Seminarbericht: Zentrales Seminar 2018 - "Wien 1938"

Themen: 80 Jahre „Anschluss“ und Novemberpogrom, Wien im Nationalsozialismus, Gedenkjahr 2018. Das Seminar fand von 15. bis 17. November 2018 in Wien statt.

Eröffnet wurde das Zentrale Seminar 2018 von Bildungsminister Univ.-Prof. Dr. Heinz Faßmann. Faßmann zitierte in seiner Rede den kürzlich verstorbenen bekannten Zeitzeugen und Theresienstadt-Überlebenden Rudolf Gelbard, um auf die antisemitische Gewalt von 1938 aufmerksam zu machen. Antisemitismus und der Antizionismus seien weiterhin eine Herausforderung für das Bildungswesen, so der Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung.

 

Es folgte eine Rede von Botschafter Thomas Michael Baier, dem Leiter der österreichischen Delegation zur International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA). Botschafter Baier stellte die Arbeit der IHRA und ihre Zielsetzung - „A world that remembers the Holocaust. A world without genocide“ - vor. Mag. Hannah Lessing, Generalsekretärin des Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus, betonte in ihrer Rede die Notwendigkeit neue Vermittlungswege zu etablieren, da nur noch wenige ZeitzeugInnen über ihre Geschichte berichten können.

 

In ihrem Eröffnungsvortrag „Massenhysterie und Gewalt im März 1938“ macht Univ.-Doz. Dr. Brigitte Bailer, ehemalige wissenschaftliche Leiterin des DÖW, deutlich, dass die antisemitische und nationalsozialistische Gewalt nach dem „Anschluss“ 1939 nicht ohne Vorläufer entstand. Die Politikwissenschaftlerin beschrieb detailliert, mit zahlreichen historischen Fotos untermauert, wie schon vor 1938 antisemitische oder nationalsozialistische Organisation in Wien tätig waren, zu gewaltaufrufende Plakate affichierten und Terrorakte durchführten. So wurde schon 1925 ein tödliches Attentat auf den Autor Hugo Bettauer, Autor von „Die Stadt ohne Juden“ von einem NSDAP-Mitglied ausgeführt. Die österreichischen Nationalsozialisten verübten auch Sprengstoffanschläge, wie etwa auf den jüdischen Juwelier Norbert Futterweit in Wien Meidling im Juni 1933, zwei Personen starben, zahlreiche wurden schwer verletzt. Der Anschlag wurde von einem SA-Mitglied verübt.

 

Das zweite Eröffnungsreferat von Dr. Falk Pingel, Sprecher des wissenschaftlichen Beirates von ERINNERN:AT, musste leider wegen einer Flugverspätung auf den dritten Seminartag verschoben werden. Dr. Pingel gab in seinem Vortrag einen Überblick über Einordnungs- und Erklärungsansätze der Genozidforschung. Massengewalt und Genozide seien nur mit einer staatlichen Organisation im Hintergrund möglich, so der Historiker und Bildungsforscher.

 

Nach den Eröffnungsreferaten standen den TeilnehmerInnen vier Vertiefungseinheiten zur Auswahl. Stark besucht war der Workshop von Stephan Schmid-Heher zum „migrantischen Antisemitismus“ in Österreich. Der ehemalige Berufschullehrer zeigt, wie emotionalisiert die Debatte um den  „migrantischen Antisemitismus“ nicht nur in Österreich sondern auch international ist. Der Emotionalisierung stellte Schmidt-Heher die Frage entgegen: „Ist der Antisemitismus nicht immer gleich problematisch, egal aus welchem Milieu er kommt?  Schmidt-Heher stellte eine Studie der
PH-Wien über Antisemitismus unter SchülerInnen vor.

 

Am Freitagvormittag standen die Grundlagen der Vermittlung von Holocaust und Nationalsozialismus im Vordergrund. Dr. Philipp Mittnik, Leiter des Zentrums für Politische Bildung an der PH Wien, stellte Ergebnisse einer empirischen Erhebung zum Wissen der SchülerInnen über den Nationalsozialismus vor. Dem Vortrag folgte ein Referat von Univ.-Prof. Dr. Thomas Helmuth, Geschichtsdidaktiker an der Universität Wien, über kompetenzorientierten Unterricht.

