 7. Oktober und deren Folgen, Hohenems 2023.

Im Rahmen des am Jüdischen Museum Hohenems angesiedelten, von Arnon Hampe geleiteten Projekts #OhneAngstVerschiedenSein ist eine Arbeitshilfe für den pädagogischen Umgang mit den Terroranschlägen der Hamas am 7. Oktober und deren Folgen entstanden. Sie bietet einen kompakten Überblick über die Ereignisse, die eingeordnet und kontextualisiert werden. In der Handreichung finden sich Tipps für einen adäquaten pädagogischen Umgang mit dem Terroranschlag und dessen Folgen. Dieser erfordert in erster Linie eine klare Haltung, die Terror und Gewalt als Mittel zur Konfliktlösung entschieden zurückweist. Ebenso wichtig ist das Wissen um die Narrative, die nun über Social Media um die Welt gehen und so auch junge Menschen erreichen und in ihrer Urteilsbildung beeinflussen.



Bildungsstätte Anne Frank
Broschüre: Welcher Fluss und welches Meer? Eine Einordnung der Mythen und Streitpunkte des Israel-Palästina-Konflikts 

Seit dem Massaker der Hamas in Israel am 7. Oktober 2023 und dem Beginn des israelischen Krieges in Gaza ist das komplexe Geschehen des Israel-Palästina-Konflikts erneut Gegenstand vieler privater und öffentlicher Gespräche in aller Welt. Die vorliegende Broschüre wurde verfasst, während ein Ende des Kriegs im Gazastreifen nicht absehbar war, internationale Verhandlungen liefen, weltweit Proteste stattfanden, noch immer nicht alle von der Hamas verschleppten Geiseln zurück in Israel waren und insgesamt die Zukunft „zwischen dem Meer und dem Fluss“ weitgehend offen war. Diese Broschüre soll helfen, allzu schnellen Vorannahmen und Gerüchten vorzubeugen oder diese zu korrigieren. Sie richtet sich insbesondere an alle, die in der aktuellen Debattenkultur nach Orientierung und weiterführenden Hinweisen suchen.



ufuq.de - Pädagogik, politische Bildung und Prävention in der Migrationsgesellschaft
Über Israel und Palästina sprechen. Der Nahostkonflikt in der Bildungsarbeit. Berlin 2022.

Der Nahostkonflikt ist auch in Schulen ein wiederkehrendes Thema. Dabei geht es nicht nur um den Konflikt an sich und die Ereignisse vor Ort, sondern auch um Geschichte und Gegenwart in Österreich und Deutschland. Der Konflikt ist eine Projektionsfläche für Auseinandersetzungen, in denen auch das Selbstverständnis der Gesellschaft beispielsweise im Zusammenhang mit migrations- und geschichtspolitischen Fragen verhandelt wird. Der Konflikt ist in besonderer Weise mit Österreich und Deutschland verbunden und berührt die Familiengeschichten und den Alltag vieler SchülerInnen. All dies kann auch im Klassenzimmer zur Sprache kommen, ohne dass sich „einfache Lösungen“ finden lassen. Im Unterricht geht es zum Glück nicht darum, den Konflikt selbst zu lösen, sondern vor allem darum, Verständnis für unterschiedliche Erfahrungen und Blickwinkel und damit verbundene Interessen zu fördern und daraus Handlungsperspektiven zu entwickeln. Die Arbeitshilfe soll Lehrkräfte unterstützen, den Nahostkonflikt im Unterricht und Schulalltag zu behandeln.



Umgang mit dem Nahostkonflikt und der aktuellen Situation an Schulen
Handreichung der Kreuzberger Initiative gegen Antisemitismus e.V., Berlin 

In einer knappen und überschaubaren Handreichung zum Umgang mit dem Nahostkonflikt und der aktuellen Situation an Schulen hat KIgA Berlin eine Hilfestellung für PädagogInnen erarbeitet. Die Themen reichen von der Bedeutung der Beziehungsarbeit und dem Umgang mit Emotionen sowie den notwendigen und klaren Grenzen gegenüber Antisemitismus, Rassismus und extremistischen Positionen, über die Betonung von Multiperspektivität und der Medienkompetenz bis zur Förderung von Widerspruchstoleranz und respektvollen Debatten, die den Ausdruck und die Anerkennung vielfältiger Identitätsbezüge beinhalten und stärken. Abschließend wird eine Einordnung zur Hamas bereitgestellt sowie eine Erläuterung zur Unterscheidung von israelbezogenem Antisemitismus und legitimer Kritik an der israelischen Politik. 



Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg:

Wahrnehmen – Benennen – Handeln. Handreichung zum Umgang mit Antisemitismus an Schulen. Stuttgart 2019


Umfangreiche Broschüre mit kurzen Texten. Zum Teil wurden die Artikel schon anderswo veröffentlicht und hier überarbeitet zusammengetragen. Der erste Teil bietet Grundlagenwissen zu verschiedenen Ausdrucksformen des Antisemitismus an. Teil Zwei sammelt pädagogische und didaktische Handlungsempfehlungen und geht hierbei auf unterschiedliche schulische Szenarien und Formen ein. Themen sind Verschwörungsmythen genauso wie der Nahostkonflikt. Teil Drei bearbeitet Grundlegendes zur Vermittlung jüdischer Geschichte, Religion und Kultur. Teil Vier stellt vier konkrete Unterrichtsmodelle vor, den E-Learningkurs „Sind denn alle verrückt hier?!“, Arbeit mit dem Film „1948 – jüdischer Traum, arabisches Trauma. Wie Israel entstand.“, das Unterrichtsbeispiel „Darf man das?“ gegen sekundären Antisemitismus sowie die Jugendbuchlektüre „Die Jagd nach dem Kidduschbecher“.



Amadeu Antonio Stiftung:
»Nichts gegen Juden.« Berlin 2017

Gesammelt wurden gängige antisemitische Parolen, Vorurteile und Unwahrheiten wie diese: »Ich habe ja nichts gegen Juden, aber ...«, »Die Deutschen haben ja auch gelitten!«, »Kindermörder Israel!« oder »Die Zionisten sind die Nazis von heute!« Diese Vorurteile werden entlarvt und aufgeklärt. In klarer und einfacher Sprache wurde hier eine Argumentationshilfe für alle zusammengestellt, denen vielleicht manchmal die Worte fehlen, um Antisemitismus zu widersprechen. Die kurzen Texte sind dezidiert für die Nutzung in sozialen Medien konzipiert und können über vorgefertigte Facebook-Beiträge oder kleine Graphiken für Twitter sehr niederschwellig genutzt werden. Für Interessierte lässt sich auf jeder einzelnen Themenseite eine weitere Textebene ausklappen, auf der ein ausführlicherer Einstieg in das jeweilige Thema zu finden ist.



Amadeu Antonio Stiftung:

„Man wird ja wohl Israel noch kritisieren dürfen …?!“ Eine pädagogische Handreichung zum Umgang mit israelbezogenem Antisemitismus. Berlin 2017

Die Broschüre zeigt in gut lesbaren Beiträgen Wesen und Funktionen des (israelbezogenen) Antisemitismus auf und stellt pädagogische Ansätze und Handlungsoptionen vor. Nach einer Analyse des israelbezogenen Antisemitismus wird gezeigt, anhand welcher Kriterien sich antisemitische Zuschreibungen in Bezug auf Israel erkennen und von Kritik abgrenzen lassen. Es folgt ein Exkurs zum Antisemitismus der Boykottbewegung gegen Israel und im Rechtspopulismus. Im dem auf die Praxis orientierten Teil wird z.B. Antisemitismus in Sozialen Medien und der pädagogische Umgang damit (inkl. Online-Tool) vorgestellt oder eine Reflexion zum pädagogischen Umgang mit dem Nahostkonflikt. Thema ist auch der Einfluss der Reflexion des eigenen Handelns auf das Gelingen und wie Zuweisungen, antisemitisch zu sein, selbst die Form einer rassistischen Zuschreibung annehmen können. Am Schluss folgt noch eine Sammlung pädagogischer Tipps.



amira - Antisemitismus im Kontext von Migration und Rassismus:

Pädagogische Ansätze zur Bearbeitung von Antisemitismus in der offenen Jugendarbeit. Berlin 2010

