Seminarbericht und Videoeinblicke: Zentrales Seminar 2021 – Bildungsarbeit gegen Antisemitismen

Zum diesjährigen Zentralen Seminar lud ERINNERN:AT gemeinsam mit dem Jüdischen Museum Hohenems PädagogInnen aus ganz Österreich nach Vorarlberg. Hier geben wir einen Einblick in das Seminar, dessen Inputs und Diskussionen und stellen Ihnen alle Vorträge und Panels, die live gestreamt wurden, zum Nachschauen zur Verfügung.

Nach zweijähriger pandemiebedingter Pause fand das Zentrale Seminar von ERINNERN:AT dieses Jahr wieder in Präsenz statt. Unter strenger Einhaltung eines Covid-19-Präventionskonzepts trafen sich vom 11. bis zum 13. November Pädagoginnen und Pädagogen zu Vorträgen, Workshops und Exkursionen in Hohenems, Vorarlberg. Kooperationspartner war heuer das dortige Jüdische Museum. Das diesjährige Thema lautete „Über Jüdinnen und Juden sprechen“ und widmete sich der Bildungsarbeit gegen Antisemitismen. Erstmals wurde das dreitägige Seminar auch online übertragen und über Facebook und Zoom live gestreamt. Dies hat die Reichweite des Zentralen Seminars deutlich erhöht und ermöglicht es nun, die zentralen Beiträge des Seminars auch noch nach der Veranstaltung zu verfolgen. Die entsprechenden Videos stellt ERINNERN:AT hier zur Verfügung. 

Die Eröffnung des Seminars und die folgenden Vorträge fanden im Löwensaal in Hohenems statt. Nach der Begrüßung und inhaltlichen Einführung durch den Geschäftsführer Patrick Siegele folgten Grußworte von Martina Maschke, Obfrau von ERINNERN:AT, und Hanno Loewy, Direktor des Jüdischen Museums Hohenems. Martina Maschke ging in ihrem Grußwort auf die zukünftige Absicherung des Vereins durch die Integration von ERINNERN:AT in den OeAD ein, Österreichs Agentur für Bildung und Internationalisierung. Ab Jänner wird ERINNERN:AT das Programm zum Lehren und Lernen über Nationalsozialismus und Holocaust im Bereich „Holocaust Education“ des OeAD. Der Überleitungsvertrag wurde am 4.11. im Rahmen des Festakts zum 20-jährigen Bestehen von ERINNERN:AT feierlich unterzeichnet.


Zentrales Seminar 2021 - Seminareröffnung

Bernadette Edtmaier von der Universität Salzburg eröffnete die Reihe der Fachvorträge. Sie präsentierte die Ergebnisse ihrer Studie zur Frage „Welche Vorstellungen haben Jugendliche in Österreich von Jüdinnen und Juden?“, für die sie mehr als 300 SchülerInnen befragte. In ihrem Vortrag ging sie auf den von ihr gewählten methodischen Zugang ein, ehe sie die Ergebnisse ihrer Forschung über die in unserer Gesellschaft vorhandenen Vorstellungen über Jüdinnen und Juden präsentierte. Im Anschluss an die Präsentation der Forschungsergebnisse hatten die TeilnehmerInnen die Möglichkeit, über das Präsentierte im Plenum zu diskutieren.



Bernadette Edtmaier: „Welche Vorstellungen haben Jugendliche in Österreich von Jüdinnen und Juden?“

