Béla Rásky, Regina Fritz, Eva Kovács (Hg.): Als der Holocaust noch keinen Namen hatte / Before the Holocaust had its Name
In der Historiografie ging man lange davon aus, dass es bald nach 1945 zu einer unausgesprochenen Übereinkunft gekommen war, den Judenmord zu beschweigen. Erst jüngst wird dies infrage gestellt. Die bis in die frühen 1950er-Jahre hinein angestellten Bemühungen, die postnazistischen Gesellschaften über die Verbrechen des NS-Regimes aufzuklären und sie mit diesen zu konfrontieren, werden wiederentdeckt.
Die Vortragenden der Simon Wiesenthal Conference 2012 fragten nach den konkreten Maßnahmen, das begangene Unrecht nach dem Krieg als solches anzuerkennen: Welche Versuche gab es, den Massenmord zu thematisieren, zu dokumentieren, der Opfer der NS-Vernichtungspolitik zu gedenken, Verantwortlichkeiten zu klären und die „Schuldfrage“ zu stellen? Wieso nahmen diese unterschiedlichen, in vielen Bereichen spätere Fragestellungen schon vorwegnehmenden und zudem durchaus radikalen Aufarbeitungsprozesse im östlichen wie auch im westlichen Europa einen so ähnlichen Verlauf und wieso verstummten sie etwa zur gleichen Zeit? Unter welchen Bedingungen fanden die konkreten (geschichts-)politischen und kulturellen Maßnahmen, Gesten und Äußerungen, das begangene Unrecht unmittelbar nach dem Krieg als solches anzuerkennen, sich ihm zu stellen, statt? Wie sah die Interaktion der nichtstaatlichen geschichtspolitischen Akteure mit der Politik aus und welche politischen Interessen verbanden sich mit den Bemühungen, die Vergangenheit aufzuarbeiten? Wie ist der Einfluss außenpolitischer Überlegungen auf die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit zu bewerten und ab wann sind erste Tabuisierungstendenzen feststellbar?
Die Studien der beiden einleitenden Teile – „Räsonieren oder Kategorisieren. Erste Versuche des Dokumentierens und Verstehens“ sowie „Erzählen und Beschreiben. Der Holocaust zwischen Betroffenheit und Wissenschaft“ – untersuchen die ersten Anläufe, die begangenen Verbrechen zu dokumentieren, zu beschreiben, aber vor allem zu verstehen.
Der folgende Abschnitt „Riten der Erinnerung: Die Macht der Erinnerung“ beschäftigt sich mit den frühen Ansätzen, der Erinnerung an das Morden einen adäquaten Rahmen zu geben, während „Besprechen und Aufarbeiten. Literarische Reflexionen“ sich mit den schriftstellerischen Annäherungs- und Aufarbeitungsformen in den unmittelbaren Nachkriegsjahren auseinandersetzt. „Schuldfrage: Thematisieren, Verdrängen und Tabuisieren“ widmet sich schließlich der schon in den 1940er-Jahren durchaus widersprüchlichen Auseinandersetzung mit der eigenen Involvierung in die nationalsozialistischen Verbrechen.
Béla Rásky ist Direktor des Wiener Wiesenthal Instituts für Holocaust-Studien (VWI).
Regina Fritz ist Projektmitarbeiterin bei der Edition „Die Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden durch das nationalsozialistische Deutschland 1933–1945 (VEJ)“.
Eva Kovács ist wissenschaftliche Programmleiterin des VWI.
Béla Rásky, Regina Fritz, Eva Kovács (Hg.): Als der Holocaust noch keinen Namen hatte / Before the Holocaust had its Name
Zur frühen Aufarbeitung des NS-Massenmordes an Jüdinnen und Juden
Early Confrontations of the Nazi Mass Murder of the Jews
Simon Wiesenthal Conference 2012, nap - new academic press - link