USC Shoah Foundation testet erstes deutschsprachiges interaktives Zeitzeugnis – Österreichische Schulklassen nehmen an Online-Workshops teil

_erinnern.at_ ist langjähriger Kooperationspartner der USC Shoah Foundation. Nun wurden Schulklassen der Oberstufe und das Projekt „Dimensions in Testimony“ zusammengeführt und in Workshops eine Interaktion mit einem Interview der Zeitzeugin Anita Lasker-Wallfisch erprobt.

Visual History Archive und IWitness

Die USC Shoah Foundation führt seit den frühen 1990er Jahren Video-Interviews durch, um eine Sammlung von Interviews mit Überlebenden und anderen ZeugInnen des Holocaust zu schaffen. Mit über 55.000 ZeitzeugInnen-Interviews aus 64 Ländern in 42 Sprachen ist das Visual History Archive heute eines der größten digitalen Videoarchive der Welt. Darunter befinden sich fast tausend ZeitzeugInnen-Gespräche in deutscher Sprache.

Um diese Sammlung für Schulen zu erschließen, wurde die kostenlose Lernwebsite IWitness entwickelt. Das Angebot richtet sich an die Sekundarstufe I & II sowie an Studierende. Für PädagogInnen bietet IWitness zudem zahlreiche Hilfestellungen für den Unterricht mit ZeitzeugInnen-Videos. Seit Januar 2020 arbeitet _erinnern.at_ gemeinsam mit PartnerInnen aus der Schweiz (Pädagogische Hochschule Luzern) und Deutschland (Europa-Universität Flensburg) an einem Angebot über die Bildungsplattform IWitness zum historischen und politischen Lernen in deutscher Sprache. Bisher gibt es folgende deutschsprachige Activities als Lernangebote: - Link

Dimensions in Testimony

Das von der USC Shoah Foundation entwickelte interaktive Zeitzeugnis-Format „Dimensions in Testimony“ ist das weltweit erste Projekt, das eine Interaktion mit Videobiografien von Überlebenden des Holocaust ermöglicht. BenutzerInnen können mit vorab und eigens dafür aufgezeichneten Interviews von Überlebenden in eine Frage-Antwort-Interaktion treten. Diese Interaktivität ist ein integraler Bestandteil der Erfahrung von „Dimensions in Testimony“ – die Aussage der Überlebenden wird erst dann aktiviert, wenn zuvor eine Frage gestellt wurde.

Anita Lasker-Wallfisch wurde bereits 2015 auf Englisch für das „Dimensions in Testimony“-Programm befragt. Ihr im März 2019 in London aufgezeichnetes Interview ist das erste deutschsprachige interaktive Zeitzeugnis. Sanna Stegmaier, die das Projekt der USC Shoah Foundation wissenschaftlich begleitet, hat das Interview geführt, sie erläutert: „Dimensions in Testimony ersetzt die direkte Begegnung mit ZeitzeugInnen nicht, sondern dokumentiert die Lebenserfahrungen der Überlebenden, so, wie sie sich in ihren eigenen Worten daran erinnern. Ziel des Programms ist es, die Erinnerungen von Überlebenden zu bewahren und eine interaktive Auseinandersetzung mit ihren Worten auch für künftige Generationen zu ermöglichen.“

Testphase des interaktiven Zeugnisses mit Schulklassen

Die im Februar 2020 begonnene Testphase des interaktiven Zeitzeugnisses im Deutschen Technikmuseum musste aufgrund der Corona-Pandemie unterbrochen werden. Bis Ende Januar 2021 testet die USC Shoah Foundation mit Schulklassen – auch in Österreich. Sowohl die Produktion als auch die Beta-Testphase des ersten deutschsprachigen interaktiven Zeitzeugnisses werden von der Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ gefördert.

Das Projekt wendet sich an Lehrende, die die Themen Nationalsozialismus und Holocaust bereits im Unterricht thematisiert haben. Im Rahmen von begleiteten Online-Workshops erhalten SchülerInnen Zugang zum interaktiven Zeitzeugnis über die Website IWitness und können eigene Fragen stellen.

Christian Mathies, Geschichte-Lehrer am Bundesrealgymnasium In der Au Innsbruck, hat Ende November 2020 mit einer Klasse am Testing teilgenommen. „Für den Geschichteunterricht ist das interaktive Zeitzeugnis ein absoluter Gewinn. Vor allem der Umstand, dass alle ihre eigenen Fragen stellen können bzw. müssen, bringt einen großen Mehrwert für das Unterrichtsgeschehen mit sich. Auch wenn es die persönlichen Erfahrungen eines direkten ZeitzeugInnengesprächs nicht ersetzen kann, bietet das interaktive Zeitzeugnis einen wertvollen Zugang für gelingende Lernsituationen zur Thematik der Shoah.“

Auch Adeline Heim unterrichtet am BRG In der Au und hat mit einer Klasse teilgenommen: „Für meine SchülerInnen war die Teilnahme am interaktiven Workshop eine wertvolle und zugleich intensive Erfahrung.  Viele waren nach dem Interview sehr berührt und haben zurückgemeldet, wie beeindruckt sie von Anita Lasker-Wallfisch waren. Die Möglichkeit zu haben einer Zeitzeugin vielfältige - je nach persönlichem Interesse - Fragen zu stellen und entsprechende Antworten zu bekommen, hat nachhaltig Eindruck bei meinen SchülerInnen hinterlassen.“

Zum Bericht auf der Website des BRG In der Au: - Link

Der nächste Schritt für das Projekt ist die Einbindung als pädagogisch aufbereitetes Workshop-Format in die Lernplattform IWitness.

 

Über Anita Lasker-Wallfisch

 Anita Lasker Wallfisch wurde 1925 in eine bildungsbürgerliche jüdische Familie in Breslau geboren. Ihr Vater war Rechtsanwalt, ihre Mutter Musikerin. Sie hatte zwei ältere Schwestern, Marianne und Renate, und erhielt schon früh Cello-Unterricht. 1942 wurden ihre Eltern deportiert und ermordet. Anita und ihre Schwester Renate mussten Zwangsarbeit in einer Papierfabrik leisten. Nach einem misslungenen Fluchtversuch wurden sie verhaftet und 1943 nach Auschwitz deportiert. Als Cellistin im Frauenorchester überlebte Anita Lasker Auschwitz und wurde gemeinsam mit ihrer Schwester im April 1945 aus Bergen-Belsen befreit. Nach dem Krieg ging sie nach England und war Mitbegründerin des English Chamber Orchestra. Als prominente Vertreterin der deutschen Überlebenden der Shoah wurde sie eingeladen, am Internationalen Tag des Gedenkens 2018 an die Opfer des Holocaust vor dem Deutschen Bundestag zu sprechen. 2019 erhielt sie zudem den Deutschen Nationalpreis für ihren Einsatz für die Holocausterinnerung und gegen Antisemitismus.

 

 

Kontakt:

Sanna Stegmaier, wissenschaftliche Mitarbeiterin, USC Shoah Foundation

sanna.stegmaier@kcl.ac.uk

Karen Jungblut, Director of Programs and Acquisition, USC Shoah Foundation

jungblut@college.usc.edu