Nationalrat rehabilitiert Opfer des Austrofaschismus

Der Nationalrat hat am 18. Jänner 2012 mit den Stimmen aller fünf Parlamentsparteien die Rehabilitierung von Opfern des Austrofaschismus beschlossen

Mit dem "Aufhebungs- und Rehabilitierungsgesetz" werden nun alle Personen rehabilitiert, die zwischen 6. März 1933 und 12. März 1938 ("Anschluss" an Deutschland) verurteilt, angehalten bzw. ausgebürgert wurden, weil sie sich für ein unabhängiges und demokratisches Österreich eingesetzt hatten. Auch politische Meinungsäußerungen sind ausdrücklich umfasst. Alle diesbezüglichen Urteile von Straf-, Sonder- und Standgerichten werden aufgehoben, ihr Unrecht wird in einer eigenen Klausel dezidiert festgehalten und den Justizopfern wird Anerkennung gezollt.

"Ich werde mit meinem Optimismus langsam lächerlich. Ja, ich muss Optimist bleiben, auch hier drinnen", schrieb Bruno Kreisky Anfang 1935 in sein Gefängnistagebuch. Beinahe 77 Jahre später hat nun Kreiskys Optimismus eine späte Erfüllung erfahren. Denn nach jahrelangem Hin und Her hat der Nationalrat am Mittwoch ein Gesetz zur Rehabilitierung der Opfer des Austrofaschismus verabschiedet. Damit ist auch die Verurteilung des späteren SPÖ-Bundeskanzlers (1970 bis 1983) wegen Hochverrats zu einem Jahr Kerker nichtig.


Bundesgesetz über die Aufhebung und Rehabilitierung (Aufhebungs- und Rehabilitierungsgesetz 2011): - download

Beschlussformel (Nationalrat, 18. Jänner 2012): - download

 

Katharina Schmidt: Ein später Akt der Gerechtigkeit ( Wiener Zeitung, 18.1.2012) - link

Harald Walser: Ein historischer Schritt (Standard, 16. Jänner 2012):

"Das 'Republikdenkmal' vor dem Parlament war den Gegnern von Demokratie und republikansischer Staatsform in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg ein ständiger Dorn im Auge. Es war daher kein Zufall, dass es unmittelbar nach dem blutigen Bürgerkrieg und der Niederschlagung der Sozialdemokratie im Februar 1934 von den austrofaschistischen Machthabern symbolisch mit Kruckenkreuzfahnen verhüllt, dann mit Holzplanken verbarrikadiert  und schließlich ganz abgetragen wurde.
Die damals geschlagenen Wunden waren tief und vernarbten nie richtig. Auch nach der auf den Austrofaschismus folgenden nationalsozialistischen Katastrophe und dem Ende des Zweiten Weltkriegs blieb die Einschätzung dieser Epoche ein Streitfall. SPÖ und ÖVP gerieten sich über die Bewertung der Zeit zwischen 1933 und 1938 all die Jahrzehnte ständig in die Haare." - link