Holocaust-Überlebende und Zeitzeugin Jehudith Hübner verstorben

Erst kürzlich erreichte uns die Nachricht, dass die Holocaust-Überlebende Jehudith Hübner am 30. Dezember 2023 mit 102 Jahren in Israel verstorben ist. Geboren 1921 in Wien, konnte sie 1939 nach Palästina fliehen, während ihre Schwester Edith und ihre Eltern von den Nationalsozialisten ermordet wurden. Jehudith Hübner hat in mehreren Interviews über ihre Lebensgeschichte erzählt, die auch Eingang in mehrere Unterrichtsmaterialien von ERINNERN:AT gefunden hat.

Jehudith Hübner wurde 1921 in Wien als Jessy Winkler geboren. Sie war die Tochter von Mirjam Mania und Phillip Winkler, ihre Schwester Edith Margit kam 1930 zur Welt. Als die Nationalsozialisten 1938 in Österreich an die Macht kamen, besuchte Jessy Winkler das Gymnasium. Beide Geschwister mussten die Schule verlassen, Edith kam in eine „jüdische Sammelschule“. Im Oktober 1938 wurde der Familie Winkler die Wohnung gekündigt, sie wurden notdürftig in einer sog. Sammelwohnung gemeinsam mit anderen jüdischen Familien untergebracht.

Jessy Winkler (später Jehudith Hübner) und ihre jüngere Schwester Edith

Mirjam und Phillip Winkler versuchten zunächst nach Venezuela, dann nach Shanghai zu fliehen, hatten aber nicht genügend Geld für die Tickets. Nun sollten wenigstens die Kinder gerettet werden. Die Eltern schafften es, Jessy und Edith Winkler auf die Liste eines Kindertransports nach England setzen zu lassen. Kurz vor der Abreise hatte Edith fürchterliche Bauchschmerzen. Jessy erzählte der Mutter von Ediths Schmerzen, die daraufhin ihre beiden Namen von der Liste streichen ließ. Zeit ihres Lebens hatte sich Jehudith Hübner vorgeworfen, der Mutter von den Schmerzen der Schwester erzählt zu haben, wodurch die beiden nicht mit dem Kindertransport flüchten konnten.

Am 9. September 1939, ein paar Tage nach Beginn des Zweiten Weltkriegs, kamen frühmorgens SS-Männer zur Wohnung der Winklers und verhafteten Ediths Vater. Er wurde mit vielen anderen jüdischen Männern ins Konzentrationslager Buchenwald deportiert, wo er vier Monate später starb.

Jessy Winkler bewarb sich an der Hebräischen Universität in Jerusalem für einen Studienplatz, um eines der begehrten Einreisezertifikate für Palästina zu bekommen. Als sie schließlich alle nötigen Dokumente und Genehmigungen eingeholt hatte, wurde sie am 11. November 1939 von ihrer Mutter und Schwester zum Bahnhof gebracht. Jessy war die einzige aus der Familie, der es gelang, aus Österreich zu fliehen.

Am 15. Oktober 1941 wurden Mirjam und Edith Winkler zusammen mit 1.000 anderen Menschen von Wien aus in das Ghetto Litzmannstadt deportiert, das in der Stadt Łódź im besetzten Polen errichtet wurde. Ab Mai 1942 wurden Jüdinnen und Juden aus Österreich, Böhmen, Luxemburg und Deutschland von Łódź nach Kulmhof (Chełmno) deportiert. Edith und ihre Mutter standen auf der Deportationsliste für den 4. Mai 1942. Noch am gleichen Tag kamen sie in Kulmhof an, wo sie kurz darauf ermordet wurden.

Jessy Winkler studierte in Israel und heiratete den aus Wien stammenden Wissenschafter Izchak Hübner. Sie wurde hohe Staatsbeamtin, vertrat Israel in mehreren Ländern als Botschafterin und wurde schließlich Vizebürgermeisterin von Jerusalem und Vorsitzende einer großen religiösen Frauenorganisation. Jehudith Hübner hat in mehreren Interviews über ihre Lebensgeschichte erzählt, die auch Eingang in mehrere Unterrichtsmaterialien von ERINNERN:AT gefunden hat.

SchülerInnen betrachten die Tafel der Wanderausstellung „darüber sprechen“ mit Jehudith Hübner. 

2023 wurden im 4. Wiener Bezirk fünf "Steine der Erinnerung" präsentiert, die an Opfer der Shoah erinnern. Der „Stein“, der an die Familie Winkler erinnert, befindet sich in der Rittergasse 6, der damaligen Wohnung der Familie – also an dem Ort, wo der Prozess, der zur Ermordung der drei Familienmitglieder führte, begann. Vor dem „Stein der Erinnerung“ fand eine beeindruckende und berührende Veranstaltung statt, bei der die Rede von Mira Hübner-Harel, der Tochter von Jehudith, einen besonderen Höhepunkt darstellte.

Der Historiker Albert Lichtblau im Gespräch mit Jehudith Hübner 

 

Bis zu ihrem Tod am 30. Dezember 2023 lebte Jehudith Hübner in Jerusalem. Wir danken ihr für ihr großes Engagement als Zeitzeugin und übermitteln ihrer Familie unsere tiefe Anteilnahme.

 

 

 

Zu den Interviews mit Jehudith Hübner auf der Plattform weiter_erzählen:

https://www.weitererzaehlen.at/interviews/jehudith-huebner

https://www.weitererzaehlen.at/interviews/jehudith-huebner-1

https://www.weitererzaehlen.at/interviews/jehudith-huebner-2

 

Zum Porträt und den Materialien auf der Lernwebsite „Neue Heimat Israel“: - Link 

 

Zum Unterrichtsmaterial „Wer ist schuld am Tod von Edith Winkler – Völkermord als gesellschaftliche Verantwortung“: - Link