Stefan Ruzowitzky: Das radikal Böse. Jetzt als DVD erhältlich

Der neue Film von Oscar-Preisträgers Stefan Ruzowitzky ist in den Kinos. Was hat ganz normale Männer dazu gebracht, zweieinhalb Millionen Frauen, Kinder und Greise zu erschießen – jedes Opfer einzeln? Ein Filmessay des Oscar-Preisträgers Stefan Ruzowitzky versucht, darauf eine Antwort zu geben. Er hat dazu Tagebuchaufzeichnungen, Briefe und Aussagen von Mitgliedern von Erschießungskommandos ausgewertet. Schülervorstellungen können gebucht werden! Ab 24.10.2014 als DVD erhältlich!

Infos und Trailer zum Film: - link

DVD-Bestellung: Das radikal Böse

Material für die Schulen: - download

Kritische Anmerkungen zum Material von Gerald Lamprecht (_erinnern.at_):

Mit dem Film „Das radikal Böse“ widmet sich Stefan Ruzowitzky einem in der Öffentlichkeit noch immer weitgehend unbekannten Teil des Holocaust – der massenhaften Ermordung von Jüdinnen und Juden durch Einsatzgruppen der SS unter Beteiligung und Mitwirkung von ortsansässigen Hilfstruppen wie auch Teilen der Wehrmacht.

Der Film, der zweifelsohne ein wichtiges Thema behandelt, wurde als „pädagogisch wertvoll“ eingestuft und in diesem Sinne auch besonders für Schulen beworben. Zum Einsatz im schulischen Kontext wurden nun angefügte Schulmaterialien von den Machern des Films erarbeitet.

Diesen Materialien wollen wir noch einige kritische Überlegungen zur Seite stellen:

  • Die Grundaussage des Film lautet , dass auf Grund menschlicher Eigenheiten und Dispositionen jeder zum Mörder werden kann, wenn die Rahmenbedingungen entsprechende sind. Dies kann man mit den im Film angesprochenen Experimenten zum autoritären Charakter und zur Konformität auch zeigen. Vernachlässig wird dabei jedoch im historischen Kontext, dass es sich bei den Mitgliedern der Einsatzgruppen keineswegs nur um „normale Männer“ gehandelt hat. Vielmehr waren diese Mitglieder der SS, des SD und somit im Sinne der Nationalsozialistischen eine ideologische Elite.  Es scheint uns daher wichtig zu sein, in diesem Kontext auch  vermehrt über Ideologie zu sprechen. Denn diese ist mehr als bloße Propaganda und verweist stark auf die handelnden Personen selbst. Diese waren zum Großteil eben nicht einfach von der Propaganda Verführte/Geblendete oder Unschuldige die in diese Situationen hineingestolpert sind und dann keinen Ausweg mehr fanden.
  • In dem genannten Kontext wäre es sicher lohnenswert sich verstärkt mit jenen zu beschäftigen, die sich aus dem Erschießungskommandos zurückzogen. Warum taten sie das? Was geschah mit ihnen?
  • Weiters scheint es wichtig zu sein, dass der Umgang mit den Quellenmaterialien im Film kritisch diskutiert wird. Denn es stellt zweifelsohne einen Unterschied dar, ob jemand in der Zeit einen Feldpostbrief an seine Verwandten schickt, oder in einem Gerichtsverfahren viele Jahre später, in dem seine Schuld verhandelt wird, eine Zeugenaussage macht. Wichtig wäre daher auch die Debatte über historische Quellen und ihren Einsatz im Film.


Schul- und Gruppenvorstellungen können in ganz Österreich im Kino Ihrer Wahl gebucht werden. Einige Kontakte finden Sie hier: http://www.kinomachtschule.at/filme/radikalboese_kinos.html

Die regulären Spielzeiten finden Sie hier: http://www.film.at/das-radikal-boese/

Pressestimmen:

"Was lernt der Mensch aus der Geschichte? Der unbekannte Holocaust: Was hat ganz normale Männer dazu gebracht, zweieinhalb Millionen Frauen, Kinder und Greise zu erschießen – jedes Opfer einzeln? Ein Filmessay des Oscar-Preisträgers Stefan Ruzowitzky versucht, darauf eine Antwort zu geben.
Man kennt das Verbrechen von Auschwitz. Man hat vielleicht auch schon vom Massaker von Babij Jar gehört, jener Schlucht bei Kiew, in der 33.000 jüdische Männer, Frauen und Kinder innert 36 Stunden erschossen wurden. Man weiß von anderen namenlosen Orten, zu denen Deportationszüge fuhren. Man erinnert sich auch an die Empörung der Großväter, als eine Ausstellung erstmals die Verbrechen der Deutschen Wehrmacht in Osteuropa und am Balkan aufzeigte. Doch das wahre Ausmaß des Massenmords durch Erschießungen von Frauen, Kindern und Greisen ist bisher kaum ins Bewusstsein gedrungen. Oscar-Preisträger Stefan Ruzowitzky hat daraus einen Filmessay mit dem Titel „Das radikal Böse“ gemacht. Er bricht ein Tabu. Er spricht über den vergessenen Holocaust, die systematische Ermordung von etwa zweieinhalb Millionen Menschen in Osteuropa, die aus ihren Häusern geholt, auf Lastwagen verladen, zu ausgehobenen Gruben gebracht und an Ort und Stelle in ihr Grab geschossen wurden: Von SS und Waffen-SS, von einfachen Soldaten der Wehrmacht, von Schutzpolizisten, die zu Friedenszeiten noch den Verkehr geregelt hatten, von ganz normalen jungen Männern, die selbst Familienvater waren und Fotos ihrer Frauen und Kinder im Portemonnaie trugen.

Zwei Jahrzehnte nach der Ur-Katastrophe des Ersten Weltkrieges, der auf den Schlachtfeldern grausam wie nie zuvor geführt worden war, wurden nun millionenfach Unschuldige ermordet. „Was machen wir bloß? Was machen wir bloß?“, schrieb einer, der mitgemacht hatte, nach Hause. „Es war grauenhaft, wenn man die Leichen unter den Stiefeln spürte“, gestand ein anderer.

Ruzowitzky stellt die Frage, was Menschen dazu bringt, so zu handeln, dass sie die Werte ihrer Kultur ins Gegenteil pervertieren, warum ein angepasster Bürger zum Mörder wird, der auf wehrlose Menschen schießt, aus nächster Nähe, nicht im Affekt, sondern weil es befohlen wurde und weil auch die anderen es taten. Ruzowitzky hält sich nicht mit historischen Details des Feldzuges der Deutschen im Osten auf, auch nicht mit der genauen Angabe von Schauplätzen und den dazugehörigen Einheiten. Seine Genauigkeit liegt auf einem anderen Feld. Der Film basiert auf Originalzitaten der Täter. Aus dem Off werden Passagen aus Feldpostbriefen, Tagebüchern und Gerichtsprotokollen zitiert. Ruzowitzky möchte zeigen: Das Böse beginnt harmlos..."

Aus: Marianne Enigl und Christa Zöchling, Der unbekannte Holocaust, Profil, Printversion, Nr. 2, 45. Jg., 3.1.2014, S. 16-23. Dazu weiters Stefan Grissemann: Die Logik des Spiels, ebenda, S. 24.

 

"Am 10. Oktober 1941 schrieb Walter Mattner, im Zivilberuf Polizeisekretär in Wien, zu diesem Zeitpunkt Mitglied einer `Einsatzgruppe' in Weißrussland, an seine Frau in der Heimat: 'Bei den ersten Wagen hat mir etwas die Hand gezittert, als ich geschossen habe, aber man gewöhnt das. Beim zehnten Wagen zielte ich schon ruhig und schoss sicher auf die vielen Frauen, Kinder und Säuglinge. Eingedenk dessen, dass ich auch zwei Säuglinge daheim habe, mit denen es diese Horden genauso, wenn nicht zehnmal ärger machen würden. Der Tod, den wir ihnen gaben, war ein schöner, kurzer Tod (...) Säuglinge flogen in großem Bogen durch die Luft und wir knallten sie schon im Fliegen ab (...) Nur weg mit dieser Brut (...) Ich freue mich eigentlich schon, das (sic) wir in die Heimat zurückkehren, dann kommen unsere heimischen Juden dran. Na, ich darf dir nicht genug erzählen' (zit. nach C. Gerlach: Kalkulierte Morde)... Der Massenmörder Mattner wurde 1947 und 1964 in Wien vor Gericht gestellt, es kam aber nicht zur Verurteilung. Aus: Hans Rauscher, Kommentar "... und schoss sicher auf die Frauen und Kinder", DER STANDARD, 8.1.2014. - link


Michael Pekler: Gehorsam statt Schuldbewusstsein (Der Standard, Druckversion, 17.1.2014): - link

Heike Littger: Wie wird ein Mensch zum Massenmörder? (Zeit online, 15.1.2014): - link

 

"Selten zuvor hat ein Film die Ereignisse der Vergangenheit so greifbar in die Gegenwart transportiert und klar vor Augen geführt: In Sicherheit wiegen geht nicht. (...) Unweigerlich denkt man über sich selbst nach. Wie blind ist man für den tagtäglichen Rassismus? Befähigt man seine Kinder darin, Stellung zu beziehen, sich treu zu bleiben, Schwächeren zu helfen und Ausgrenzung auszuhalten? Was haben Verweigerer, was Mitläufer nicht haben?"