Nach Bernadette Edtmaier hielt Sybille Hoffmann den zweiten Fachvortrag. Sie ist LehrerInnenfortbilderin in Baden-Württemberg und Mitglied im Beratungskreis des Bundesbeauftragten gegen Antisemitismus (in Deutschland). In ihrem Vortrag sprach sie über Schulen als Institutionen der Gesellschaft und deren Bedeutung in der systematischen Bekämpfung des Antisemitismus. Vorgestellt wurden dabei neue Studienergebnisse zur Aktualität der Problematik, sowie der Schule als Institution, in welcher Demokratiebildung, die Ausbildung von Handlungskompetenz, sowie Zivilcourage stattfinden müssen. Hoffmann kennzeichnete dabei die Schule als Ort, an dem Antisemitismus unbewusst reproduziert werde, was die Institution sowohl zum Teil des Problems, als auch zum Teil der Lösung mache. Antisemitismus muss laut Hoffmann zuerst erkannt und dann klar benannt werden, um Lehrkräften sowie SchülerInnen die notwendige Handlungskompetenz an die Hand zu geben, die sie brauchen, um gegen Antisemitismus vorgehen zu können und damit Teil der Lösung zu werden. Eine Aufgabe, die Kerngeschäft jeder Schule sein muss.


Sybille Hoffmann: „Maßnahmen gegen Antisemitismus in der Schule – Herausforderungen und Ansätze für strukturelle Veränderungen“

Auf die beiden Fachvorträge folgten drei verschiedene Vertiefungsveranstaltungen. Zur Auswahl stand ein Fachaustausch mit Hans Hofer, Direktor des Jüdischen Privatgymnasium Zwi-Perez-Chajes in Wien zum Thema: „Maßnahmen gegen Antisemitismus in der Schule“. Weiters zwei Vertiefungen der Fachvortragenden Bernadette Edtmaier und Sybille Hoffmann. Edtmaier ging auf die Rolle des Unterrichts bei der unbewussten Reproduktion von Stereotypen und falschen bzw. einseitigen Bildern von Jüdinnen und Juden ein. Sie knüpfte an ihren Eröffnungsvortrag zur Frage: „Welche Vorstellungen haben Jugendliche in Österreich von Jüdinnen und Juden?“ an und bezog sich auf weitere Ergebnisse ihrer Forschungen. Sybille Hoffmann analysierte und diskutierte im Zuge ihrer Vertiefungsveranstaltung notwendige Rahmenbedingungen und Entwicklungsschritte auf dem Weg zu einer antisemitismuskritischen Schule.


Monique Eckmann: „Antisemitismus und Rassismus – Gemeinsamkeiten denken, Spezifisches benennen“

Den Abschluss des ersten Tages bildete der Vortrag von Monique Eckmann, Soziologin und emeritierte Professorin der Hochschule für Soziale Arbeit in Genf. Sie referierte in ihrem Fachvortrag „Antisemitismus und Rassismus – Gemeinsamkeiten denken, Spezifisches benennen“ über die Herausforderungen der Behandlung des Themas im schulischen Kontext. Sie plädierte dafür, Antisemitismus zwar getrennt, aber nicht isoliert von anderen Phänomenen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit, wie etwa Rassismus, zu betrachten und ging u.a. auf die Problematik der Opferkonkurrenz ein. Sie unterstrich das Erfordernis, jeder Erfahrung von Diskriminierung Platz zu geben, um Schieflagen in der Wahrnehmung zu verhindern und die Solidarität zwischen Opfergruppen zu stärken. Weiters erläuterte Eckmann pädagogische Eckpunkte sowie unterschiedliche Bildungsstrategien in der Auseinandersetzung mit Antisemitismen im schulischen Kontext. Als best-practice stellte sie das Bildungstool der GRA (Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus) oder die Online Toolbox „Stories that Move“ vor.

Von der Theorie zur Praxis  – 20 Jahre ERINNERN:AT

Der zweite Seminartag stand im Zeichen des Transfers von der Theorie in schulische Praxis und begann mit einem fakultativen Besuch des Jüdischen Museums Hohenems.

