Marko Feingold ist im 107. Lebensjahr in Salzburg verstorben
Der 1913 in Besztercebanya/Neusol geborene Zeitzeuge und langjährige Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Salzburg ist am 19. September 2019 im 107. Lebensjahr verstorben.
Marko Feingold wurde 1913 in Besztercebanya/Neusohl, in der heutigen Slowakei, geboren und wuchs in der Wiener Leopoldstadt auf. Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten wurde er verhaftet, 1939 in der Tschechoslowakei eingesperrt und 1940 in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert. Über die Konzentrationslager Neuengamme und Dachau kam er schließlich 1941 nach Buchenwald, wo er die Befreiung durch die US Army erlebte. Danach kam er eher durch Zufall nach Salzburg, wo er sich niederließ und jüdische Flüchtlinge unterstützte. Von 1979 bis zu seinem Tod war er Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Salzburg. Feingold war im ZeitzeugInnenprogramm des BMBWF und _erinnern.at_ aktiv und besuchte noch im vergangenen März das ZeitzeugInnen-Seminar von _erinnern.at_.
Auschwitz, Neuengamme, Dachau, Buchenwald
Sechs Jahre lang wurde Feingold von einem Konzentrationslager ins nächste deportiert. Die Internierung in Auschwitz blieb ihm als besonders entmenschlichend in Erinnerung, als man ihm und seinem Bruder überall die Haare abrasierte, in seinen Lebenserinnerungen schreibt er: „Am meisten demütigend war es am Kopf“. Sein geliebter Bruder Ernst überlebte nicht. Der zwei Jahre ältere Ernst wurde im Konzentrationslager Neuengamme ermordet.
Nach der Befreiung durch die Alliierten verschlug es ihn, durch einen Zufall, nach Salzburg. Hier leitete er eine Verpflegungsstätte für politisch Verfolgte und es gelang ihm in den darauffolgenden Jahren, unzähligen KZ-Überlebenden bei ihrer Flucht nach Palästina, ins heutige Israel, zu helfen. Die Flucht nach Israel war für den stolzen Wiener Feingold keine Option: „Ich bin in einer gemischten Bevölkerung aufgewachsen, mit der lebe ich zusammen, das beherrsche ich – und das behagt mir!“
Sein Engagement für jüdische Flüchtlinge ermöglichte zehntausenden die Flucht nach Palästina. Als die britischen Behörden 1947 die Einreise von Displaced Persons in das britische Mandatsgebiet einschränkten, organisierte der unerbittliche Feingold eine abenteuerliche Fluchtroute: Über die Krimmler Tauern in 2634 Metern Höhe gelang bis zu 5.500 Menschen die Flucht Richtung Haifa und Tel Aviv.
Marko Feingold als Zeitzeuge
Im Ruhestand als Kaufmann ist Marko Feingold eigentlich schon seit 1977, aber so etwas wie Ruhestand kannte der älteste Holocaustüberlebende Österreichs nicht wirklich. Der in der Wiener Leopoldstadt aufgewachsene Feingold war ein aktiver Zeitzeuge: 2016 sprach Feingold im Rahmen von _erinnern.at_ organisierten Gesprächen noch 28 Mal zu Schulklassen, 2017 sprach Feingold am „March of the Living“ vor 600 SchülerInnen in Auschwitz, wohin er vor 79 Jahren deportiert worden war. Doch langsam reduzierte Feingold seine Begegnungen mit SchülerInnen in den vergangenen Jahren, um ihm den beschwerlichen Weg in die Schulen zu ersparen, konnten SchülerInnen den Auschwitz-Überlebenden in seiner Synagoge in Salzburg besuchen.
Würdigung eines unermüdlichen Zeitzeugen
„Für erinnern.at, das Holocaust Education Institut des BMBWF, war Feingold ein wichtiger Zeitzeuge, Mahner und Volksbildner, Humanist und Mensch, der engagiert bei jeder Begegnung mit ihm gezeigt hat, dass uns seine Geschichte und die Geschichte des Holocaust tagtäglich auf das Neue etwas angeht. Seit mehr als 20 Jahren hat Marko Feingold unermüdlich bei Zeitzeugenseminaren für Lehrkräfte von seinem Leben und Überleben erzählt und immer wohlwollend unzählige Schulklassen in Schulen besucht“, so Bildungsministerin Iris Rauskala zum Ableben von Marko Feingold.
„Marko Feingold war über Jahrzehnt ein engagierter Zeitzeuge und hat Lehrerinnen und Lehrer, Schülerinnen und Schüler mit seiner Geschichte, seinen Erzählungen und seinem pädagogischen Zugang des ‚Niemals wieder!‘ für viele Schülergenerationen unvergessliche Lernerfahrungen über die Zeit des Nationalsozialismus und Holocaust ermöglicht! Er wird uns fehlen!“, so MR Mag. Manfred Wirtitsch, Stellvertretender Obmann von _erinnern.at_ und Leiter der Grundsatzabteilung und überfachliche Kompetenzen im BMBWF.
Feingold berichtete regelmäßig über seine sieben Jahre in unmenschlicher Haft am ZeitzeugInnen-Seminar von _erinnern.at_. Am ZeitzeugInnen-Seminar treffen Überlebende des Holocaust und LehrerInnen zusammen, Marko Feingold war jedes Jahr dabei. Bei der Vorstellung der ZeitzeugInnen, in der Eröffnung des Seminars, fragte einst der Moderator „Wer ist der jüngste Zeitzeuge im Raum?“ Worauf Feingold mit einem breiten Grinsen aufstand und verkündete: „Das werde wohl ich sein!“. Marko Feingolds Humor, seine engagierten Zeitzeugenberichte und sein unermüdliches Engagement wird Vielen in Erinnerung bleiben.
Martina Maschke und Manfred Wirtitsch für den Vorstand und das gesamte Team von _erinnern.at_ zeigen sich tief betroffen vom Ableben von Marko Feingold. Unser Mitgefühl ist bei seiner Familie und seinen Freundinnen und Freunden.
Links:
Das ZeitzeugInnen-Programm: - Link
Presseaussendung des BMBWF: -Link
Marko Feingold: Wer einmal gestorben ist, dem tut nichts mehr weh. Eine Überlebensgeschichte. Salzburg, 2012.
Der Kurier: Marko Feingold im Interview: "Geschichte kann sich wiederholen"
Hubert Gaisbauer: Laudatio für Hofrat Marko Feingold 2010
Alexandra Föderl-Schmid/ Konrad Rufus Müller: "Unfassbare Wunder. Gespräche mit Holocaust-Überlebenden in Deutschland, Österreich und Israel". - Link