Online-Vortragsreihe: Nationalsozialistische Zwangsarbeit in Österreich

_erinnern.at_ veranstaltete zwischen November 2020 und Mai 2021 sieben Online-Vorträge und Online-Workshops über die Geschichte der nationalsozialistischen Zwangsarbeit in Österreich. Hier finden Sie alle Informationen zu den vergangenen Vorträgen sowie Dokumentationen und Texte zur Vertiefung.

Während der nationalsozialistischen Herrschaft in Österreich musste fast eine Million Menschen Zwangsarbeit in Industrie und Gewerbe sowie in der Landwirtschaft leisten. Es waren dies Männer und Frauen, die als sogenannte „fremdvölkische Zivilarbeiter“ verpflichtet wurden, Kriegsgefangene und KZ-Häftlinge. Die Vortragsreihe gibt einen historischen Überblick und Informationen über die Geschichte der Zwangsarbeit in den Bundesländern sowie die transnationale Bedeutung der Zwangsarbeit und Lehrpersonen erhalten Anregungen für den Geschichtsunterricht.

Die Online-Vortragsreihe entstand, weil das Zentrale Seminar 2020 "Unter Zwang arbeiten – Nationalsozialistische Zwangsarbeit in Landwirtschaft und Rüstungsindustrie“ wegen der SARS-CoV-2 Pandemie auf Frühling 2021 verschoben werden musste. Die Webinare beleuchteten ergänzend Aspekte der nationalsozialistischen Zwangsarbeit, ohne die für das Seminar geplanten Themen vorweg zu nehmen.

Rückblick: Programm und Dokumentation

Einmal im Monat beleuchteten Expertinnen und Experten von _erinnern.at_ ausgewählte Aspekte der NS-Zwangsarbeit. Den Beginn machte ein Einführungsvortrag von Falk Pingel, dem Sprecher des Wissenschaftlichen Beirats von _erinnern.at_, am 19. November. Im Folgenden finden Sie alle Themen und ReferentInnen der vergangenen Vorträge - ebenso stellen wir weiterführende Texte und entsprechende Berichterstattungen für Sie zur Verfügung.


Alle Termine der Vortragsreihe

19. November 2020 | 16:00-17:00 | Falk Pingel
Deportiert und entrechtet - Zwangsarbeit im "Reich" während des Nationalsozialismus

Ohne die Zwangsarbeiter/innen hätten weder die Waffenproduktion für die Wehrmacht noch die Lebensmittelversorgung der Bevölkerung gewährleistet werden können. Zwangsarbeit in großem Maßstab hat dazu beigetragen, dass der Krieg auch in Zeiten von Bombardements und schweren Verlusten fortgeführt werden konnte. Zwangsarbeiter/innen waren vielfach belastet, u.a. litten sie unter schlechter Ernährung, räumlicher Enge, Quälereien am Arbeitsplatz ...
Erstaunlich, wie schnell die Zwangsarbeit aus der aktiven Erinnerung wie dem öffentlichen Gedenken verschwunden war und auch von der historischen Forschung lange nicht beachtet worden ist – nicht nur in Deutschland, sondern auch in den meisten Herkunftsländern der Zwangsarbeiter/innen. Daher soll es in diesem Vortrag nicht nur um die Arbeits- und Lebensbedingungen, sondern auch um die verschlungenen Wege unseres Erinnerungsvermögens gehen.


Vortrag von Falk Pingel als PDF

Falk Pingel lehrt und forscht zu Zeitgeschichte/Nationalsozialismus sowie Geschichtsdidaktik und Schulbuchforschung. Er war stellvertretender Direktor des Georg-Eckert-Instituts für internationale Schulbuchforschung in Braunschweig. Er ist u.a. in vergleichenden Schulbuchprojekten in Ostasien, Südafrika, Südosteuropa und Israel/Palästina tätig gewesen. Er
berät internationale Institutionen und Bildungsministerien zu Fragen der Konfliktdarstellung in Unterrichtsmedien. Gegenwärtig fungiert er als Sprecher des Beirats von _erinnern.at_