Im Anschluss daran starteten die vier parallel stattfindenden Workshops. Johannes Spies, Netzwerkkoordinator von ERINNERN:AT in Vorarlberg, sprach zum Thema „Regionale Quellen im Unterricht über Nationalsozialismus und Holocaust in Vorarlberg“ und stellte u.a. das Jugendsachbuch „Nationalsozialismus in Vorarlberg“ vor. Weiters zur Auswahl stand der Workshop von Axel Schacht, Sozialwissenschaftler und Mitarbeiter von ERINNERN:AT, zu den neuen Unterrichtsmaterialien „Vielfalt – Jüdisches Leben vor der Shoah“. Der dritte Workshop wurde von Gerald Lamprecht, Professor für Jüdische Geschichte und Zeitgeschichte an der Universität Graz und ERINNERN:AT Netzwerkkoordinator in der Steiermark, geleitet. Lamprecht stellte das interdisziplinäre Dokumentations- und Vermittlungsprojekt DERLA vor. Das vierte Workshopangebot kam von Alexander Niederhuber, ebenfalls ERINNERN:AT Mitarbeiter. Er stellte das Projekt und Online-Tool „Stories that Move“ vor.

Am Nachmittag des zweiten Seminartages fanden vier Exkursionen zu unterschiedlichen Orten in Hohenems und Umgebung statt. Hanno Loewy führte eine Gruppe durch das Jüdische Museum und das Jüdische Viertel in Hohenems. Eva Grabherr, Geschäftsführerin von okay.zusammen leben, und Judith Niederklopfer-Würtinger vom Jüdischen Museum leiteten ihre Gruppe zum jüdischen Friedhof in Hohenems und zum islamischen Friedhof in Altach. Die dritte Gruppe, geführt von Angelika Purin, ebenso vom Jüdischen Museum Hohenems, führte ihre TeilnehmerInnen der Exkursion „Fluchtwege“ in einer dramapädagogisch inszenierten Wanderung auf ehemaligen Fluchtwegen bis zur Schweizer Grenze. Tobias Reinhard leitete in der vierten Exkursion zum Thema „Nationalsozialismus in Feldkirch“ in vier Stationen durch die Stadt Feldkirch.

Der Abend des zweiten Tages stand im Zeichen des Rückblicks. Falk Pingel, Sprecher des Wissenschaftlichen Beirats von ERINNERN:AT, blickte auf 20 erfolgreiche Jahre ERINNERN:AT  zurück. Im Zuge des Rückblicks präsentierte er die kürzlich zum gleichen Anlass erschienene Festschrift „Nationalsozialismus und Holocaust. Materialien, Zeitzeugen und Orte der Erinnerung in der schulischen Bildung“. Weiters gewährte Falk Pingel Einblicke in die Arbeitsschwerpunkte und wagte eine Ausblick: Die veränderte Arbeit mit den ZeitzeugInnen und in diesem Kontext zur Verfügung stehenden Möglichkeiten der Digitalisierung werden wohl eines der zentralen Themen der näheren Zukunft sein und bleiben.


20 Jahre ERINNERN:AT – Gespräch mit Werner Dreier und Adelheid Schreilechner

Im Anschluss daran fand ein Podiumsgespräch mit dem Gründungsgeschäftsführer von ERINNERN:AT Werner Dreier und Adelheid Schreilechner von der Pädagogischen Hochschule Salzburg statt, moderiert vom neuen Geschäftsführer Patrick Siegele. Im Zentrum standen die erinnerungskulturellen, geschichtspolitischen und pädagogischen Veränderungen seit der Gründung des Vereins. Werner Dreier betonte dabei die gesellschaftliche Relevanz, die die Arbeit von ERINNERN:AT hatte und hat und dass diese auch weiterhin die grundlegende Legitimation der Arbeit sein muss. Auf zwei weiteren freien Stühlen auf dem Podium hatten alle Anwesenden die Möglichkeit, ihre Anekdoten und ihre Erfahrungen aus 20 Jahren ERINNERN:AT zu teilen.

Umgang mit Antisemitismus: Unterrichtsmaterialien und Schulalltag

Der letzte Tag des Zentralen Seminars wurde mit dem sogenannten „Marktplatz“ eröffnet. Die Teilnehmenden konnten sich hier an insgesamt 12 Stationen über die vielfältigen Angebote von ERINNERN:AT aber auch weiteren Partnerorganisationen, wie etwa dem Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus, informieren.


