Nachruf: Helga Feldner-Busztin ist verstorben

Am 19. Oktober 2024 verstarb die Ärztin und unermüdliche Zeitzeugin Helga Feldner-Busztin in Wien.

„Wir haben Theresienstadt überlebt, aus Zufall“

Helga Feldner-Busztin wurde 1929 in Wien (als Helga Pollak) geboren. Ihre Mutter, eine Jüdin, die als Kind evangelisch getauft wurde, bekannte sich 1931 im Rahmen einer Konversion offiziell zum Judentum. Ihr Vater wurde aufgrund seiner jüdischen Herkunft 1938 in das Konzentrationslager Buchenwald, später nach Auschwitz deportiert.

Helga Feldner-Busztin blieb mit ihrer Mutter und Schwester Elisabeth (heute: Elisabeth Scheiderbauer) in Wien, bis die Familie 1943 nach Theresienstadt verschleppt wurde. 1944 sollte Helga Feldner-Busztin weiter nach Auschwitz deportiert werden, entkam aber dem Abtransport dreimal. Alle drei Frauen überlebten das KZ Theresienstadt. Ohne die Hilfe ihrer Schwester, so Elisabeth Scheiderbauer, hätte sie es nicht geschafft. Nach der Befreiung kehrte die Mutter mit ihren Töchtern nach Wien zurück, wo sie auf den Vater trafen, der das Konzentrationslager Auschwitz wie durch ein Wunder überlebt hatte. Die lange Trennung zum Vater und seine Erfahrungen hatten noch lange Nachwirkungen für die Familie. Helga Feldner-Busztin beschreibt, dass ihr Vater viele Jahre von Albträumen geplagt wurde.

Rückkehr und Neubeginn

Die Rückkehr und das Wieder-Ankommen in Wien beschrieb Helga Feldner-Busztin rückblickend als eine große Herausforderung. Sie war sehr ehrgeizig und holte den Schulstoff in kurzer Zeit nach. Mit der Zeit ebbte Helgas Zorn über das während der NS-Zeit Geschehene ab und sie konnte nach und nach mit Schulkolleginnen wieder zusammenwachsen.

Nach der Rückkehr studierte Helga Feldner-Busztin und wurde Ärztin. Sie heiratete Hans Feldner-Busztin und wurde Mutter. Hans Feldner-Busztin, geboren 1925, überlebte die Zeit des Nationalsozialismus als sogenanntes "U-Boot" in der Wohnung eines Arztes im 7. Bezirk in Wien. Elisabeth Scheiderbauer wurde nach dem Krieg professionelle Tänzerin, sie war am Landestheater Salzburg und an der Volksoper in Wien engagiert. Später arbeitete sie zusammen mit ihrem Mann Heinz als Film- und Fernsehproduzentin und lebt in Wien.

Helga Feldner-Busztin erzählte uns ihre Lebensgeschichte 2019 ausführlich in einem Interview, siehe weitererzaehlen.at: Zum Interview

Unermüdliches Engagement als Zeitzeugin

Seit den 1990er Jahren sprach Helga Feldner-Busztin unermüdlich als Zeitzeugin an Schulen sowie auf Anfrage von Medien über ihre Erfahrungen und äußerte sich öffentlich zu politischen Themen und Herausforderungen der Gegenwart. Der 7. Oktober und die Folgen führten zu einer sehr großen Verunsicherung und zu Ängsten bei Helga Feldner-Busztin. Die größte Stütze war ihr stets ihre Familie, zu der enge Kontakte gepflegt wurden.

Ihre Enkelin Anna Goldenberg publizierte 2018 das Buch „Versteckte Jahre" über die Geschichte des Ehepaars Feldner-Busztin. Sie begleitete ihre Großmutter auch vielfach zu den Schulgesprächen. Anna Goldenberg beschreibt das Engagement ihrer Großmutter als Zeitzeugin als ihre „zweite große Karriere“. Noch im Frühjahr 2024 durften wir Helga Feldner-Busztin zu einem der letzten Schulgespräche als Zeitzeugin in die Tourismusschule Modul in Wien begleiten. Die SchülerInnen brachten den Erzählungen höchste Aufmerksamkeit entgegen und die Nachfragen wurden offenherzig, kritisch und differenziert besprochen.

Wir durften Helga Feldner-Busztins Erinnerungen in einem der ersten Lernmaterialien von ERINNERN:AT mit Lebensgeschichten NS-Verfolgter („Das Vermächtnis“) aufgreifen und hoffen, dass noch viele SchülerInnen damit arbeiten werden.

2018 erhielt Helga Feldner-Busztin gemeinsam mit Rudolf Gelbard für ihren Einsatz für die Aufklärung über die NS-Zeit den von SOS Mitmensch ins Leben gerufenen Ute-Bock-Preis für Zivilcourage. 2023 erhielt Helga Feldner-Busztin mit anderen Zeitzeuginnen und Zeitzeugen den Simon-Wiesenthal-Preis.

Wir danken

Das Team des OeAD-Programms ERINNERN:AT und das BMBWF danken Helga Feldner-Busztin für ihren unermüdlichen Einsatz als Zeitzeugin.

„Mit großem Bedauern habe ich vom Tod von Helga Feldner-Busztin erfahren, einer unermüdlichen Zeitzeugin, deren Stimme für Menschlichkeit vielen Schülerinnen und Schüler in lebendiger Erinnerung bleiben wird. Seit den 1990er Jahren hat sie mit großem Engagement ihr Leben, ihre Verfolgungsgeschichte und ihre Erfahrungen an Schulen geteilt und damit Generationen von Schülerinnen und Schülern inspiriert und zur Reflexion angeregt. Helga Feldner-Busztins unerschütterlicher Einsatz für die Erinnerung an den Holocaust und ihre Warnung vor Antisemitismus und Unmenschlichkeit kann uns als leitendes Beispiel dienen. Mein tiefes Mitgefühl gilt der Familie von Helga Feldner-Busztin in dieser schweren Zeit. Möge ihre Botschaft der Menschlichkeit niemals vergessen werden.“ - Bildungsminister Martin Polaschek

Uns bleibt Helga Feldner-Busztin als Vorbild in Erinnerung, stets kritisch und wachsam, herzlich und unglaublich kraftvoll. Wir werden das Andenken an sie und ihre Lebenserfahrungen wahren und übermitteln ihrer Familie unsere tiefe Anteilnahme.

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