Zwangsarbeit in Kärnten – zwei Kärntnerinnen als Opfer

In Kärnten/Koroška arbeiteten zwischen 1938 und 1945 mindestens 60.000 ZwangsarbeiterInnen in unterschiedlichen Bereichen. Eng mit der Zwangsarbeit in Kärnten/Koroška verwoben ist die Ermordung von Stefanie Ranner und Maria Peskoller. Im Folgenden sollen die beiden Frauen vorgestellt und erinnert werden.

Im Rahmen einer Webinar-Reihe von _erinnern.at_ zu nationalsozialistischer Zwangsarbeit fand am 10. Dezember 2020 ein Online-Vortrag von Nadja Danglmaier über Zwangsarbeit in Kärnten/Koroška statt. Die Referentin und Leiterin von _erinnern.at_-Kärnten/Koroška ging in ihrem Vortrag unter anderem auf das Schicksal zweier Frauen ein, welches im Folgenden tiefergehend vorgestellt wird. Im Rahmen der Webinar-Reihe „Nationalsozialistische Zwangsarbeit in Österreich“ werden noch bis Mai 2021 verschiedene Aspekte nationalsozialistischer Zwangsarbeit beleuchtet.

Zum Vortrag: „Zwangsarbeit in Kärnten - Einsatzorte, Widerstand, Gedenken“

Mindestens 60.000 ZwangsarbeiterInnen arbeiteten während des Nationalsozialismus in Kärnten in unterschiedlichen Bereichen: in der Landwirtschaft, beim Kraftwerksbau, in der (Rüstungs-)Industrie, in Kriegsgefangenenlagern und in den KZ-Nebenlagern am Loibl-Pass und in Klagenfurt-Lendorf. Der Vortrag bot einen Überblick über die Einsatzorte, zeigte Beispiele von gelungenem und gescheitertem Widerstand auf und zeichnete den Weg zu einer späten Anerkennung dieser Opfergruppe nach. Mithilfe der Erinnerungen von ZeitzeugInnen wurde das System der nationalsozialistischen Zwangsarbeit anhand individueller Biografien beleuchtet. Darunter auch die Lebensgeschichten von Stefanie Ranner und Maria Peskoller.

Stefanie Ranner aus Rattendorf im Gailtal: Todesurteil „Unerlaubter Geschlechtsverkehr“

Stefanie Ranner wurde 1923 in der Gemeinde Rattendorf im Gailtal geboren und wuchs auf einem Bauernhof auf. Anfang der 1940er Jahre kam ein polnischer Zwangsarbeiter auf den Hof der Eltern. Der junge Johann Pietschk war wie die Familie Ranner katholisch. Stefanie und Johann verliebten sich, planten sogar eine Heirat für die Zeit nach dem Krieg. Doch es sollte anders kommen: Stefanie wurde schwanger, ein Schock, war doch der intime Umgang mit Zwangsarbeitern streng verboten. Die Familie bemühte sich die Schwangerschaft zu verstecken, doch dies gelang nicht. Eine anonyme Anzeige erreichte die Gestapo und diese handelte sofort. Johann Pietschk wurde ins KZ Dachau deportiert, die schwangere Stefanie ins Klagenfurter Gestapogefängnis gebracht.

Das Kind kam dort im Februar 1943 sechs Wochen zu früh zur Welt, ihre Mutter nannte das Mädchen Annelies Maria. Vorerst blieben Mutter und Kind gemeinsam in Haft, als das Mädchen sieben Monate alt war, wurde es zu den Großeltern nach Rattendorf geschickt. Die Mutter Stefanie Ranner deportierten die Nationalsozialisten ins Konzentrationslager Ravensbrück, mit dem Zusatz „RU“ - Rückkehr unerwünscht. Am 17. April 1944 starb die junge Frau im KZ, das Delikt „unerlaubter Geschlechtsverkehr“ war ihr Todesurteil. Auch der Vater ihres Kindes Johann Pietschk überlebte nicht, er starb im KZ Dachau. Die kleine Annelies wuchs bei ihren Großeltern am Bauernhof auf. Kinderbeihilfe und Waisenrente erhielt sie als „Produkt von Rassenschande“ während des Nationalsozialismus nicht. Als ihre Großeltern nach der Befreiung um Sozialleistungen für das Mädchen ansuchen, stoßen sie auch in der Republik Österreich auf Ablehnung: Sämtliche Vorsprachen bei Ämtern scheiterten, das Kind blieb auch in den 1950er Jahren „förderungsunwürdig“.