Pandeldiskussion: „Antisemitische Verschwörungserzählungen als Gefahr und Herausforderung im Schulalltag"

Die letzte Veranstaltung des diesjährigen Zentralen Seminars gestaltete Axel Schacht gemeinsam mit der Historikerin Constanze Jeitler, Peter Larndorfer, Netzwerkkoordinator für ERINNERN:AT in Wien, und dem Politikwissenschaftler Florian Zeller. In einem Panel diskutierten die ExpertInnen zum Thema „Antisemitische Verschwörungstheorien als Gefahr und Herausforderung im Schullalltag“. Sie zogen dabei auch immer wieder den Bogen zur aktuellen Covid-19-Pandemie, die derzeit den wichtigsten Nährboden für antisemitische Verschwörungstheorien bietet.


Zentrales Seminar 2021: Seminarabschluss

Patrick Siegele fasste abschließend die wichtigsten Ergebnisse und Erkenntnisse des Seminars zusammen. Er bot einen Rückblick auf das Seminar und dankte allen Beteiligten. Zum Schluss blieb noch der Ausblick auf die kommenden Veranstaltungen von ERINNERN:AT inklusive dem Hinweis auf das Zentrale Seminar 2022, welches zum Thema Widerstand von 24. bis 26.11. in Goldegg stattfinden wird.

Vertiefungsangebote



Vertiefungsangebot 1: Welche Rolle könnte der Unterricht bei der unbewussten Vermittlung von Stereotypen und falschen Bildern von Juden und Jüdinnen spielen? – Bernadette Edtmaier
Am Beispiel eines Interviews mit einem AHS-Lehrer wurde in dieser Vertiefung die Schwierigkeit verdeutlicht, Zuschreibungen und Bilder von Jüdinnen und Juden (z.B. das Bild des „reichen Juden“) im Schulunterricht aufzubrechen. Oft passiere nämlich das genaue Gegenteil. Diskutiert wurde u.a. wann und wie im Unterricht über Jüdinnen und Juden gesprochen werde. Um Stereotypen entgegenzuwirken, wurde dafür plädiert, Gegenerzählungen anzubieten und das Gemeinsame und Verbindende von Jüdinnen und Juden und Nichtjüdinnen und Nichtjuden hervorzuheben. Wichtig ist, jüdisches Leben in all seiner Vielfalt zu zeigen, vor allem auch das gegenwärtige, ganz alltägliche und gewöhnliche. Die Conclusio war, dass sich Lehrkräfte für die Bildungsarbeit gegen Antisemitismus mehr Zeit, qualitativ hochwertigere Schulbücher (Quellenproblematik) und mehr außerschulische Bildungsangebote wünschen.

 

Vertiefungsangebot 2: „Auf dem Weg zu einer antisemitismuskritischen Schule – Rahmenbedingungen und Entwicklungsschritte Hoffmann“ – Sybille  Hoffmann  
Die Vertiefungsveranstaltung begann mit den Fragen „Wo begegnet Ihnen Antisemitismus im Beruf oder privat?“ und „Welche Emotionen und welche Herausforderungen sind damit verbunden?“ Rasch entwickelte sich eine angeregte Diskussion, die auch die mannigfaltige eigene Involviertheit augenscheinlich machte. Daran anschließend wurde diskutiert, dass nicht nur die SchülerInnen als alleinige TrägerInnen von Antisemitismus in den Blick genommen werden dürfen, sondern die eigene Position in diesem Kontext zu reflektieren ist. Abschließend wurde eine Checklist für den Unterricht vorgestellt und diskutiert, die eine Hilfestellung sein soll für einen antisemitismuskritischen Unterricht, der keine Stereotype reproduziert, eine erneute Zuschreibung als Opfer vermeidet und das Judentum in seiner Vielfalt darstellt.

