Vermeiden Sie es, das Leiden einer Opfergruppe mit dem einer anderen zu vergleichen.

Wenn die allgemein gültigen Lehren aus der Untersuchung dieser Epoche wirklich verstanden werden sollen ­–  wenn wir argumentieren, dass Jugendliche durch die Auseinandersetzung mit dem Holocaust für Verfolgung, Diskriminierung und Hass in der Welt von heute sensibilisiert werden sollen – dann sollten die Erfahrungen aller Opfer der Verfolgung durch die Nationalsozialisten und der ideologische Hintergrund dieser Verfolgung in Ihren Unterricht aufgenommen werden.

An der Besonderheit der jüdischen Verfolgungserfahrungen können wir über die Diskriminierung, die Entrechtung, die Beraubung und die Ermordung lernen, die aus dem Rassenantisemitismus der Nationalsozialisten resultierten. Jedoch müssen wir für andere Beispiele  von Hass und Intoleranz – die ebenso relevant für die moderne Gesellschaft sind – unseren Blickwinkel erweitern: auf die Verfolgung und den Mord an Roma und Sinti, Homosexuellen, Kommunisten, politischen Dissidenten und sozial Unangepassten durch die Nationalsozialisten.

Das Leiden aller Opfer der Verfolgung durch die Nationalsozialisten muss ohne Relativierung der jüdischen Erfahrung behandelt werden. Es darf keine Hierarchie des Leidens geben, weder in der Geschichte der NS-Zeit noch zwischen dem Holocaust und anderen Völkermorden.

Die Erfahrungen der "anderen Opfer" sollten nicht auf eine Zusatzstunde verschoben werden, in der jede dieser einzelnen Gruppen behandelt würde, als ob sie gleich wären. Stattdessen sollte die Geschichte dieser Gruppen in die Berichte über die Verfolgung des jüdischen Volkes einbezogen werden, beispielsweise könnten die Ähnlichkeiten und Unterschiede zwischen dem Völkermord an den Juden und dem an Roma und Sinti untersucht werden; auch die Kontinuität zwischen dem „Euthanasie“-Programm und den Todeslagern in Osteuropa hinsichtlich des Personals und der angewandten Methoden können zum Gegenstand der Untersuchung gemacht werden.

Eine derartige Vorgehensweise sollte nicht nur der Verfolgung anderer Opfer Raum geben, sie sollte auch zu einem Verständnis der Besonderheit der jüdischen Erfahrungen beitragen und dabei helfen, den Holocaust in einen weiteren historischen Kontext zu stellen. Ebenso wie es nicht möglich ist, den Massenmord am jüdischen Volk ohne den Kontext des Zweiten Weltkrieges zu erklären, ist es gleichermaßen unangemessen, diese Geschichte losgelöst von der Verfolgung anderer Opfergruppen zu untersuchen.

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