Die Publikation reflektiert Erfahrungen des Projektes und stellt sowohl Fortbildungen und Workshops für MultiplikatorInnen als auch Projekte vor, die mit Jugendlichen durchgeführt werden können. Den Angeboten sind jeweils Einführungsartikel vorangestellt. Präsentiert werden das Grundkonzept, die Ziele sowie die konkrete Durchführung des Angebots. Die Angebote für MultiplikatorInnen beinhalten einen theaterpädagogischen Ansatz zur Bearbeitung der pädagogischen Haltungen im Umgang mit Antisemitismus sowie eine Fortbildung zum argumentativen Umgang mit Antisemitismus. Projektvorschläge für die Arbeit mit Jugendlichen sind eine Workshop-Reihe zum Thema „Ich und der Nahostkonflikt“, eine Stadtteilrallye zu Religion, Migration und Identität, ein Rap-Workshop zum Antisemitismus, Workshops speziell für getrennte Mädchen- und Jungengruppen sowie Empfehlungen für die Durchführung von Begegnungsprojekten.


ConAct – Koordinierungszentrum Deutsch-Israelischer Jugendaustausch:
Methodensammlung für die antisemitismussensible Vor- und Nachbereitung deutsch-israelischer Jugendaustauschprogramme

Die Methodensammlung für die antisemitismussensible Vor- und Nachbereitung deutsch-israelischer Jugendaustauschprogramme soll dabei unterstützen, jungen Menschen ab 14 Jahren einen Lernraum zum Thema Antisemitismus zu eröffnen. Dazu versammelt diese Publikation Methoden und Anregungen für PädagogInnen, um Wissen zur Geschichte und zu heutigen Erscheinungsformen von Antisemitismus zu vermitteln, aber auch jüdische Perspektiven näherzubringen. Mit einigen Good-Practice-Beispielen werden zudem Ideen für die pädagogische Praxis gegeben. Die Methoden sind voranging für die außerschulische Bildungsarbeit und die deutsche Bildungslandschaft entwickelt worden, hierbei können dennoch einzelne Methoden und Ideen für die Schule in Österreich übernommen werden.

Texte

Helga Embacher im Interview mit ERINNERN:AT

„Streitfall israelbezogener Antisemitismus", Beitrag im Jahresbericht von ERINNERN:AT 2021

Helga Embacher ist Zeithistorikerin am Fachbereich Geschichte an der Universität Salzburg. Ihre Forschungsschwerpunkte sind die Themen Nationalsozialismus, jüdische Geschichte, Emigration,
Israel und Naher Osten sowie Antisemitismus. Lange Forschungsaufenthalte führten sie bisher nach Israel, die USA, Großbritannien und Shanghai. Im Interview mit Axel Schacht geht Helga Embacher auf verschiedene Positionen und Fragestellungen zur Definition von israelbezogenem Antisemitismus ein; wie lässt sich berechtigte Kritik an Israel von Antisemitismus unterscheiden? Ebenso thematisiert sie den gesellschaftlichen und pädagogischen Umgang mit isrealbezogenem Antisemitismus sowie Ziele antisemitismuskritischer Bildungsarbeit. 

 


Victoria Kumar, Werner Dreier, Peter Gautschi, Nicole Riedweg, Linda Sauer, Robert Sigel:
„Antisemitismen – Sondierungen im Bildungsbereich“, Frankfurt 2022.

Gemeinsam mit der Pädagogischen Hochschule Luzern und der Geschäftsstelle des Beauftragten der Bayerischen Staatsregierung für jüdisches Leben und gegen Antisemitismus hat ERINNERN:AT im Projekt „Gegen Antisemitismus in Schulen und Hochschulen“ untersucht, wie Lehrpersonen in der Aus- und Weiterbildung beim Unterrichten gegen Antisemitismus und Holocaust Distortion unterstützt werden können. Im Buch werden mehr als 20 ExpertInnen-Interviews sowie Handlungsempfehlungen veröffentlicht, die auf Möglichkeiten der Prävention und Intervention verweisen und in die Weiterentwicklung von Lehrveranstaltungen wie auch von Curricula einfließen können. Der israelbezogene Antisemitismus wird in fast allen Interviews und in der Einleitung der AutorInnen thematisiert.



