Was ist Antiziganismus? IHRA und ihre 34 Mitgliedsstaaten nehmen Arbeitsdefinition von Antiziganismus an.
Am 08. Oktober 2020 wurde die IHRA-Arbeitsdefinition von Antiziganismus von 34 nationalen DelegationsleiterInnen angenommen. Die Arbeitsdefinition wurde von der IHRA-Arbeitsgruppe zum Genozid an den Roma, unter der Leitung von Martina Maschke (Obfrau von _erinnern.at_ und Abteilungsleiterin im BMBWF), initiiert. Der österreichische Ministerrat hat die Definition am 7. April 2021 angenommen und damit ein wichtiges Signal gesetzt. Zum Artikel: - Link
„Antiziganismus ist ein facettenreiches Phänomen, das auf breite gesellschaftliche und politische Akzeptanz stößt. Er behindert maßgeblich die Integration der Sinti und Roma in die Gesamtgesellschaft und trägt dazu bei, dass es für Sinti und Roma keine Rechts- und Chancengleichheit gibt und dass sie nicht gleichberechtigt am gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Leben sowie am Arbeitsmarkt teilhaben können“, so die rechtlich nicht-bindende Arbeitsdefinition von Antiziganismus
Mit Sorge stellt die IHRA fest, dass die mangelnde Anerkennung des Völkermordes an den Sinti und Roma zu den Vorurteilen und zur Diskriminierung beigetragen hat, unter denen viele Gemeinschaften der Sinti und Roma heute noch leiden. Die Definition beschreibt wie sich Antiziganismus manifestiert, und gibt Beispiele. Die Leugnung, Verzerrung oder Glorifizierung der Verfolgung von Sinti und Roma oder des Völkermords an ihnen ist als antiziganistisch zu werten. Ebenso die Stereotypisierung von Sinti und Roma als verbrechensaffine Menschen, die Verwendung des Begriffs „Zigeuner“ als Beleidigung und die kollektive Haftbarmachung aller Sinti und Roma für die tatsächlichen oder wahrgenommenen Handlungen einzelner Mitglieder von Gemeinschaften der Sinti und Roma.
„Antiziganismus hat weder mit der NS Zeit begonnen noch danach aufgehört, sondern ist weiterhin ein zentrales Element von gegen Sinti und Roma begangenen Verbrechen. Trotz der bedeutenden Arbeit der Vereinten Nationen, der Europäischen Union, des Europarates, der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa und anderer internationaler Gremien sind die Stereotypen und Vorurteile in Bezug auf Sinti und Roma bis heute weder delegitimiert noch hinreichend energisch diskreditiert worden, so dass sie fortbestehen und weitgehend kritiklos angewendet werden können.“ Arbeitsdefinition von Antiziganismus
Langes Engagement für eine Arbeitsdefinition
„Insbesondere Martina Maschke, als Vorsitzende der Arbeitsgruppe zum Genozid an den Roma und Mitglied der Troika der Arbeitsgruppe hat sich seit Jahren für die Definition eingesetzt und war auch maßgeblich an der Texterstellung beteiligt“, so Botschafter Thomas Michael Baier, Leiter der österreichischen Delegation zur IHRA über die Arbeitsdefinition.
„Im Jahr 2020 werden Roma und Sinti immer noch zur Zielscheibe von Vorurteilen, Diskriminierung und Gewalt. Gerade auch vor dem Hintergrund der COVID-19 Pandemie hat sich diese Denkweise in vielen Ländern in erschreckendem Ausmaß offenbart. Die neu verabschiedete IHRA-Arbeitsdefinition von Antiziganismus soll dazu beitragen, das Bewusstsein für dieses Thema zu schärfen und Verwaltung, Medien, politische Akteure, Zivilgesellschaft sowie NGOs zu informieren und sensibilisieren“, so Martina Maschke, Obfrau von _erinnern.at_ und Leiterin der Abteilung Bilaterale internationale Angelegenheiten Bildung; Holocaust-Education – international im BMBWF, anlässlich der Annahme der Arbeitsdefinition.
Welche Bedeutung hat die Arbeitsdefinition?
Die Arbeitsdefinition von Antiziganismus dient als Leitfaden für die Erkennung und Dokumentation antiziganistischer Vorfälle und kann für die Erarbeitung und Umsetzung gesetzgeberischer Maßnahmen gegen Antiziganismus herangezogen werden. Mit der Annahme der Definition verfügt Österreich nun über eine einheitliche Definition von Antiziganismus. Behörden und Organisationen können sich auf eine gemeinsame Definition berufen, die Zusammenarbeit wird dadurch gefördert. Antiziganismus kann so leichter von Behörden identifiziert werden.
Für den Bildungsbereich ist die Definition ebenso ein wichtiges Werkzeug: LehrerInnen können anhand der Definition bewerten und einschätzen, ob Texte, Äußerungen oder Bilder als antiziganistisch zu bewerten sind. Für die Vermittlungsarbeit kann die IHRA-Begriffsbestimmung wertvoll sein, SchülerInnen und Lernende lernen mit ihr, wie sie Antiziganismus erkennen können und wie sich dieses jahrhundertealte Stereotyp manifestiert.
Links
Website der International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA)
Europäische Lernwebsite in 12 Sprachen über den Genozid an den Roma und Sinti