10. Dezember 2020 | 16:00 – 16:45 | Nadja Danglmaier
Zwangsarbeit in Kärnten - Einsatzorte, Widerstand, Gedenken

In Kärnten arbeiteten mindestens 60.000 Zwangsarbeiter/innen in unterschiedlichen Bereichen: In der Landwirtschaft, beim Kraftwerksbau, in der (Rüstungs-)Industrie, in Kriegsgefangenenlagern und in den KZ-Nebenlagern. Der Vortrag bietet einen Überblick über die Einsatzorte, zeigt Beispiele von gelungenem und gescheitertem Widerstand auf und zeichnet den Weg zu einer späten Anerkennung dieser Opfergruppe nach. Mithilfe von Erinnerungen von Zeitzeug/innen wird das System der nationalsozialistischen Zwangsarbeit anhand individueller Biografien beleuchtet.


ZOOM-Link für das Online-Seminar mit Nadja Danglmaier am 10.12.20 | 16:00

Nadja Danglmaier, geboren 1982, studierte Pädagogik und Publizistik an der Alpen-Adria Universität Klagenfurt. Nach der Promotion verschiedene (Schul-)projekte zu zeitgeschichtlichen Themen sowie Forschungsprojekte und Publikationen zu Nationalsozialismus in Kärnten. Sie ist Mitarbeiterin am Institut für Erziehungswissenschaft und Bildungsforschung der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt und Leiterin des Kärntner Netzwerkes von _erinnern.at_.

19. Januar 2021 | 16:00 - 17:00 | Werner Bundschuh
Auf der Suche nach ukrainischen Zwangsarbeiter/innen in Vorarlberg

Bereits seit den 1980er Jahren ist das Thema Zwangsarbeit in der Vorarlberger Zeitgeschichtsforschung durch Arbeiten der Johann-August-Malin-Gesellschaft präsent. Zentral war die Erforschung des Einsatzes von Tausenden Zwangsarbeitern auf den Baustellen der Illwerke AG. Margarethe Ruff nahm dabei mit ihren auf Oral history basierenden Arbeiten eine Schlüsselrolle ein. Im Zusammenhang mit einem 1998 eingerichteten Entschädigungsfonds entstanden zahlreiche Interviews bei mehreren Fahrten zur Spendenübergabe in die West- und Ostukraine. Heftige politische Auseinandersetzungen prägten diese Aufarbeitungsphase.

Das Projekt „Brücken schlagen – ehemalige Zwangsarbeiter(innen) aus der Ukraine zwischen Rückkehr und neuer Heimat“ (Margarethe Ruff/Werner Bundschuh, 2006-2008) verfolgte zwei Ziele: Noch lebende Zwangsarbeiter/innen nach Vorarlberg einzuladen und in Rowenki (Ostukraine) ein „Fest der Versöhnung“ auszurichten (2008).

Für das 13. Zentrale Seminar in Bregenz entstanden Unterrichtsmaterialen zur „Zwangsarbeit in Vorarlberg“ mit Filmsequenzen und Interviews.

ZOOM-Link für das Online-Seminar mit Werner Bundschuh am 19.1.21 | 16:00


Werner Bundschuh, von 1975 -2011 Lehrer am BG Dornbirn. Seit 1983 Lehrbeauftragter am Fernstudienzentrum in Bregenz (Johannes Kepler Universität Linz). Obmann der Johann-August-Malin-Gesellschaft, historischer Verein für Vorarlberg (seit 1991). Diverse Publikationen zu Fragen der regionalen Zeitgeschichte (Themenschwerpunkte: Migration, Geschichte der Arbeiterbewegung, Zwangsarbeit). Von 2009 bis 2016 Mitarbeiter bei _erinnern.at_.

