Vermeiden Sie einfache Antworten zu einem komplexen historischen Geschehen.

Mit dem Wunsch "Lehren zu ziehen" begibt man sich in die Gefahr, den Holocaust auf allzu simple Art zu erklären, ohne die historischen Zusammenhänge zu berücksichtigen, in denen Entscheidungen getroffen wurden. Ein derartiges Vorgehen kann die Einsicht der Schüler/innen in komplexe Ereignisse auf schlichte Lehren über falsch oder richtig reduzieren –  "der Holocaust fand statt, weil die Menschen nicht die richtigen moralischen Entscheidungen trafen" – und dies kann zu einem oberflächlichen Verständnis der Geschichte führen.

Die Schüler/innen sollten zunächst einmal historischen Fragen nachgehen. Sie können sich zum Beispiel damit befassen, inwiefern und warum sich das Schicksal der Juden in verschiedenen Ländern so unterschiedlich gestaltete; auch kann erforscht werden, wie sich das deutsche Besatzungsregime von Land zu Land unterschied. Derartige Untersuchungen führen unvermeidlich zu ethischen Fragen. Dabei sollten die Schüler/innen angehalten werden, die Vergangenheit ohne Überheblichkeit zu betrachten. Es ist einfach, diejenigen zu verdammen, die sich weigerten, ihre jüdischen Nachbarn zu verstecken oder ihnen zu helfen, aber einfache moralische Urteile über diese Zuschauer werden weder zu einem vertieften Geschichtsverständnis führen, noch unsere Schüler/innen zu besseren Staatsbürgern machen.

Angesichts der Komplexität dieser Geschichte sollten die Schüler/innen die Möglichkeit haben, sich auch eingehend mit den Dilemmata der Retter zu befassen, die jeden Tag darüber entscheiden mussten, ob sie weiterhin ihr Leben und das ihrer Familien riskieren sollten, um denjenigen zu helfen, die sie versteckten; sie sollten untersuchen, warum die Alliierten nicht mehr taten, um die Juden zu retten; warum einige der Judenräte Listen zur Deportation ihrer jüdischen Mitmenschen in die Todeslager erstellten; warum die meisten Menschen in den besetzten Ländern nichts taten, um ihren jüdischen Nachbarn zu helfen; warum gewöhnliche Männer und Frauen bereitwillig den Massenmord ausführten.

Dieses komplexe Thema führt nicht immer zu einfachen Antworten, viel häufiger ergeben sich daraus weitere Fragen anstelle von Antworten. Jugendliche sollten sich bewusst machen, dass es auf einige Fragen keine Antworten gibt.

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