Zur Gegenwart und Zukunft der Erinnerung in Kärnten/Koroška. Ein diskursives Symposium für eine inklusivere Erinnerung im zweisprachigen Süden Kärntens

Am Mittwoch, dem 20. September 2023, findet ab 17 Uhr im Rondeau des Schlosses Ferlach ein öffentliches Symposium zur Gegenwart und Zukunft der Erinnerungskultur in der Region statt.
Neben Impulsreferaten von ExpertInnen sind alle Interessierten eingeladen sich aktiv einzubringen.
Wann

20.09.2023 von 17:00 bis 19:30 (Europe/Vienna / UTC200)

Bundesland

Kärnten

Wo

Rondeau des Schlosses Ferlach

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Der Historiker Robert Knight, der Kulturanthropologe Klaus Schönberger und die Pädagogin Nadja Danglmaier beginnen  mit kürzeren Beiträgen zu den folgenden Themen:

  • Die Rolle der sog. “Schutzvereine”
  • Gegenwärtiger Umgang mit problematischen Erinnerungszeichen
  • Bislang missachtete Erinnerungskultur in Ferlach/Borovlje und Kärnten/Koroška


Es folgen weitere Inputs zu:

  • Herausforderungen und Chancen inklusiver, dialogischer und zeitgemäßer Erinnerungskultur
  • regionalen Ausprägungen & Folgen
  • bestehenden guten Beispielen inklusiver, dialogischer Erinnerungskultur und Aufarbeitung in Südkärnten


Moderation: Daniel Wutti

Tragen Sie aktiv bei!

Im Rahmen der öffentlichen Veranstaltung werden Sie ausreichend Möglichkeit zur Diskussion haben.

Sie können jedoch auch im Vorfeld der Veranstaltung einen eigenen Kurzbeitrag zum Thema einreichen. Schreiben Sie dazu Ihren informellen Themenvorschlag bis spätestens 19.09.2023, 12:00 Uhr an: freiheitsvoboda@ferlachborovlje.at

Geschichte und Gegenwart - Zum Ausgangspunkt des Symposiums

Das Haus in der Ferlacher Kindergartengasse 5 hat eine bewegte Geschichte: Es wurde vom "Deutschen Kindergartenverein Ferlach" errichtet, 1923 vom "Deutschen Schulverein Südmark" übernommen und ging 1938 in der nationalsozialistischen "Volkswohlfahrt" auf. Ab 1945 war hier erneut ein Kindergarten untergebracht. Von 1955 bis 2016 befand sich das Gebäude im Eigentum der Stadtgemeinde Ferlach. Seit 2016 ist es ein privates Wohnhaus und beherbergt im Erdgeschoß eine zweisprachige, deutsch/slowenische, Kindertagesstätte.

Tatsächlich war das Haus in der Kindergartengasse 5 viele Jahrzehnte seiner Geschichte ein Hort der ethnischen und sprachlichen Homogenisierung der Region. Im Jahr 1910 gaben im Süden Kärntens noch 70 % der Bevölkerung Slowenisch als Umgangssprache an. In Institutionen deutschnationaler “Schutzvereine” wurden Südkärntner Kinder jahrzehntelang dazu erzogen, nur noch Deutsch zu sprechen. So auch lange Jahre in der Kindergartengasse 5. Vielen Kärntnerinnen und Kärntnern wurde so die Muttersprache

genommen, heutigen Jugendlichen wurde der Zugang zur Zwei- und Mehrsprachigkeit erschwert.

Bis zum Jahr 2016 erinnerten zwei am Haus angebrachte Tafeln an die regionalgeschichtliche Rolle des Gebäudes. Beide waren jedoch nach aktuellem Stand der Wissenschaft inhaltlich mangelhaft und problematisch. Die erste Tafel verschwieg, dass der Kindergarten-verein, der das Haus errichten ließ, ein ausdrücklich “deutscher” Verein war. Die zweite Tafel trug den Schriftzug “In diesem Hause wurde am 10. Oktober 1920 über die Freiheit Kärntens abgestimmt.” Ein Text, der missverständlich ist: Die Volksabstimmung 1920 war eine Abstimmung über die zukünftige staatliche Zugehörigkeit Kärntens. Südkärntner Frauen und Männer stimmten dabei entweder für Österreich oder für den jugoslawischen SHS-Staat, dem Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen. Beide Optionen waren legitim. Eine demokratische Wahl – selten für diese Zeit. Es war keine Wahl über die “Freiheit Kärntens”.

Die Stadtgemeinde Ferlach brachte im Oktober 2022 eine neue Tafel mit demselben Inhalt unmittelbar vor dem Haus an: “In diesem Hause wurde am 10. Oktober 1920 über die Freiheit Kärntens abgestimmt. Stadtgemeinde Ferlach.”

Sollen missverständliche und problematische Erinnerungszeichen in Südkärnten weiterhin unkommentiert und unkontextualisiert bleiben?

Wie sollte ein Erinnerungszeichen aussehen, das auf eine kritische und zeitgemäße Art der historischen Tatsache, dass im besagten Gebäude eines der vielen Abstimmungslokale des Plebiszits von 1920 untergebracht war, Rechnung trägt?

Wie könnte die historisch problematische Rolle des Gebäudes kontextualisiert werden?

Und mit welcher angemessenen Herangehensweise könnte dabei auch die jahrzehntelang versuchte ethnische und sprachliche Homogenisierung Südkärntens angesprochen werden?


Diese und weitere Fragen werden im Rahmen der öffentlichen Veranstaltung zur Ferlacher und Südkärntner Erinnerungskultur von Expert:innen gemeinsam mit dem Publikum diskutiert und bearbeitet.