15. Februar 2021 | 16:00 - 17:00 | Herbert Brettl
Internierung und Zwangsarbeit von Roma und Romnija im Burgenland 1938-1945

Sofort nach der Okkupation Österreichs im März 1938 begann im Burgenland die radikale Verfolgungspolitik gegenüber den Roma und Romnija. Die raschen Maßnahmen tragen vielfach die Handschrift des burgenländischen Landeshauptmannes und NS-Gauleiters Dr. Tobias Portschy. Noch im Juli 1938 verordnete er ohne gesetzliche Grundlage die Arbeitspflicht für alle arbeitsfähigen Roma/Romnija, die kein festes Beschäftigungsverhältnis aufwiesen. Daraufhin wurden die Roma/Romnija zur Arbeit bei öffentlichen Bauten, beim Straßenbau, bei Bachregulierungen, bei der Einbringung der Ernte und in Steinbrüchen herangezogen. Im Herbst 1940 begannen die NS-Behörden mit der Einrichtung von „Zigeunerlagern“. Das größte Zwangsarbeitslager wurde im burgenländischen Lackenbach eingerichtet. In den folgenden Monaten wurden tausende Roma und Romnija aus dem Burgenland und anderen Bundesländern dorthin verschleppt. Während ihrer Haftzeit wurden sie zur Zwangsarbeit in der Landwirtschaft, in Betrieben und zu Straßenbauarbeiten in der nächsten Umgebung bzw. beim Bau der Reichsautobahn in Niederösterreich eingesetzt.

ZOOM-Link für das Online-Seminar mit Herbert Brettl am 15.2.21 | 16:00

Herbert Brettl ist Lehrbeauftragter an der PH-Burgenland. Mitarbeiter des Projektes „erinnern.at“. Projektleiter der „Initiative Erinnern Frauenkirchen“. Kurator zeithistorischer Ausstellungen und u. a. Mitarbeiter am Projekt „Opferdatenbank – Namentliche Erfassung der NS-Opfer im Burgenland“. Bücher (Auswahl): Die jüdische Gemeinde von Frauenkirchen (2003/2016), NS-Euthanasie im Burgenland (2010), Nationalsozialismus im Burgenland. Opfer. Täter. Gegner. (2012), Einfach weg! Verschwundene Romasiedlungen im Burgenland (2020).

15. März 2021 | 16:00 - 17:00 | Martin Krist
KZ und Zwangsarbeit in Wien

Auf dem heutigen Stadtgebiet von Wien befanden sich in der NS-Terrorzeit drei Außenlager des KZ Mauthausen sowie ein KZ-Unterkommando. Zusätzlich war Wien übersät mit Zwangsarbeitslagern. Tausende KZ-Häftlinge und hunderttausende Zwangsarbeiter/innen wurden ausgebeutet. In so gut wie allen Betrieben Wiens wurden sie zur Arbeit eingesetzt. Zusätzlich gab es ab Sommer 1944 über 50 Zwangsarbeitslager für ungarische Jüdinnen und Juden.

ZOOM-Link für das Online-Seminar mit Martin Krist am 15.3.21 | 16:00

Martin Krist ist Wiener Netzwerkkoordinator von _erinnern.at_, AHS-Lehrer in Wien, Lehrbeauftragter im Bereich Fachdidaktik Geschichte an der Universität Wien am Institut für Zeitgeschichte und Leiter und Vortragender bei Fortbildungsseminaren an den PH Wien und Niederösterreich im Bereich Geschichte.
Letzte Buchpublikation: Martin Krist/Albert Lichtblau, Nationalsozialismus in Wien. Opfer – Täter – Gegner (= Nationalsozialismus in österreichischen Bundesländern Bd. 8) Innsbruck/Wien/Bozen 2017.

ABGESAGT, ursprünglich geplant für den 6. April 2021 | 16:00 - 17:00 | Angelika Laumer
Forschendes Lernen zu NS-Zwangsarbeit in meiner Region - welche Quelle ist die richtige?