 

Vertiefungsangebot 3: „Maßnahmen gegen Antisemitismus in der Schule – Erfahrungen aus der Praxis“ – Hans Hofer
Hans Hofer, Direktor des Zwi-Perez-Chajes-Gymnasium in Wien, teilte im vertiefenden Austausch zu den Input-Vorträgen seine Erfahrungen zur Begegnung jüdischer und nichtjüdischer Jugendlichen in Schulen. Er empfahl und präsentierte besonders gut gelungene Projekte und Bildungsmaßnahmen, wie beispielsweise die Unterrichtsmaterialien „Ein Mensch ist ein Mensch“ von ERINNERN:AT, das Programm „Likrat“ der Israelitischen Kultusgemeinde oder das Projekt „Baum der Erinnerung“, in dessen Rahmen nicht-jüdische Partnerschulen eine Patenschaft für einen Baum übernehmen, der für die Erinnerung an 1.000 jüdische Holocaust-Opfer stehen soll. In der anschließenden Diskussion ging es u.a. um Fragen der Sicherheit für jüdische SchülerInnen, um Fragen zum interreligiösen Austausch und um die Frage, welche Rolle das psychosoziale Zentrum ESRA im Falle antisemitischer Angriffe und Gewalt spielt.

Workshops



Workshop 1: „Regionale Quellen im Unterricht über Nationalsozialismus und Holocaust in Vorarlberg“ – Johannes Spies
Johannes Spies stellte in seinem Workshop das Jugendsachbuch „Nationalsozialismus in Vorarlberg“ vor. Es liefert eine Fülle an Möglichkeiten, um im Unterricht mit regionalen Beispielen zu Nationalsozialismus und Holocaust zu arbeiten. Spies ging auf didaktische und pädagogische Grundsätze von ERINNERN:AT ein; etwa biografische und lebensgeschichtliche Zugänge in der Geschichtsvermittlung oder die Rolle der sogenannten „Glokalisierung“. Dabei gab er auch einen Überblick über die Veränderungen in der Geschichtsschreibung und Erinnerungskultur in Vorarlberg seit den sechziger Jahren und erläuterte, welche Auswirkungen diese auf die Geschichtsvermittlung allgemein und den Geschichtsunterricht im Speziellen hatten. Ausgehend von den Beispielen des Jugendsachbuches wurden weiterführende Quellen für das Lernen anhand regionalgeschichtlicher Beispiele präsentiert, die es ermöglichen sollen, Geschichte mit der Lebensumwelt von SchülerInnen in Bezug zu setzen. Konkrete Beispiele dafür sind die Vermittlungsangebote des Jüdischen Museums Hohenems oder die Wanderausstellung „darüber sprechen“ von ERINNERN:AT.




Workshop 2: Das Unterrichtsmaterial „Vielfalt - Jüdisches Leben vor der Shoah“ – Axel Schacht
Das im Workshop präsentierte Unterrichtsmaterial stellt jüdisches Leben und ein lebendiges Judentum in Österreich vor 1938 vor. SchülerInnen nähern sich dabei anhand von zwanzig Fotos der kulturellen, gesellschaftlichen und religiösen Vielfalt der jüdischen Gemeinschaft an. Der Workshop begann mit einer kurzen, inhaltlichen Einführung zu den hinter dem Material stehenden Überlegungen, die auch das Thema des Zentralen Seminars berühren: die Zuschreibung einer Andersartigkeit in Frage stellen, die Anerkennung von Mehrdeutigkeit und Uneindeutigkeit steigern, sowie der Versuch, einem Verfolgungsparadigma und einer Viktimisierung entgegen zu wirken. Danach wurde mit dem Material selbst gearbeitet und die Teilnehmenden wurden angeleitet, einzelne Methoden aus dem vorgeschlagenen Stundenbild auszuprobieren. Zwischendurch wurden diese immer wieder hinsichtlich der inhaltlichen Chancen wie auch der didaktischen Grenzen reflektiert. Dabei stand weniger das Erstaunen über die Vielfalt des jüdischen Lebens selbst im Vordergrund, sondern viel mehr die Möglichkeit dies in 20 Bildern, die auch alle Bundesländer inkludieren, darzustellen. Zum Schluss des Workshops wurde auf drei Bilder bzw. Biographien genauer eingegangen, sowie auf die weiterführenden didaktischen Möglichkeiten verwiesen.