Monique Eckmann und Gottfried Kößler:

Diskussionspapier. Pädagogische Auseinandersetzung mit aktuellen Formen des Antisemitismus. Qualitätsmerkmale und Spannungsfelder mit Schwerpunkt auf israelbezogenem und sekundärem Antisemitismus. Deutsches Jugendinstitut. Genf u. Frankfurt a. M. 2020

Eine kompakte und vielschichtige Sammlung relevanter Grundlagen und Fragestellungen. Der erste Teil des Textes behandelt pädagogische Eckpunkte bezüglich antisemitismuskritischer Bildungsarbeit und geht dabei auf Zielsetzungen und Grenzen sowie auf Grundsätze bzw. die Philosophie des pädagogischen Handelns ein, auf Rahmenbedingungen sowie das notwendige inhaltlich-methodische Hintergrund-Wissen (speziell zu Antisemitismus und Nahostkonflikt). Der zweite Teil definiert Qualitätsmerkmale antisemitismuskritischer Bildungsarbeit in der themenspezifischen, pädagogischen, ethischen, methodischen und selbstreflexiven Dimension. Der dritte Teil bespricht Spannungsfelder wie Mehrheits- und Minderheitsperspektiven, Antisemitismus und Rassismus, Antisemitismus unter MuslimInnen, Nahostkonflikt sowie offene Kontroversen zur pädagogischen Methodik.



Peter Ullrich: Über Antisemitismus sprechen – Essay.

In: Bundeszentrale für politische Bildung (Hg): Aus Politik und Zeitgeschichte 26-27. Bonn 2020, S. 36-41

Ullrich skizziert spezifische diskursive Dynamiken in der Debatte um die Erinnerung(skultur) an den NS-Antisemitismus und die Shoah sowie die Definition von Antisemitismus und die Verquickung beider Debatten mit jener um den Nahen Osten. Es geht also um den „Nahostkonflikt zweiter Ordnung“, einen israelbezogenen Antisemitismus und die BDS-Kampagne. Erschwert wird die Diskussion durch radikale Identifikation, Unklarheit in Positionen und Forderungen sowie Stigmatisierung und Vorverurteilung der jeweils Anderen. „Durch diese Entwicklungen werden Diskursräume geschlossen, wo Ambivalenzen anerkannt, ausgehalten und diskutiert werden müssten [...]“ Wenig hilfreich erachtet Ullrich eine Arbeitsdefinition zu Antisemitismus, wie der IHRA, die aus seiner Sicht wissenschaftliche Schwächen aufweist, oftmals unklar oder gar tendenziös formuliert ist und politisch instrumentalisiert wird.



Jan Riebe:
Was tun bei (israelbezogenem) Antisemitismus? – Pädagogische Tipps.

In: Amadeu Antonio Stiftung: „Man wird ja wohl Israel noch kritisieren dürfen …?!“ Eine pädagogische Handreichung zum Umgang mit israelbezogenem Antisemitismus. Berlin 2017


Riebe definiert einleitend kurz Ziel und Zielgruppe antisemitismuskritischer Pädagogik, um danach ausführlich auf Aspekte der Voraussetzungen der Lehrpersonen einzugehen, darunter Selbstreflexion und Sensibilisierung (auch für virtuellen Antisemitismus). Danach werden Aspekte präventiver Arbeit, der Behandlung des Nahostkonfliktes, Gedenkstättenfahrten, der Thematisierung jüdischen Lebens und dem Ernstnehmen von Diskriminierungserfahrungen besprochen. In Abgrenzung zur Prävention wird dann auf das Vorgehen nach antisemitischen Äußerungen und Taten eingegangen: Betroffene schützen, nicht weghören, Involvierte unterstützen, aus der antisemitischen Differenzkonstruktion auszusteigen, theoretisches Wissen nicht losgelöst von der pädagogischen Situation und Antisemitismus nicht losgelöst von anderen Ausgrenzungsmechanismen und Ungleichwertigkeitsideologien betrachten sowie Antisemitismus ‚über Umwege‘ thematisieren.