Fast in jedem Ort, in jedem Wirtschaftszweig waren NS-Zwangsarbeiter_innen eingesetzt. Wie lässt sich mehr dazu erfahren? Dieser Frage geht das Webinar nach. Es verschafft einen Eindruck davon, wie sich mündliche und schriftliche Quellen mit regionalem Bezug leicht finden lassen. Die Teilnehmer*innen werfen einen Blick in die online Arolsen Archives sowie die online Interviewsammlung www.weitererzaehlen.at. Sie recherchieren eine digitale Quelle, lesen, betrachten oder hören diese und besprechen dann in Kleingruppen, wie sie „ihr“ Dokument oder „ihren“ Interviewclip für Projekte/im Unterricht einsetzen könnten. Zudem soll überlegt werden, welche Möglichkeiten es gibt, die Recherche fortzusetzen. Das Webinar hat das Ziel, Schüler*innen und Lehrer*innen zur Regionalforschung zu NS-Zwangsarbeit zu ermutigen. Es soll außerdem dazu einladen, das Thema sowohl vor Ort als auch online zu erkunden. Wer in Privatbesitz Fotografien und/oder Briefe ehemaliger Zwangsarbeiter*innen und daran Interesse hat, kann auch diese mit einbringen und diskutieren. Keine historischen Vorkenntnisse, aber Interesse (und eine gute Internetverbindung) notwendig.
Relevante Websites (frei zugänglich) www.weitererzaehlen.at   https://collections.arolsen-archives.org/


Angelika Laumer hat den Aufbau des online-Interviewarchivs weitererzaehlen.at bei _erinnern.at_ geleitet und ihre Dissertation zu Erinnerung an NS-Zwangsarbeit im ländlichen Raum verfasst. In ihrem Film „Looking for Emil“ setzt sie sich mit der Geschichte eines Zwangsarbeiters, der für ihre Familie arbeiten musste, auseinander. Laumer hat dafür viele Interviews, auch mit in Deutschland lebenden Nachkommen von NS-Zwangsarbeiter_innen, geführt und u.a. in den Arolsen Archives recherchiert. Für die Gedenkstätte Berliner Mauer war sie seit 2003 in der Vermittlungsarbeit tätig.

10. Mai 2021 | 16:00 - 17:00 | Robert Obermair
Nationalsozialismus und Zwangsarbeit in Salzburg

In „Die Ursache“, dem ersten Band seiner Autobiographie, erinnert sich Thomas Bernhard eindrücklich an die Zeit des Nationalsozialismus in Salzburg: „Eine hölzerne Notbrücke ersetzte die schon lange abgetragene alte Staatsbrücke […] und auf dieser größten Baustelle in der Stadt sehe ich noch die in grauschmutzigen abgesteppten Kleidern an den Brückenpfeilern hängenden russischen Kriegsgefangenen als Zwangsarbeiter, ausgehungert und von rücksichtslosen Tiefbauingenieuren und Polieren zur Arbeit angetrieben.“
Während die NS-Zwangsarbeit Bernhard auf Grund seiner eigenen Erlebnisse sehr präsent in Erinnerung blieb, ist vielen Salzburger/innen heute nicht mehr bekannt, wie omnipräsent die Ausbeutung von Zwangsarbeiter/innen in Stadt und Land während der NS-Zeit vor sich ging. In seinem Vortrag zum Thema beleuchtet der Salzburger Zeithistoriker Robert Obermair die NS-Zeit im „Reichsgau“ Salzburg und legt dabei einen besonderen Schwerpunkt auf die oftmals vergessene bzw. verschwiegene Geschichte der zigtausenden Zwangsarbeiter/innen, die hier ausgebeutet wurden und zeitweise ein Viertel der lokalen Arbeitskräfte ausmachten.

ZOOM-Link für das Online-Seminar mit Robert Obermair am 10.5.21 | 16:00

Robert Obermair ist Historiker und Salzburger Netzwerkkoordinator für _erinnern.at_. Er arbeitet zudem als wissenschaftlicher Mitarbeiter für Zeitgeschichte an der Universität Salzburg und ist an einer Reihe von zeitgeschichtlichen Erinnerungsinitiativen und Forschungsprojekten mit Bezug auf die Zeit des Nationalsozialismus und deren Aufarbeitung in der Nachkriegszeit beteiligt.

Texte und Berichte zur Vortragsreihe*

* Die Texte und Präsentationen wurden für das Vortragsformat der Webinar-Reihe erstellt und unterliegen nicht den Auflagen einer Veröffentlichung.

Links zum Thema NS-Zwangsarbeit