 

In anschließenden Workshops wurden Unterrichtsmaterialien von ERINNERN:AT vorgestellt.

Stories That Move - Tool box gegen Diskriminierung - Link

Fluchtpunkte - Bewegte Lebensgeschichten zwischen Europa und Nahost (Material noch in Entwicklung) - Link

„Wer ist schuld am Tod von Edith Winkler?“ Völkermord als gesellschaftliche Verantwortung  – Material in leichter Sprache - Link

Didaktik zum Jugendsachbuch „Nationalsozialismus in Wien“ - Link

 

Der Erinnerungsraum Wien und seine pädagogischen Möglichkeiten wurde am Freitagnachmittag von den TeilnehmerInnen erkundet. Vier Exkursionen zu Erinnerungsorten boten historische Einblicke und präsentierten die Vermittlungsangebote von ERINNERN:AT, von Gedenkstätten und von Museen. Alle TeilnehmerInnen besuchten auch das neu eröffnete „Haus der Geschichte Österreich“ und wurden in das Vermittlungsprogramm für Schulen eingeführt.

Die Exkursionen des Zentralen Seminars:

Rundgang Leben und Vertreibung der jüdischen Bevölkerung in Wien - Link

Rundgang KZ und Zwangsarbeit in Wien - Floridsdorf - Link

Gedenken an die NS-Euthanasie - Gedenkstätte Steinhof - Link

Jüdisches Museum Wien - Link

Haus der Geschichte Österreich - Link

 

Weitere Angebote von ERINNERN:AT und Projektpartnern wurden am Samstag vorgestellt. Großes Interesse zeigten die TeilnehmerInnen an unseren Angeboten in den Bundesländern, am Israel-Seminar und an der App „Fliehen vor dem Holocaust“. Die Frage nach der Verbindung von Geschichte und Gegenwart und nach der „erinnerungspolitischen Wende“ nach der Waldheim-Affäre wurde in einer anschließenden Podiumsdiskussion mit Univ. Doz. Dr. Heidemarie Uhl (Akademie der Wissenschaften) und Dr. Alexander Pollak (SOS Mitmensch) breit diskutiert.

 

Das Team von ERINNERN:AT bedankt sich bei allen TeilnehmerInnen für ihr Interesse, bei allen ReferentInnen für ihren Beitrag sowie beim BMBWF und beim Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus für die finanzielle Unterstützung des Seminars.

 

Seminarbibliothek

 

Abstracts der Vorträge, Workshops und Exkursionen: - Link

Kurzbiographien aller ReferentInnen: - Link

 

International Holocaust Remembrance Alliance

Arbeitsdefinition Antisemitismus: - Link

Stockholmer Deklaration: - Link

 

Vortrag „Massenhysterie und Gewalt im März 1938“ von Brigitte Bailer

Präsentation: - Link

Sammlung von Interviewpassagen zum "Anschluss" 1938: - Link

 

Vortrag "Können wir uns oder lassen wir uns beherrschen? Erklärungsansätze von staatlich sanktionierter Gewalt in vergleichender Perspektive" von Falk Pingel

Verschriftlichung des Vortrags: - Link

 

Vertiefung "Schule in Wien 1938" von Martin Krist

- Link

 

Didaktik zum Buch "Nationalsozialismus in Wien. Opfer –Täter – Gegner" von Martin Krist

- Link 

 

Vertiefung zum „migrantischen Antisemitismus“ in Österreich von Stephan Schmid-Heher

Artikel: Georg Lauss & Stefan Schmid-Heher: Zum Umgang mit Antisemitismus und anderen Formen Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit in der Berufsschule: - Link

Audiomitschnitt: - Link

 

Vortrag "Was wissen SchülerInnen über den Nationalsozialismus? Erste Ergebnisse einer empirischen Studie" von Philipp Mittnik

Präsentation: - Link

 

Vortrag "Über den Holocaust in der Schule lernen – Theoretische Grundlegung und unterrichtspraktische Überlegungen" von Thomas Hellmuth

Präsentation: - Link

 

Die Seminarbibliothek wird laufend aktualisiert.

 

Links:

Programm Zentrales Seminar 2018

Bericht und Materialien vom Zentralen Seminar 2017 in Krems, mit dem Themenschwerpunkt "weg-gesperrt. Gefängnis und Kriegsendverbrechen": - Link

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