Workshop 3: „DERLA – Digitale Erinnerungslandschaft | Verfolgung und Widerstand im Nationalsozialismus: Dokumentieren und Vermitteln“ – Gerald Lamprecht
Die digitale Erinnerungslandschaft – www.erinnerungslandschaft.at – dokumentiert die Erinnerungsorte und -zeichen für die Opfer, sowie die Orte des Terrors des Nationalsozialismus in Österreich. Das Projekt setzt sich die kritische Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus und der Erinnerung an ihn und seine Opfer zum Ziel. In einem ersten Schritt wurden in der Steiermark und in Vorarlberg knapp 700 Erinnerungszeichen dokumentiert und historisch beschrieben. Darüber hinaus wurden etwa 30 Vermittlungsangebote zur Arbeit mit SchülerInnen entwickelt. Im Workshop erfolgte eine detaillierte Einführung in das Projekt, wobei besonderes Augenmerk auf die Funktionsweise und in einem weiteren Schritt auf die Vermittlungsangebote gelegt wurde. Zudem wurden die Analysetools (DARIAH Geo-Browser) vorgestellt und die Ergebnisse diskutiert. Die TeilnehmerInnen hatten dabei die Möglichkeit, die einzelnen Angebote auszuprobieren und waren zur konkreten Rückmeldung in Bezug auf die Möglichkeiten des Einsatzes in der Schule eingeladen. Weiters wurde auch über die mögliche Integration von Schulprojekten in DERLA gesprochen und auch konkretes Interesse an der Mitarbeit bekundet.




Workshop 4: „Lernen und Lehren über Vielfalt und Diskriminierung – Die Online-Toolbox „Stories that Move“ – Alexander Niederhuber
Die TeilnehmerInnen bekamen im Zuge des Workshops eine Einführung in die Funktionsweise und die theoretischen Hintergründe der digitalen Lernressource „Stories that Move“. Die Online-Toolbox soll PädagogInnen dabei unterstützen, die Themen Rassismus, Diskriminierung und Antisemitismus im Unterricht und in außerschulischer Bildung zu thematisieren. Eine elementare Grundlage des Tools, durch die SchülerInnen in ihrem selbstreflexiven Denken geschult werden,  sind Videos von Gleichaltrigen: Jugendliche erzählen darin über ihre eigenen Erfahrungen von Diskriminierung aber auch eigenen Vorurteilen oder ihrem Engagement gegen Diskriminierung und Rassismus. Der Workshop gab den Teilnehmenden die Möglichkeit, die Online-Toolbox in Kleingruppen auszuprobieren und deren Umsetzungsmöglichkeiten im Plenum zu reflektieren. Workshop-Leiter Alexander Niederhuber stellte zusätzlich zur Toolbox auch die gleichnamige Haupt-Website des internationalen Kooperationsprojekts www.storiesthatmove.org vor, auf der alle Videos, die didaktischen Grundlagen und weitere Materialien für LehrerInnen bereitstehen. Anhand der didaktisch-methodischen Hinweise lernten die Teilnehmenden die wichtigsten Elemente des Projektes und der Toolbox kennen. Für die kontinuierliche Weiterentwicklung des Tools wurde im Verlauf des Workshops wichtiges Feedback der PädagogInnen zur Funktionsweise des Tools gesammelt.  