Jan Riebe:
Israelbezogener Antisemitismus. Eine Herausforderung für die Jugendarbeit
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In: Amadeu Antonio Stiftung (Hrsg.): „Läuft bei Dir!“ Konzepte, Instrumente und Ansätze der antisemitismus- und rassismuskritischen Jugendarbeit. Berlin 2017, S. 23-25

Kurz und prägnant zusammengefasst, wie bei der Betrachtung Israels zwischen Kritik und Antisemitismus unterschieden werden kann. Hierbei wird auf einige Leerstellen und problematische Sichtweisen hingewiesen, die in der pädagogischen Auseinandersetzung mit israelbezogenem Antisemitismus zu finden sind. Oft kommt es zu einer Umwegekommunikation, die vorgibt, „Kritik an Israel“ zu formulieren und sich dabei (wenn auch verklausuliert) antisemitischer Stereotype bedient. Folgend wird der 3D-Test als eine Möglichkeit der Analyse vorgestellt, wie auch der Vorschlag der Erweiterung durch Beachtung des Kontextes von Äußerungen. In der pädagogischen Bearbeitung ist jedoch nicht die detaillierte Analyse von zentraler Bedeutung, sondern es soll nach den Funktionen und Beweggründen solcher Äußerungen gefragt und diese bearbeitet werden. Pädagogische Fachkräfte sind angehalten, die eigene Position zum Gegenstand immer wieder kritisch zu hinterfragen.


Rosa Fava:
„Israelkritik“ und Antisemitismus
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In: Kreuzberger Initiative gegen Antisemitismus: Commitment without Borders – Ein deutsch-türkisches Handbuch zu Antisemitismusprävention und Holocaust Education. Berlin 2016

Ausgehend vom konstatierten Zusammenhang zwischen Kritik bzw. Feindschaft gegenüber Israel und dem Antisemitismus benennt Rosa Fava Hilfsmittel zur Analyse von Antisemitismus in israelkritischen Äußerungen. Darunter auch den „3D-Test“ nach Natan Scharansky oder die Betrachtung anhand der expliziten Aufzählung der „Arbeitsdefinition Antisemitismus“. Weiters werden Anzeichen aufgezählt, die einen Hinweis liefern können, ob sich bewusster oder unbewusster Antisemitismus in die Argumentation gegen Israel mischt oder diese motiviert. Besprochen werden hier: Emotionalität, die Ignoranz gegenüber der Funktion eines jüdischen Staates als Zufluchtsort, der Ressentiment-immanente Begriff der „Israelkritik“, ein vollständig negatives Bild von Israel, die Reduktion von Israel auf den Nahostkonflikt und die Instrumentalisierung eines realen Rassismus in Israel zur Delegitimierung Israels als per se rassistisch und kolonial fundierte Vorherrschaft.



Hanne Thoma, Ahmad Mansour: Der Nahostkonflikt als Projektionsfläche. Ziele einer pädagogischen Arbeit mit Jugendlichen mit türkischem, arabischem oder palästinensischem Familienhintergrund
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In: amira - Antisemitismus im Kontext von Migration und Rassismus: Pädagogische Ansätze zur Bearbeitung von Antisemitismus in der offenen Jugendarbeit. Berlin 2010, S. 27-29

Zielgruppenspezifische pädagogische Prozesse müssen sich der Ursachen gewahr sein, die einen sachorientierten Blick verstellen. Von hier aus kann eine selbstständige Urteilsfähigkeit gestärkt werden, bei gleichzeitiger Markierung roter Linien. Und dennoch: „Sie müssen erfahren, dass sie individuell anerkannt und wichtig genommen werden, dass man ihnen zuhört und dass sie zunächst einmal alles sagen dürfen, was sie denken, ohne gleich verurteilt zu werden.“ In der Bearbeitung des Konfliktes soll folgendes in den Vordergrund rücken: die potentielle Lösbarkeit von Konflikt um Land und Ressourcen, die Heterogenität der AkteurInnen und Interessen innerhalb der Konfliktparteien, die Vermittlung von Medienkompetenz, Perspektivwechsel und Empathiefähigkeit sowie Kriterien an die Hand zu geben, die sie darin unterstützen zu erkennen, was legitime Kritik ist „und wann vermeintliche »Kritik an Israel« eigentlich eine Form des Antisemitismus ist.“

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