Nachkriegsjustiz: Prozess gegen ehemaligen SS-Wachmann gestartet

In Deutschland steht ab dem 06.11.2018 ein ehemaliger SS-Mann vor Gericht.

Wegen hundertfacher Beihilfe zum Mord im Konzentrationslager Stutthof steht ab Anfang November ein 94-Jähriger vor dem Landgericht Münster in Deutschland. Im KZ Stutthof wurden mindestens 27.000 Häftlinge ermordet.

 

Überlebende begrüßen Prozess

Das Internationale Auschwitz Komitee, in dem Überlebende der Konzentrations- und Vernichtungslager organisiert sind, im begrüßt ausdrücklich den in Münster beginnenden Prozess gegen einen ehemaligen SS-Wachmann des Konzentrationslagers Stutthof.

Hierzu betonte Christoph Heubner, der Exekutiv-Vizepräsident des Internationalen Auschwitz Komitees:

"Wir danken insbesondere den Überlebenden des Lagers und ihren Angehörigen für den Mut und die Entschlossenheit, in Münster als Nebenkläger auszusagen. Dies werden schmerzliche Tage für sie alle. Sie haben so wie alle Überlebenden unendlich lange auf die deutsche Justiz und auf die Gerechtigkeit warten mussten. Doch auch dieser Prozess ist für Deutschland und ganz besonders für die jungen Menschen in Deutschland eine Chance: Nämlich von dem Angeklagten zu erfahren, wie er als junger Mensch in die Wachmannschaft der SS hineingeraten ist und mit welchen Menschen, Bildern und Ereignissen er in Stutthof konfrontiert und an welchen Verbrechen er beteiligt war. Die Aussage des Rechtsanwaltes des Angeklagten, sein Mandant wolle aussagen, läßt hoffen: Zu lange und zu feige haben SS-Angehörige im Nachkriegsdeutschland ihre Verbrechen in ihrem Schweigen und im Desinteresse der anderen verbergen können. Sie sind so der jungen Generation in Deutschland die Wahrheit über die Geschichte schuldig geblieben“.

Der Vizepräsident des Überlebendenkomitees hofft, in Erinnerung an den jüngsten antisemitischen Anschlag in den USA, dass „gerade in einer Welt, in der erneut jüdische Menschen getötet werden und der Hass aus vielen Ritzen springt, vermag hoffentlich der Blick nach Stutthof uns daran zu erinnern, wo Deutsche und alle Menschen nie wieder hingeraten sollten".

 

Prozesse wegen NS-Verbrechen in Österreich

Das letzte Urteil in einem Prozesse wegen NS-Verbrechen gab es in Österreich 1975. Damals wurde ein ehemaliger SS-Mann wegen Verbrechen im KZ Mauthausen freigesprochen.  Am 2. Dezember 1975 ging am Wiener Straflandesgericht ein Prozess gegen einen ehemaligen SS-Mann wegen Verbrechen im KZ Mauthausen zu Ende – es war das letzte Urteil in einem NS-Prozess in Österreich. Der Angeklagte war schon 1972 von Linzer Geschworenen freigesprochen worden, der Oberste Gerichtshof hatte dieses Urteil aufgehoben. „Der neuerliche Freispruch in Wien ließ offenbar die Justiz am Sinn derartiger Prozesse zweifeln: Die noch laufenden Verfahren wegen NS-Verbrechen wurden eingestellt, und es dauerte ein Vierteljahrhundert – bis zum "Fall Gross" – bis wieder ein NS-Täter in Österreich vor Gericht gestellt wurde. Während in der Bundesrepublik Deutschland noch in den achtziger Jahren große NS-Prozesse über die Bühne gingen und die italienische Justiz die Verfolgung nationalsozialistischer Gewaltverbrechen wieder aufnahm, bewirkte in Österreich nicht einmal die Waldheim-Diskussion ein Umdenken“, scheibt das Informationsportal nachkriegsjustiz.at.

 

Weiterlesen:

ORF Artikel über den Prozess: - Link

Pressemitteilung des Internationalen Auschwitz Komitees: Stutthof-Prozess in Münster: Die Täter sind der jungen Generation in Deutschland die Wahrheit über die Geschichte schuldig: - Link

Informationen über die Prozesse wegen NS-Verbrechen in Österreich: nachkriegsjustiz.at