Zum Weiterlesen und für den Unterricht:
Der Band "Nationalsozialismus in Kärnten. Opfer - Täter - Gegner" von Nadja Danglmaier/Werner Koroschitz erzählt die Geschichte des Nationalsozialismus in Kärnten für ein breites Publikum, speziell auch für junge Leserinnen und Leser. Der Band ist Teil der Jugendsachbuchreihe "Nationalsozialismus in den Bundesländern".

Maria Peskoller aus Villach: Todesurteil Hilfeleistung

Maria Peskoller wurde 1896 in Osttirol geboren. Sie heiratete einen Lienzer und brachte zwei Töchter zur Welt: Helga und Roswitha. Die Familie übersiedelte nach Villach, hier arbeitete ihr Mann Josef bei den Bundesbahnen. Das Paar interessierte sich für Politik und trat in den 1930er Jahren der Kommunistischen Partei bei. Sein politisches Engagement brachte Josef Peskoller im Austrofaschismus um seinen Job. 1935 folgte eine erste Haftstrafe im Anhaltelager Wöllersdorf, im Nationalsozialismus folgten weitere. Obwohl Maria Peskoller mit ihren Töchtern häufig auf sich alleine gestellt war, unterstützte sie den Widerstand gegen das NS-Regime. Gemeinsam mit anderen baute sie Kontakte zu PartisanInnengruppen auf, verbreitete Flugzettel und half beim Verstecken und Pflegen geflohener Zwangsarbeiter und Deserteure.

Auch Marias ältere Tochter Helga war in die Widerstandstätigkeiten involviert, die Warnungen des Vaters, das Risiko sei viel zu hoch, blieben ungehört. Im November 1944 kam Maria Peskoller gemeinsam mit mehreren MitstreiterInnen in Gestapohaft, wahrscheinlich hatte sie jemand verraten. Den Prozess gegen die Villacher Widerstandsgruppe führte der Präsident des Volksgerichtshofes in Berlin, Roland Freisler, persönlich. Acht Angeklagte erhielten ein Todesurteil, unter ihnen Maria Peskoller. Am 23. Dezember 1944 wurde sie in Graz hingerichtet.

Online-Vortragsreihe zum Thema Nationalsozialistische Zwangsarbeit in Österreich
_erinnern.at_ veranstaltet zwischen November 2020 und Mai 2021 sieben Online-Vorträge und Online-Workshops über die Geschichte der nationalsozialistischen Zwangsarbeit in Österreich. Hier gelangen Sie zum gesamten Programm der Webinar-Reihe.

Verwendete Literatur

  • Wilhelm Baum (Hg.): Auf Wiedersehen über den Sternen! Na svidenje nad zvezdami. Briefe aus Widerstand und Verfolgung unter dem NS-Regime in Kärnten. Klagenfurt 2012.
  • Lisa Rettl: „Heute muss ich euch benachrichtigen, dass mein Todesurteil vollstreckt wird…“ Maria Peskoller (1902-1944). In: Alexandra Schmidt (Hg.): Drautöchter. Villacher Frauengeschichte(n). Klagenfurt 2013, S. 206-220.
  • Nadja Danglmaier, Werner Koroschitz: Nationalsozialismus in Kärnten. Opfer, Täter, Gegner. Innsbruck 2015.

Die Referentin
Dr.in Nadja Danglmaier, geboren 1982, studierte Pädagogik und Publizistik an der Alpen-Adria Universität Klagenfurt. Nach der Promotion führte sie verschiedene (Schul-)projekte zu zeitgeschichtlichen Themen sowie Forschungsprojekte und Publikationen zu Nationalsozialismus in Kärnten durch. Sie ist Mitarbeiterin am Institut für Erziehungswissenschaft und Bildungsforschung der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt und Leiterin des Kärntner Netzwerkes von _erinnern.at_.

Links

Online-Vortragsreihe: Nationalsozialistische Zwangsarbeit in Österreich
Nadja Danglmaier/Werner Koroschitz: „Nationalsozialismus in Kärnten. Opfer – Täter – Gegner“
Jugendsachbuchreihe "Nationalsozialismus in den Bundesländern"