Exkursionen



Exkursion 1: Jüdisches Museum und das Jüdische Viertel in Hohenems
Hanno Loewy führte eine Gruppe von 30 LehrerInnen durch das Jüdische Viertel und das Museum Hohenems. Der Rundgang begann bei der Hohenemser Mikwe, die im 19. Jahrhundert errichtet wurde. Loewy verband den Blick in das beheizbare Ritualbad mit interessanten InformatiEonen über religiöse Gesetze und Traditionen in Hohenems und deren Schwinden zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Dieses und auch die weiteren Gebäude spiegeln die Zeitläufte des 20. Jahrhunderts; die „Arisierung“ 1938 und die Umwidmung als Werkstatt in den 1950er Jahren sowie die Rückbesinnung auf das jüdische Erbe in Hohenems Ende des 20., Anfang des 21. Jahrhunderts.
Auf dem weiteren Weg durch das Jüdische Viertel, vorbei an den aufwändig restaurierten Bürgerhäusern und den vielen kleinen Wohnhäusern der Handwerker und Hausierer, bekamen die Teilnehmenden einen Einblick in die wechselvolle Geschichte der Hohenemser Juden. Die Synagoge, 1954/55 in ein Feuerwehrhaus umgebaut, zeugt mit dem Salomon-Sulzer-Saal für einen neuen Umgang mit der wertvollen historischen Substanz in Hohenems.
Den Abschluss der Exkursion bildete der Besuch der Dauerausstellung des Museums in der Villa Heimann-Rosenthal. Unscheinbare Gegenstände wie das Hormonpräparat von Eugen Steinach oder die Taschenuhr von Harry Weil aus dem Ersten Weltkrieg bekommen durch die spannende Kontextualisierung eine andere und tiefere Bedeutung. An ihnen zeigt sich die tiefe Verankerung des jüdischen Lebens in Hohenems bis zu dessen Auslöschung durch die Nationalsozialisten.




Exkursion 2: Jüdischer Friedhof in Hohenems und islamische Friedhof in Altach
Der erste Teil der Exkursion führte die Teilnehmenden unter der Begleitung von Judith Niederklopfer zum Jüdischen Friedhof Hohenems, der 1617 am Südrand der Stadt errichtet wurde als sich die ersten Jüdinnen und Juden hier niedergelassen hatten. Insgesamt liegen weit über 500 Gräber auf dem Gelände. 1938 wurde der Friedhof von der nationalsozialistischen Gemeindeverwaltung beschlagnahmt, und im Herbst 1938 kam es hier zu Friedhofsschändungen. Der Friedhof ist heute im Besitz eines Schweizer Vereins, den Nachkommen jüdischer Familien aus Hohenems zur Erhaltung dieser Anlage gegründet haben, und er dient noch heute als Begräbnisstätte. Für die jüdischen NS-Opfer Vorarlbergs wurde 1992 eine Gedenktafel am Eingang des Friedhofs angebracht. Zur leichteren Orientierung ist ein detaillierter Plan online verfügbar.
Im zweiten Teil folgte eine Einführung in die Geschichte des nahe gelegenen Islamischen Friedhofs in Altach. Eva Grabherr erläuterte den Entstehungshintergrund des 2012 eröffneten Friedhofs (der erste islamische in Vorarlberg) und ging speziell auf den Friedhof als Generator der Beheimatung von MuslimInnen in Vorarlberg ein (Ablöse des „Gastarbeiter-Rotationsmodells“ durch ein „Bleibemodell“). So reagierten vor allem junge Vorarlberger MuslimInnen positiv und wertschätzend auf die Errichtung des Friedhofes, der national und international für sein architektonisches und künstlerisches Konzept bekannt ist und mehrfach ausgezeichnet wurde. Der Errichtung vorausgegangen, war ein mehrjähriger Prozess, in den auch Eva Grabherr von der Integrationsstelle „okay.zusammen leben“ eingebunden war.




Exkursion 3: „Fluchtwege“ – Dramapädagogische Geschichtsvermittlung zum Thema Flucht
Die Exkursion „Fluchtwege – Dramapädagogische Geschichtsvermittlung zum Thema Flucht“, geleitet von Angelika Purin vom Jüdischen Museum Hohenems, führte die TeilnehmerInnen in einer dramapädagogisch inszenierten Wanderung auf ehemaligen Fluchtwegen von jüdischen Flüchtlingen bis zur Schweizer Grenze. 1938 versuchten in Hohenems viele Flüchtende zunächst auf legalen später, aufgrund der Schließung der Schweizer Grenze, auf illegalisierten Wegen den rettenden Grenzübertritt zu schaffen. Nach einer kurzen Einführung in die Methodik der Dramapädagogik führte die Exkursion zu Fuß in Richtung der Schweizer Grenze. An mehreren Stellen des Weges hielt die Gruppe an, um die dramapädagogischen Übungen durchzuführen. Im Laufe der Exkursion wurden so unterschiedlichste Ansätze der Dramapädagogik kennengelernt und somit auch neue, innovative Zugänge der Geschichtsvermittlung verinnerlicht.




Exkursion 4: Nationalsozialismus in Feldkirch - Erinnern, Kontinuitäten
In vier Stationen begleitete Tobias Reinhard durch Feldkirch und konnte durch ein enormes Detailwissen viel über die Geschichte und auch die damit verbundene Erinnerungskultur erzählen. Direkt am Bahnhof von Feldkirch wurden anhand des dort gut sichtbaren Zitats von Carl Zuckmayer die Themen erfolgreiche, wie missglückte Flucht, sowie Zwangsarbeit bei der Reichsbahn thematisiert. Am evangelischen Friedhof wurden Beispiele für den Widerstand der ArbeiterInnenbewegung vorgestellt so wie die Lebensgeschichte von Hilde Meisel alias Hilda Monte bzw. Hilda Olday, die bei dem Versuch, die Grenze zu überschreiten in der Nähe von Feldkirch angeschossen wurde und daran verstarb. Davon ausgehend thematisiert wurde auch der Umgang mit ihrem Grabstein und der Erinnerung – sowohl von Seiten der Sozialdemokratie, wie auch der Versuche des Schwatzen Kreuzes eine korrekte Erinnerung an Hilde Meisel zu verhindern. Bei der Firma Carl Ganahl wurden die drei führenden Industriellen in Vorarlberg besprochen, die es schafften, sowohl Profiteure des Nationalsozialismus und des Krieges, wie auch des Wiederaufbaus nach 1945 zu sein. An der letzten Station an der Ill waren weitere Themen: die Moskauer Deklaration, die Opferthese, die Befreiung und Besatzung, sowie die Rolle der französischen Verwaltung bei der Nicht-Entnazifizierung im Interesse der wirtschaftlichen Erholung.

Pandeldiskussion: Antisemitische Verschwörungserzählungen als Gefahr
   und Herausforderung im Schulalltag



Krisenzeiten ganz generell und so auch die aktuelle Covid-Pandemie lassen monokausale Erklärungen besonders attraktiv wirken, so lautete eine wichtige Feststellung der Diskussion am Podium. Zu Beginn des Gesprächs wurde thematisiert, was überhaupt eine Verschwörungstheorie charakterisiert, was determinierende Faktoren sind und welche Schwierigkeiten diese Thematik im Unterricht mit sich bringt. Im weiteren Verlauf beschäftigten sich die ExpertInnen auf dem Podium mit den Fragen, wo Verschwörungstheorien gesellschaftlich zu verorten sind, welche Gegenmaßnahmen sinnvoll sind und wann und wo diesen in Österreich bereits begegnet sind. Neben Maßnahmen wie „deplatforming“ wurde auch über die psychologische Komponente von Verschwörungstheorien diskutiert. Verschwörungstheorien wurde dabei die Rolle einer Instanz zugeschrieben, die Antwort auf das Gefühl des Kontrollverlustes gibt, wobei diese immer auch eine Antwort auf Ängste zu geben scheinen. Maßnahmen gegen diese Problematik gibt es viele. Ein Ansatz, der am Panel diskutiert wurde, ist, in den Schulen politische Probleme immer als kontrovers darzustellen und weniger mit perfekten Lösungen aufzuwarten. Jugendliche sollten als politische Akteure ernst genommen und ihre Meinungen gehört werden, um gemeinsam mit ihnen Lösungen und Antworten auf ihre Fragen zu erarbeiten.